Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite
Roger Bacon

von 1216 -- 1294.

Die in Britannien durch Römerherrschaft gewirkte
Cultur, diejenige, welche früh genug durch das Christen-
thum daselbst eingeleitet worden, verlor sich nur gar
zu bald, vernichtet durch den Zudrang wilder Insel-
Nachbarn und seeräuberischer Schaaren. Bey zurück-
kehrender obgleich oft gestörter Ruhe fand sich auch die
Religion wieder ein und wirkte auf eine vorzügliche
Weise zum Guten. Treffliche Männer bildeten sich aus
zu Aposteln ihres eigenen Vaterlandes, ja des Auslan-
des. Klöster wurden gestiftet, Schulen eingerichtet und
jede Art besserer Bildung schien sich in diese abgeson-
derten Länder zu flüchten, sich daselbst zu bewahren und
zu steigern.

Roger Bacon war in einer Epoche geboren, wel-
che wir die des Werdens, der freyen Ausbildung der
Einzelnen neben einander genannt haben, für einen
Geist wie der seine, in der glücklichsten. Sein eigent-
liches Geburtsjahr ist ungewiß, aber die magna Charta
war bereits unterzeichnet (1215), als er zur Welt kam,
jener große Freyheitsbrief, der durch die Zusätze nach-
folgender Zeiten das wahre Fundament neuer englischer
Nationalfreyheit geworden. So sehr auch der Clerus
und die Baronen für ihren Vortheil dabey mochten ge-
sorgt haben, so gewann doch der Bürgerstand dadurch
außerordentlich, daß freyer Handel gestattet, beson-

Roger Bacon

von 1216 — 1294.

Die in Britannien durch Roͤmerherrſchaft gewirkte
Cultur, diejenige, welche fruͤh genug durch das Chriſten-
thum daſelbſt eingeleitet worden, verlor ſich nur gar
zu bald, vernichtet durch den Zudrang wilder Inſel-
Nachbarn und ſeeraͤuberiſcher Schaaren. Bey zuruͤck-
kehrender obgleich oft geſtoͤrter Ruhe fand ſich auch die
Religion wieder ein und wirkte auf eine vorzuͤgliche
Weiſe zum Guten. Treffliche Maͤnner bildeten ſich aus
zu Apoſteln ihres eigenen Vaterlandes, ja des Auslan-
des. Kloͤſter wurden geſtiftet, Schulen eingerichtet und
jede Art beſſerer Bildung ſchien ſich in dieſe abgeſon-
derten Laͤnder zu fluͤchten, ſich daſelbſt zu bewahren und
zu ſteigern.

