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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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daß er beyden denselben Grad von Ueberzeugung zu-
schreibt, obgleich sein Symbolisiren manchmal bloß auf
ein Witzspiel hinausläuft. In diesem Wenigen sind
alle seine Tugenden und alle seine Fehler begriffen.

Man halte diese Ansicht fest und man wird sich
überzeugen, daß es eine falsche Anwendung der reinen
Mathematik und eben so eine falsche Anwendung der
angewandten Mathematik gebe. Offenbar ist die Astro-
logie aus der Astronomie durch den eben gerügten Miß-
griff entstanden, indem man aus den Wirkungen be-
kannter Kräfte auf die Wirkungen unbekannter schloß
und beyde als gleichgeltende behandelte.

Man sehe, wie Baco das Mathematische geistigen
und geistlichen Dingen annähern will durch ein an-
muthiges, heiteres Zahlenspiel.

Ein großer Theil dessen, was man gewöhnlich
Aberglauben nennt, ist aus einer falschen Anwendung
der Mathematik entstanden, deswegen ja auch der Na-
me eines Mathematikers mit dem eines Wahnkünstlers
und Astrologen gleich galt. Man erinnere sich der
Signatur der Dinge, der Chiromantie, der Punctirkunst,
selbst des Höllenzwangs; alle dieses Unwesen nimmt sei-
nen wüsten Schein von der klarsten aller Wissenschaften,
seine Verworrenheit von der exactesten. Man hat daher
nichts für verderblicher zu halten, als daß man, wie
in der neuern Zeit abermals geschieht, die Mathematik
aus der Vernunft- und Verstandesregion, wo ihr Sitz

daß er beyden denſelben Grad von Ueberzeugung zu-
ſchreibt, obgleich ſein Symboliſiren manchmal bloß auf
ein Witzſpiel hinauslaͤuft. In dieſem Wenigen ſind
alle ſeine Tugenden und alle ſeine Fehler begriffen.

Man halte dieſe Anſicht feſt und man wird ſich
uͤberzeugen, daß es eine falſche Anwendung der reinen
Mathematik und eben ſo eine falſche Anwendung der
angewandten Mathematik gebe. Offenbar iſt die Aſtro-
logie aus der Aſtronomie durch den eben geruͤgten Miß-
griff entſtanden, indem man aus den Wirkungen be-
kannter Kraͤfte auf die Wirkungen unbekannter ſchloß
und beyde als gleichgeltende behandelte.

Man ſehe, wie Baco das Mathematiſche geiſtigen
und geiſtlichen Dingen annaͤhern will durch ein an-
muthiges, heiteres Zahlenſpiel.

Ein großer Theil deſſen, was man gewoͤhnlich
Aberglauben nennt, iſt aus einer falſchen Anwendung
der Mathematik entſtanden, deswegen ja auch der Na-
me eines Mathematikers mit dem eines Wahnkuͤnſtlers
und Aſtrologen gleich galt. Man erinnere ſich der
Signatur der Dinge, der Chiromantie, der Punctirkunſt,
ſelbſt des Hoͤllenzwangs; alle dieſes Unweſen nimmt ſei-
nen wuͤſten Schein von der klarſten aller Wiſſenſchaften,
ſeine Verworrenheit von der exacteſten. Man hat daher
nichts fuͤr verderblicher zu halten, als daß man, wie
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[158/0192] daß er beyden denſelben Grad von Ueberzeugung zu- ſchreibt, obgleich ſein Symboliſiren manchmal bloß auf ein Witzſpiel hinauslaͤuft. In dieſem Wenigen ſind alle ſeine Tugenden und alle ſeine Fehler begriffen. Man halte dieſe Anſicht feſt und man wird ſich uͤberzeugen, daß es eine falſche Anwendung der reinen Mathematik und eben ſo eine falſche Anwendung der angewandten Mathematik gebe. Offenbar iſt die Aſtro- logie aus der Aſtronomie durch den eben geruͤgten Miß- griff entſtanden, indem man aus den Wirkungen be- kannter Kraͤfte auf die Wirkungen unbekannter ſchloß und beyde als gleichgeltende behandelte. Man ſehe, wie Baco das Mathematiſche geiſtigen und geiſtlichen Dingen annaͤhern will durch ein an- muthiges, heiteres Zahlenſpiel. Ein großer Theil deſſen, was man gewoͤhnlich Aberglauben nennt, iſt aus einer falſchen Anwendung der Mathematik entſtanden, deswegen ja auch der Na- me eines Mathematikers mit dem eines Wahnkuͤnſtlers und Aſtrologen gleich galt. Man erinnere ſich der Signatur der Dinge, der Chiromantie, der Punctirkunſt, ſelbſt des Hoͤllenzwangs; alle dieſes Unweſen nimmt ſei- nen wuͤſten Schein von der klarſten aller Wiſſenſchaften, ſeine Verworrenheit von der exacteſten. Man hat daher nichts fuͤr verderblicher zu halten, als daß man, wie in der neuern Zeit abermals geſchieht, die Mathematik aus der Vernunft- und Verſtandesregion, wo ihr Sitz

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/192>, abgerufen am 22.11.2024.