Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

homogenen Strahlen paßt: denn indem er dort die
supponirten Zirkel auseinander zieht, so greifen doch
nur die nächsten Farben in einander; hier aber geht
jede Farbe durchs ganze Bild und man sieht also gar
die Möglichkeit nicht ein, sie auf irgend eine Weise
zu separiren. Es wird künftig zur Sprache kommen,
was noch alles für Unsinn aus dieser Vorstellungsart,
in einem System fünf bis sieben Systeme en echelon
aufmarschiren zu lassen, hervorspringt.

657.

Denn einmal wird das Uebermaß der gelbmachenden, grün-
machenden und blaumachenden Strahlen, das sich in dem auf-
fallenden grünen Lichte befindet, Ursache seyn, daß diese Strah-
len auch in dem zurückgeworfenen Lichte sich so häufig befinden,
daß sie die Farbe vom Rothen gegen ihre Farbe ziehen. Weil
aber die Mennige dagegen die rothmachenden Strahlen häu-
figer in Rücksicht ihrer Anzahl zurückwirft, und zunächst die
orangemachenden und gelbmachenden Strahlen, so werden
diese in dem zurückgeworfenen Licht häufiger seyn, als sie es
in dem einfallenden grünen Licht waren, und werden deswe-
gen das zurückgeworfene Licht vom Grünen gegen ihre Farbe
ziehen; und deswegen wird Mennige weder roth noch grün,
sondern von einer Farbe erscheinen, die zwischen beyden ist.

658.

Da das ganze Verhältniß der Sache oben um-
ständlich dargethan worden, so bleibt uns weiter nichts
übrig, als diesen baaren Unsinn der Nachwelt zum
Musterbilde einer solchen Behandlungsart zu empfehlen.

Er fügt nun noch vier Erfahrungen hinzu, die er

homogenen Strahlen paßt: denn indem er dort die
ſupponirten Zirkel auseinander zieht, ſo greifen doch
nur die naͤchſten Farben in einander; hier aber geht
jede Farbe durchs ganze Bild und man ſieht alſo gar
die Moͤglichkeit nicht ein, ſie auf irgend eine Weiſe
zu ſepariren. Es wird kuͤnftig zur Sprache kommen,
was noch alles fuͤr Unſinn aus dieſer Vorſtellungsart,
in einem Syſtem fuͤnf bis ſieben Syſteme en échelon
aufmarſchiren zu laſſen, hervorſpringt.

657.

Denn einmal wird das Uebermaß der gelbmachenden, gruͤn-
machenden und blaumachenden Strahlen, das ſich in dem auf-
fallenden gruͤnen Lichte befindet, Urſache ſeyn, daß dieſe Strah-
len auch in dem zuruͤckgeworfenen Lichte ſich ſo haͤufig befinden,
daß ſie die Farbe vom Rothen gegen ihre Farbe ziehen. Weil
aber die Mennige dagegen die rothmachenden Strahlen haͤu-
figer in Ruͤckſicht ihrer Anzahl zuruͤckwirft, und zunaͤchſt die
orangemachenden und gelbmachenden Strahlen, ſo werden
dieſe in dem zuruͤckgeworfenen Licht haͤufiger ſeyn, als ſie es
in dem einfallenden gruͤnen Licht waren, und werden deswe-
gen das zuruͤckgeworfene Licht vom Gruͤnen gegen ihre Farbe
ziehen; und deswegen wird Mennige weder roth noch gruͤn,
ſondern von einer Farbe erſcheinen, die zwiſchen beyden iſt.

658.

Da das ganze Verhaͤltniß der Sache oben um-
ſtaͤndlich dargethan worden, ſo bleibt uns weiter nichts
uͤbrig, als dieſen baaren Unſinn der Nachwelt zum
Muſterbilde einer ſolchen Behandlungsart zu empfehlen.

