Betrachtungen über Farbenlehre und Farbenbehandlung der Alten.
Wie irgend Jemand über einen gewissen Fall denke, wird man nur erst recht einsehen, wenn man weiß, wie er überhaupt gesinnt ist. Dieses gilt, wenn wir die Meynungen über wissenschaftliche Gegenstände, es sey nun einzelner Menschen oder ganzer Schulen und Jahr- hunderte, recht eigentlich erkennen wollen. Daher ist die Geschichte der Wissenschaften mit der Geschichte der Philosophie innigst verbunden, aber eben so auch mit der Geschichte des Lebens und des Charakters der In- dividuen, so wie der Völker.
So begreift sich die Geschichte der Farbenlehre auch nur in Gefolg der Geschichte aller Naturwissen- schaften. Denn zur Einsicht in den geringsten Theil ist die Uebersicht des Ganzen nöthig. Auf eine solche Be- handlung können wir freylich nur hindeuten; indessen wenn wir unter unsern Materialien manches mit ein- führen, was nicht unmittelbar zum Zwecke zu gehören scheint; so ist ihm doch eigentlich nur deßwegen der Platz gegönnt, um an allgemeine Bezüge zu erinnern,
Betrachtungen uͤber Farbenlehre und Farbenbehandlung der Alten.
Wie irgend Jemand uͤber einen gewiſſen Fall denke, wird man nur erſt recht einſehen, wenn man weiß, wie er uͤberhaupt geſinnt iſt. Dieſes gilt, wenn wir die Meynungen uͤber wiſſenſchaftliche Gegenſtaͤnde, es ſey nun einzelner Menſchen oder ganzer Schulen und Jahr- hunderte, recht eigentlich erkennen wollen. Daher iſt die Geſchichte der Wiſſenſchaften mit der Geſchichte der Philoſophie innigſt verbunden, aber eben ſo auch mit der Geſchichte des Lebens und des Charakters der In- dividuen, ſo wie der Voͤlker.
So begreift ſich die Geſchichte der Farbenlehre auch nur in Gefolg der Geſchichte aller Naturwiſſen- ſchaften. Denn zur Einſicht in den geringſten Theil iſt die Ueberſicht des Ganzen noͤthig. Auf eine ſolche Be- handlung koͤnnen wir freylich nur hindeuten; indeſſen wenn wir unter unſern Materialien manches mit ein- fuͤhren, was nicht unmittelbar zum Zwecke zu gehoͤren ſcheint; ſo iſt ihm doch eigentlich nur deßwegen der Platz gegoͤnnt, um an allgemeine Bezuͤge zu erinnern,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0141"n="107"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Betrachtungen<lb/>
uͤber</hi><lb/>
Farbenlehre und Farbenbehandlung<lb/><hirendition="#g">der Alten</hi>.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Wie irgend Jemand uͤber einen gewiſſen Fall denke,<lb/>
wird man nur erſt recht einſehen, wenn man weiß, wie<lb/>
er uͤberhaupt geſinnt iſt. Dieſes gilt, wenn wir die<lb/>
Meynungen uͤber wiſſenſchaftliche Gegenſtaͤnde, es ſey<lb/>
nun einzelner Menſchen oder ganzer Schulen und Jahr-<lb/>
hunderte, recht eigentlich erkennen wollen. Daher iſt<lb/>
die Geſchichte der Wiſſenſchaften mit der Geſchichte der<lb/>
Philoſophie innigſt verbunden, aber eben ſo auch mit<lb/>
der Geſchichte des Lebens und des Charakters der In-<lb/>
dividuen, ſo wie der Voͤlker.</p><lb/><p>So begreift ſich die Geſchichte der Farbenlehre<lb/>
auch nur in Gefolg der Geſchichte aller Naturwiſſen-<lb/>ſchaften. Denn zur Einſicht in den geringſten Theil iſt<lb/>
die Ueberſicht des Ganzen noͤthig. Auf eine ſolche Be-<lb/>
handlung koͤnnen wir freylich nur hindeuten; indeſſen<lb/>
wenn wir unter unſern Materialien manches mit ein-<lb/>
fuͤhren, was nicht unmittelbar zum Zwecke zu gehoͤren<lb/>ſcheint; ſo iſt ihm doch eigentlich nur deßwegen der<lb/>
Platz gegoͤnnt, um an allgemeine Bezuͤge zu erinnern,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[107/0141]
Betrachtungen
uͤber
Farbenlehre und Farbenbehandlung
der Alten.
Wie irgend Jemand uͤber einen gewiſſen Fall denke,
wird man nur erſt recht einſehen, wenn man weiß, wie
er uͤberhaupt geſinnt iſt. Dieſes gilt, wenn wir die
Meynungen uͤber wiſſenſchaftliche Gegenſtaͤnde, es ſey
nun einzelner Menſchen oder ganzer Schulen und Jahr-
hunderte, recht eigentlich erkennen wollen. Daher iſt
die Geſchichte der Wiſſenſchaften mit der Geſchichte der
Philoſophie innigſt verbunden, aber eben ſo auch mit
der Geſchichte des Lebens und des Charakters der In-
dividuen, ſo wie der Voͤlker.
So begreift ſich die Geſchichte der Farbenlehre
auch nur in Gefolg der Geſchichte aller Naturwiſſen-
ſchaften. Denn zur Einſicht in den geringſten Theil iſt
die Ueberſicht des Ganzen noͤthig. Auf eine ſolche Be-
handlung koͤnnen wir freylich nur hindeuten; indeſſen
wenn wir unter unſern Materialien manches mit ein-
fuͤhren, was nicht unmittelbar zum Zwecke zu gehoͤren
ſcheint; ſo iſt ihm doch eigentlich nur deßwegen der
Platz gegoͤnnt, um an allgemeine Bezuͤge zu erinnern,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/141>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.