Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

So hatte sich manches bis zu Porta's Zeiten fort-
gepflanzt; doch lagen die Kenntnisse zerstreut. Sie
waren mehr im Gedächtnisse bewahrt als geschrie-
ben, und selbst dauerte es eine Zeitlang bis die Buch-
druckerkunst durch alle Fächer des Wissens durchwirkte
und das Wissenswerthe durchaus zur Sprache förderte.

Porta gibt sein Buch de magia naturali im Jahr
1560 heraus, eben als er das funfzehnte seines Alters
erreicht hatte. Dieses Büchelchen mit beständiger Rück-
sicht auf jene Zeit und auf einen so jugendlichen Ver-
fasser zu lesen, ist höchst interessant. Man sieht dessen
Bildung in der platonischen Schule, heitere mannig-
faltige Kenntnisse, doch die entschiedene Neigung zum
Wahn, zum Seltsamen und Unerreichbaren.

Er wendet nun sein übriges Leben an, diese Be-
mühungen fortzusetzen. Er versäumt nicht zu studiren,
Versuche anzustellen, Reisen zu machen; einer gelehrten
Gesellschaft, die er in Neapel in seinem Hause errich-
tet, verdankt er Beyhülfe und Mitwirkung. Beson-
ders hat er sich auch der Gunst des Cardinals von
Este zu rühmen.

Nach fünf und dreyßig Jahren gibt er das Buch
zum zweytenmale heraus, da uns denn die Verglei-
chung beyder Ausgaben einen schönen Blick verschafft,
wie in dieser Zeit das Jahrhundert und er selbst zuge-
nommen.

Zwar von den abenteuerlichen Forderungen, Vor-
schlägen und Recepten ist noch immer mehr oder we-

So hatte ſich manches bis zu Porta’s Zeiten fort-
gepflanzt; doch lagen die Kenntniſſe zerſtreut. Sie
waren mehr im Gedaͤchtniſſe bewahrt als geſchrie-
ben, und ſelbſt dauerte es eine Zeitlang bis die Buch-
druckerkunſt durch alle Faͤcher des Wiſſens durchwirkte
und das Wiſſenswerthe durchaus zur Sprache foͤrderte.

Porta gibt ſein Buch de magia naturali im Jahr
1560 heraus, eben als er das funfzehnte ſeines Alters
erreicht hatte. Dieſes Buͤchelchen mit beſtaͤndiger Ruͤck-
ſicht auf jene Zeit und auf einen ſo jugendlichen Ver-
faſſer zu leſen, iſt hoͤchſt intereſſant. Man ſieht deſſen
Bildung in der platoniſchen Schule, heitere mannig-
faltige Kenntniſſe, doch die entſchiedene Neigung zum
Wahn, zum Seltſamen und Unerreichbaren.

Er wendet nun ſein uͤbriges Leben an, dieſe Be-
muͤhungen fortzuſetzen. Er verſaͤumt nicht zu ſtudiren,
Verſuche anzuſtellen, Reiſen zu machen; einer gelehrten
Geſellſchaft, die er in Neapel in ſeinem Hauſe errich-
tet, verdankt er Beyhuͤlfe und Mitwirkung. Beſon-
ders hat er ſich auch der Gunſt des Cardinals von
Eſte zu ruͤhmen.

Nach fuͤnf und dreyßig Jahren gibt er das Buch
zum zweytenmale heraus, da uns denn die Verglei-
chung beyder Ausgaben einen ſchoͤnen Blick verſchafft,
wie in dieſer Zeit das Jahrhundert und er ſelbſt zuge-
nommen.

