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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Naturen und zwar auch auf eine einfache und leichte
Weise."


"Alle natürlichen Dinge werden zum Daseyn ge-
bracht durch ein Wirksames und durch eine Materie,
auf welche jenes seine Thätigkeit ausübt: denn diese
beyden treffen zu allererst zusammen. Denn das Han-
delnde durch seine Tugend bewegt und verwandelt die
Materie, daß sie eine Sache werde; aber die Wahrheit
des Wirksamen und der Materie können wir nicht ein-
sehen, ohne große Gewalt der Mathematik, ja nicht
einmal die hervorgebrachten Wirkungen. Diese drey
sind also zu beachten, das Wirkende, die Materie und
das Gewirkte.

Alles Wirksame handelt durch seine Tugend, die
es in der untergelegten Materie zur Wirklichkeit bringt.
Eine solche (abgeleitete) Tugend wird ein Gleichniß,
ein Bild, ein Artiges genannt und sonst noch auf man-
cherley Weise bezeichnet. Dieses aber wird sowohl
durch die Wesenheit als durch das Zufällige, durch
das Geistige wie durch das Körperliche hervorgebracht,
durch die Wesenheit aber mehr, als durch das Zufälli-
ge, durch das Geistige mehr als durch das Körperliche;
und dieses Gleichartige macht alle Wirkungen dieser
Welt: denn es wirkt auf den Sinn, auf den Geist
und auf die ganze Materie der Welt durch Erzeugung
der Dinge. Und so bringt ein natürlich Wirksames
immer Ein- und dasselbe hervor, es mag wirken, wor-

Naturen und zwar auch auf eine einfache und leichte
Weiſe.“


„Alle natuͤrlichen Dinge werden zum Daſeyn ge-
bracht durch ein Wirkſames und durch eine Materie,
auf welche jenes ſeine Thaͤtigkeit ausuͤbt: denn dieſe
beyden treffen zu allererſt zuſammen. Denn das Han-
delnde durch ſeine Tugend bewegt und verwandelt die
Materie, daß ſie eine Sache werde; aber die Wahrheit
des Wirkſamen und der Materie koͤnnen wir nicht ein-
ſehen, ohne große Gewalt der Mathematik, ja nicht
einmal die hervorgebrachten Wirkungen. Dieſe drey
ſind alſo zu beachten, das Wirkende, die Materie und
das Gewirkte.

Alles Wirkſame handelt durch ſeine Tugend, die
es in der untergelegten Materie zur Wirklichkeit bringt.
Eine ſolche (abgeleitete) Tugend wird ein Gleichniß,
ein Bild, ein Artiges genannt und ſonſt noch auf man-
cherley Weiſe bezeichnet. Dieſes aber wird ſowohl
durch die Weſenheit als durch das Zufaͤllige, durch
das Geiſtige wie durch das Koͤrperliche hervorgebracht,
durch die Weſenheit aber mehr, als durch das Zufaͤlli-
ge, durch das Geiſtige mehr als durch das Koͤrperliche;
und dieſes Gleichartige macht alle Wirkungen dieſer
Welt: denn es wirkt auf den Sinn, auf den Geiſt
und auf die ganze Materie der Welt durch Erzeugung
der Dinge. Und ſo bringt ein natuͤrlich Wirkſames
immer Ein- und daſſelbe hervor, es mag wirken, wor-

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[153/0187] Naturen und zwar auch auf eine einfache und leichte Weiſe.“ „Alle natuͤrlichen Dinge werden zum Daſeyn ge- bracht durch ein Wirkſames und durch eine Materie, auf welche jenes ſeine Thaͤtigkeit ausuͤbt: denn dieſe beyden treffen zu allererſt zuſammen. Denn das Han- delnde durch ſeine Tugend bewegt und verwandelt die Materie, daß ſie eine Sache werde; aber die Wahrheit des Wirkſamen und der Materie koͤnnen wir nicht ein- ſehen, ohne große Gewalt der Mathematik, ja nicht einmal die hervorgebrachten Wirkungen. Dieſe drey ſind alſo zu beachten, das Wirkende, die Materie und das Gewirkte. Alles Wirkſame handelt durch ſeine Tugend, die es in der untergelegten Materie zur Wirklichkeit bringt. Eine ſolche (abgeleitete) Tugend wird ein Gleichniß, ein Bild, ein Artiges genannt und ſonſt noch auf man- cherley Weiſe bezeichnet. Dieſes aber wird ſowohl durch die Weſenheit als durch das Zufaͤllige, durch das Geiſtige wie durch das Koͤrperliche hervorgebracht, durch die Weſenheit aber mehr, als durch das Zufaͤlli- ge, durch das Geiſtige mehr als durch das Koͤrperliche; und dieſes Gleichartige macht alle Wirkungen dieſer Welt: denn es wirkt auf den Sinn, auf den Geiſt und auf die ganze Materie der Welt durch Erzeugung der Dinge. Und ſo bringt ein natuͤrlich Wirkſames immer Ein- und daſſelbe hervor, es mag wirken, wor-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/187>, abgerufen am 24.11.2024.