in seinem ganzen Werth, in seiner vollen Würde, und die Welt erlebt nicht leicht wieder eine solche Erschei- nung. Hier zeigt sich zwar ein Conflict zwischen Au- torität und Selbstthätigkeit, aber noch mit einem ge- wissen Maße. Beyde sind noch nicht von einander ge- trennt, beyde wirken auf einander, tragen und erhe- ben sich.
In der zweyten Hälfte wird das Streben der In- dividuen nach Freyheit schon viel stärker. Schon ist es Jedem bequem, sich an dem Entstandenen zu bilden, das Gewonnene zu genießen, die freygemachten Räume zu durchlaufen; die Abneigung vor Autorität wird im- mer stärker, und wie einmal in der Religion protestirt worden, so wird durchaus und auch in den Wissen- schaften protestirt, so daß Baco von Verulam zuletzt wagen darf, mit dem Schwamm über alles hinzufahren, was bisher auf die Tafel der Menschheit verzeichnet worden war.
II. 16
in ſeinem ganzen Werth, in ſeiner vollen Wuͤrde, und die Welt erlebt nicht leicht wieder eine ſolche Erſchei- nung. Hier zeigt ſich zwar ein Conflict zwiſchen Au- toritaͤt und Selbſtthaͤtigkeit, aber noch mit einem ge- wiſſen Maße. Beyde ſind noch nicht von einander ge- trennt, beyde wirken auf einander, tragen und erhe- ben ſich.
In der zweyten Haͤlfte wird das Streben der In- dividuen nach Freyheit ſchon viel ſtaͤrker. Schon iſt es Jedem bequem, ſich an dem Entſtandenen zu bilden, das Gewonnene zu genießen, die freygemachten Raͤume zu durchlaufen; die Abneigung vor Autoritaͤt wird im- mer ſtaͤrker, und wie einmal in der Religion proteſtirt worden, ſo wird durchaus und auch in den Wiſſen- ſchaften proteſtirt, ſo daß Baco von Verulam zuletzt wagen darf, mit dem Schwamm uͤber alles hinzufahren, was bisher auf die Tafel der Menſchheit verzeichnet worden war.
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in ſeinem ganzen Werth, in ſeiner vollen Wuͤrde, und
die Welt erlebt nicht leicht wieder eine ſolche Erſchei-
nung. Hier zeigt ſich zwar ein Conflict zwiſchen Au-
toritaͤt und Selbſtthaͤtigkeit, aber noch mit einem ge-
wiſſen Maße. Beyde ſind noch nicht von einander ge-
trennt, beyde wirken auf einander, tragen und erhe-
ben ſich.
In der zweyten Haͤlfte wird das Streben der In-
dividuen nach Freyheit ſchon viel ſtaͤrker. Schon iſt es
Jedem bequem, ſich an dem Entſtandenen zu bilden,
das Gewonnene zu genießen, die freygemachten Raͤume
zu durchlaufen; die Abneigung vor Autoritaͤt wird im-
mer ſtaͤrker, und wie einmal in der Religion proteſtirt
worden, ſo wird durchaus und auch in den Wiſſen-
ſchaften proteſtirt, ſo daß Baco von Verulam zuletzt
wagen darf, mit dem Schwamm uͤber alles hinzufahren,
was bisher auf die Tafel der Menſchheit verzeichnet
worden war.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/275>, abgerufen am 26.11.2024.
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