Zwar von den abenteuerlichen Forderungen, Vor-
ſchlaͤgen und Recepten iſt noch immer mehr oder we-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0258" n="224"/>
          <p>So hatte &#x017F;ich manches bis zu Porta&#x2019;s Zeiten fort-<lb/>
gepflanzt; doch lagen die Kenntni&#x017F;&#x017F;e zer&#x017F;treut. Sie<lb/>
waren mehr im Geda&#x0364;chtni&#x017F;&#x017F;e bewahrt als ge&#x017F;chrie-<lb/>
ben, und &#x017F;elb&#x017F;t dauerte es eine Zeitlang bis die Buch-<lb/>
druckerkun&#x017F;t durch alle Fa&#x0364;cher des Wi&#x017F;&#x017F;ens durchwirkte<lb/>
und das Wi&#x017F;&#x017F;enswerthe durchaus zur Sprache fo&#x0364;rderte.</p><lb/>
          <p>Porta gibt &#x017F;ein Buch <hi rendition="#aq">de magia naturali</hi> im Jahr<lb/>
1560 heraus, eben als er das funfzehnte &#x017F;eines Alters<lb/>
erreicht hatte. Die&#x017F;es Bu&#x0364;chelchen mit be&#x017F;ta&#x0364;ndiger Ru&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;icht auf jene Zeit und auf einen &#x017F;o jugendlichen Ver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;er zu le&#x017F;en, i&#x017F;t ho&#x0364;ch&#x017F;t intere&#x017F;&#x017F;ant. Man &#x017F;ieht de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Bildung in der platoni&#x017F;chen Schule, heitere mannig-<lb/>
faltige Kenntni&#x017F;&#x017F;e, doch die ent&#x017F;chiedene Neigung zum<lb/>
Wahn, zum Selt&#x017F;amen und Unerreichbaren.</p><lb/>
          <p>Er wendet nun &#x017F;ein u&#x0364;briges Leben an, die&#x017F;e Be-<lb/>
mu&#x0364;hungen fortzu&#x017F;etzen. Er ver&#x017F;a&#x0364;umt nicht zu &#x017F;tudiren,<lb/>
Ver&#x017F;uche anzu&#x017F;tellen, Rei&#x017F;en zu machen; einer gelehrten<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, die er in Neapel in &#x017F;einem Hau&#x017F;e errich-<lb/>
tet, verdankt er Beyhu&#x0364;lfe und Mitwirkung. Be&#x017F;on-<lb/>
ders hat er &#x017F;ich auch der Gun&#x017F;t des Cardinals von<lb/>
E&#x017F;te zu ru&#x0364;hmen.</p><lb/>
          <p>Nach fu&#x0364;nf und dreyßig Jahren gibt er das Buch<lb/>
zum zweytenmale heraus, da uns denn die Verglei-<lb/>
chung beyder Ausgaben einen &#x017F;cho&#x0364;nen Blick ver&#x017F;chafft,<lb/>
wie in die&#x017F;er Zeit das Jahrhundert und er &#x017F;elb&#x017F;t zuge-<lb/>
nommen.</p><lb/>
          <p>Zwar von den abenteuerlichen Forderungen, Vor-<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;gen und Recepten i&#x017F;t noch immer mehr oder we-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0258] So hatte ſich manches bis zu Porta’s Zeiten fort- gepflanzt; doch lagen die Kenntniſſe zerſtreut. Sie waren mehr im Gedaͤchtniſſe bewahrt als geſchrie- ben, und ſelbſt dauerte es eine Zeitlang bis die Buch- druckerkunſt durch alle Faͤcher des Wiſſens durchwirkte und das Wiſſenswerthe durchaus zur Sprache foͤrderte. Porta gibt ſein Buch de magia naturali im Jahr 1560 heraus, eben als er das funfzehnte ſeines Alters erreicht hatte. Dieſes Buͤchelchen mit beſtaͤndiger Ruͤck- ſicht auf jene Zeit und auf einen ſo jugendlichen Ver- faſſer zu leſen, iſt hoͤchſt intereſſant. Man ſieht deſſen Bildung in der platoniſchen Schule, heitere mannig- faltige Kenntniſſe, doch die entſchiedene Neigung zum Wahn, zum Seltſamen und Unerreichbaren. Er wendet nun ſein uͤbriges Leben an, dieſe Be- muͤhungen fortzuſetzen. Er verſaͤumt nicht zu ſtudiren, Verſuche anzuſtellen, Reiſen zu machen; einer gelehrten Geſellſchaft, die er in Neapel in ſeinem Hauſe errich- tet, verdankt er Beyhuͤlfe und Mitwirkung. Beſon- ders hat er ſich auch der Gunſt des Cardinals von Eſte zu ruͤhmen. Nach fuͤnf und dreyßig Jahren gibt er das Buch zum zweytenmale heraus, da uns denn die Verglei- chung beyder Ausgaben einen ſchoͤnen Blick verſchafft, wie in dieſer Zeit das Jahrhundert und er ſelbſt zuge- nommen. Zwar von den abenteuerlichen Forderungen, Vor- ſchlaͤgen und Recepten iſt noch immer mehr oder we-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/258
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/258>, abgerufen am 17.07.2024.