Leider besteht der ganze Hintergrund der Geschichte der Wissenschaften bis auf den heutigen Tag aus lau- ter solchen beweglichen in einander fließenden und sich doch nicht vereinigenden Gespenstern, die den Blick dergestalt verwirren, daß man die hervortretenden, wahrhaft würdigen Gestalten kaum recht scharf ins Auge fassen kann.
Ueberliefertes.
Nun können wir nicht einen Schritt weiter gehen, ohne jenes Ehrwürdige, wodurch das Entfernte ver- bunden, das Zerrissene ergänzt wird, ich meyne das Ueberlieferte, näher zu bezeichnen.
Weniges gelangt aus der Vorzeit herüber als voll- ständiges Denkmal, vieles in Trümmern; manches als Technik, als praktischer Handgriff; einiges, weil es dem Menschen nahe verwandt ist, wie Mathematik; anderes, weil es immer wieder gefordert und angeregt wird, wie Himmel- und Erd-Kunde; einiges, weil man dessen bedürftig bleibt, wie die Heilkunst; ande- res zuletzt, weil es der Mensch, ohne zu wollen, im- mer wieder selbst hervorbringt, wie Musik und die übrigen Künste.
Doch von alle diesem ist im wissenschaftlichen Fal- le nicht sowohl die Rede als von schriftlicher Ueber-
Leider beſteht der ganze Hintergrund der Geſchichte der Wiſſenſchaften bis auf den heutigen Tag aus lau- ter ſolchen beweglichen in einander fließenden und ſich doch nicht vereinigenden Geſpenſtern, die den Blick dergeſtalt verwirren, daß man die hervortretenden, wahrhaft wuͤrdigen Geſtalten kaum recht ſcharf ins Auge faſſen kann.
Ueberliefertes.
Nun koͤnnen wir nicht einen Schritt weiter gehen, ohne jenes Ehrwuͤrdige, wodurch das Entfernte ver- bunden, das Zerriſſene ergaͤnzt wird, ich meyne das Ueberlieferte, naͤher zu bezeichnen.
Weniges gelangt aus der Vorzeit heruͤber als voll- ſtaͤndiges Denkmal, vieles in Truͤmmern; manches als Technik, als praktiſcher Handgriff; einiges, weil es dem Menſchen nahe verwandt iſt, wie Mathematik; anderes, weil es immer wieder gefordert und angeregt wird, wie Himmel- und Erd-Kunde; einiges, weil man deſſen beduͤrftig bleibt, wie die Heilkunſt; ande- res zuletzt, weil es der Menſch, ohne zu wollen, im- mer wieder ſelbſt hervorbringt, wie Muſik und die uͤbrigen Kuͤnſte.
Doch von alle dieſem iſt im wiſſenſchaftlichen Fal- le nicht ſowohl die Rede als von ſchriftlicher Ueber-
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Leider beſteht der ganze Hintergrund der Geſchichte
der Wiſſenſchaften bis auf den heutigen Tag aus lau-
ter ſolchen beweglichen in einander fließenden und ſich
doch nicht vereinigenden Geſpenſtern, die den Blick
dergeſtalt verwirren, daß man die hervortretenden,
wahrhaft wuͤrdigen Geſtalten kaum recht ſcharf ins
Auge faſſen kann.
Ueberliefertes.
Nun koͤnnen wir nicht einen Schritt weiter gehen,
ohne jenes Ehrwuͤrdige, wodurch das Entfernte ver-
bunden, das Zerriſſene ergaͤnzt wird, ich meyne das
Ueberlieferte, naͤher zu bezeichnen.
Weniges gelangt aus der Vorzeit heruͤber als voll-
ſtaͤndiges Denkmal, vieles in Truͤmmern; manches als
Technik, als praktiſcher Handgriff; einiges, weil es
dem Menſchen nahe verwandt iſt, wie Mathematik;
anderes, weil es immer wieder gefordert und angeregt
wird, wie Himmel- und Erd-Kunde; einiges, weil
man deſſen beduͤrftig bleibt, wie die Heilkunſt; ande-
res zuletzt, weil es der Menſch, ohne zu wollen, im-
mer wieder ſelbſt hervorbringt, wie Muſik und die
uͤbrigen Kuͤnſte.
Doch von alle dieſem iſt im wiſſenſchaftlichen Fal-
le nicht ſowohl die Rede als von ſchriftlicher Ueber-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/171>, abgerufen am 22.11.2024.
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