Roger Bacon war in einer Epoche geboren, wel-
che wir die des Werdens, der freyen Ausbildung der
Einzelnen neben einander genannt haben, fuͤr einen
Geiſt wie der ſeine, in der gluͤcklichſten. Sein eigent-
liches Geburtsjahr iſt ungewiß, aber die magna Charta
war bereits unterzeichnet (1215), als er zur Welt kam,
jener große Freyheitsbrief, der durch die Zuſaͤtze nach-
folgender Zeiten das wahre Fundament neuer engliſcher
Nationalfreyheit geworden. So ſehr auch der Clerus
und die Baronen fuͤr ihren Vortheil dabey mochten ge-
ſorgt haben, ſo gewann doch der Buͤrgerſtand dadurch
außerordentlich, daß freyer Handel geſtattet, beſon-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0182" n="148"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#g">Roger Bacon</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">von 1216 &#x2014; 1294</hi>.</hi> </p><lb/>
          <p>Die in Britannien durch Ro&#x0364;merherr&#x017F;chaft gewirkte<lb/>
Cultur, diejenige, welche fru&#x0364;h genug durch das Chri&#x017F;ten-<lb/>
thum da&#x017F;elb&#x017F;t eingeleitet worden, verlor &#x017F;ich nur gar<lb/>
zu bald, vernichtet durch den Zudrang wilder In&#x017F;el-<lb/>
Nachbarn und &#x017F;eera&#x0364;uberi&#x017F;cher Schaaren. Bey zuru&#x0364;ck-<lb/>
kehrender obgleich oft ge&#x017F;to&#x0364;rter Ruhe fand &#x017F;ich auch die<lb/>
Religion wieder ein und wirkte auf eine vorzu&#x0364;gliche<lb/>
Wei&#x017F;e zum Guten. Treffliche Ma&#x0364;nner bildeten &#x017F;ich aus<lb/>
zu Apo&#x017F;teln ihres eigenen Vaterlandes, ja des Auslan-<lb/>
des. Klo&#x0364;&#x017F;ter wurden ge&#x017F;tiftet, Schulen eingerichtet und<lb/>
jede Art be&#x017F;&#x017F;erer Bildung &#x017F;chien &#x017F;ich in die&#x017F;e abge&#x017F;on-<lb/>
derten La&#x0364;nder zu flu&#x0364;chten, &#x017F;ich da&#x017F;elb&#x017F;t zu bewahren und<lb/>
zu &#x017F;teigern.</p><lb/>
          <p>Roger Bacon war in einer Epoche geboren, wel-<lb/>
che wir die des Werdens, der freyen Ausbildung der<lb/>
Einzelnen neben einander genannt haben, fu&#x0364;r einen<lb/>
Gei&#x017F;t wie der &#x017F;eine, in der glu&#x0364;cklich&#x017F;ten. Sein eigent-<lb/>
liches Geburtsjahr i&#x017F;t ungewiß, aber die <hi rendition="#aq">magna Charta</hi><lb/>
war bereits unterzeichnet (1215), als er zur Welt kam,<lb/>
jener große Freyheitsbrief, der durch die Zu&#x017F;a&#x0364;tze nach-<lb/>
folgender Zeiten das wahre Fundament neuer engli&#x017F;cher<lb/>
Nationalfreyheit geworden. So &#x017F;ehr auch der Clerus<lb/>
und die Baronen fu&#x0364;r ihren Vortheil dabey mochten ge-<lb/>
&#x017F;orgt haben, &#x017F;o gewann doch der Bu&#x0364;rger&#x017F;tand dadurch<lb/>
außerordentlich, daß freyer Handel ge&#x017F;tattet, be&#x017F;on-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0182] Roger Bacon von 1216 — 1294. Die in Britannien durch Roͤmerherrſchaft gewirkte Cultur, diejenige, welche fruͤh genug durch das Chriſten- thum daſelbſt eingeleitet worden, verlor ſich nur gar zu bald, vernichtet durch den Zudrang wilder Inſel- Nachbarn und ſeeraͤuberiſcher Schaaren. Bey zuruͤck- kehrender obgleich oft geſtoͤrter Ruhe fand ſich auch die Religion wieder ein und wirkte auf eine vorzuͤgliche Weiſe zum Guten. Treffliche Maͤnner bildeten ſich aus zu Apoſteln ihres eigenen Vaterlandes, ja des Auslan- des. Kloͤſter wurden geſtiftet, Schulen eingerichtet und jede Art beſſerer Bildung ſchien ſich in dieſe abgeſon- derten Laͤnder zu fluͤchten, ſich daſelbſt zu bewahren und zu ſteigern. Roger Bacon war in einer Epoche geboren, wel- che wir die des Werdens, der freyen Ausbildung der Einzelnen neben einander genannt haben, fuͤr einen Geiſt wie der ſeine, in der gluͤcklichſten. Sein eigent- liches Geburtsjahr iſt ungewiß, aber die magna Charta war bereits unterzeichnet (1215), als er zur Welt kam, jener große Freyheitsbrief, der durch die Zuſaͤtze nach- folgender Zeiten das wahre Fundament neuer engliſcher Nationalfreyheit geworden. So ſehr auch der Clerus und die Baronen fuͤr ihren Vortheil dabey mochten ge- ſorgt haben, ſo gewann doch der Buͤrgerſtand dadurch außerordentlich, daß freyer Handel geſtattet, beſon-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/182
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/182>, abgerufen am 22.12.2024.