Er fuͤgt nun noch vier Erfahrungen hinzu, die er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0690" n="636"/>
homogenen Strahlen paßt: denn indem er dort die<lb/>
&#x017F;upponirten Zirkel auseinander zieht, &#x017F;o greifen doch<lb/>
nur die na&#x0364;ch&#x017F;ten Farben in einander; hier aber geht<lb/>
jede Farbe durchs ganze Bild und man &#x017F;ieht al&#x017F;o gar<lb/>
die Mo&#x0364;glichkeit nicht ein, &#x017F;ie auf irgend eine Wei&#x017F;e<lb/>
zu &#x017F;epariren. Es wird ku&#x0364;nftig zur Sprache kommen,<lb/>
was noch alles fu&#x0364;r Un&#x017F;inn aus die&#x017F;er Vor&#x017F;tellungsart,<lb/>
in einem Sy&#x017F;tem fu&#x0364;nf bis &#x017F;ieben Sy&#x017F;teme <hi rendition="#aq">en échelon</hi><lb/>
aufmar&#x017F;chiren zu la&#x017F;&#x017F;en, hervor&#x017F;pringt.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>657.</head><lb/>
                <p>Denn einmal wird das Uebermaß der gelbmachenden, gru&#x0364;n-<lb/>
machenden und blaumachenden Strahlen, das &#x017F;ich in dem auf-<lb/>
fallenden gru&#x0364;nen Lichte befindet, Ur&#x017F;ache &#x017F;eyn, daß die&#x017F;e Strah-<lb/>
len auch in dem zuru&#x0364;ckgeworfenen Lichte &#x017F;ich &#x017F;o ha&#x0364;ufig befinden,<lb/>
daß &#x017F;ie die Farbe vom Rothen gegen ihre Farbe ziehen. Weil<lb/>
aber die Mennige dagegen die rothmachenden Strahlen ha&#x0364;u-<lb/>
figer in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht ihrer Anzahl zuru&#x0364;ckwirft, und zuna&#x0364;ch&#x017F;t die<lb/>
orangemachenden und gelbmachenden Strahlen, &#x017F;o werden<lb/>
die&#x017F;e in dem zuru&#x0364;ckgeworfenen Licht ha&#x0364;ufiger &#x017F;eyn, als &#x017F;ie es<lb/>
in dem einfallenden gru&#x0364;nen Licht waren, und werden deswe-<lb/>
gen das zuru&#x0364;ckgeworfene Licht vom Gru&#x0364;nen gegen ihre Farbe<lb/>
ziehen; und deswegen wird Mennige weder roth noch gru&#x0364;n,<lb/>
&#x017F;ondern von einer Farbe er&#x017F;cheinen, die zwi&#x017F;chen beyden i&#x017F;t.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>658.</head><lb/>
                <p>Da das ganze Verha&#x0364;ltniß der Sache oben um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndlich dargethan worden, &#x017F;o bleibt uns weiter nichts<lb/>
u&#x0364;brig, als die&#x017F;en baaren Un&#x017F;inn der Nachwelt zum<lb/>
Mu&#x017F;terbilde einer &#x017F;olchen Behandlungsart zu empfehlen.</p><lb/>
                <p>Er fu&#x0364;gt nun noch vier Erfahrungen hinzu, die er<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[636/0690] homogenen Strahlen paßt: denn indem er dort die ſupponirten Zirkel auseinander zieht, ſo greifen doch nur die naͤchſten Farben in einander; hier aber geht jede Farbe durchs ganze Bild und man ſieht alſo gar die Moͤglichkeit nicht ein, ſie auf irgend eine Weiſe zu ſepariren. Es wird kuͤnftig zur Sprache kommen, was noch alles fuͤr Unſinn aus dieſer Vorſtellungsart, in einem Syſtem fuͤnf bis ſieben Syſteme en échelon aufmarſchiren zu laſſen, hervorſpringt. 657. Denn einmal wird das Uebermaß der gelbmachenden, gruͤn- machenden und blaumachenden Strahlen, das ſich in dem auf- fallenden gruͤnen Lichte befindet, Urſache ſeyn, daß dieſe Strah- len auch in dem zuruͤckgeworfenen Lichte ſich ſo haͤufig befinden, daß ſie die Farbe vom Rothen gegen ihre Farbe ziehen. Weil aber die Mennige dagegen die rothmachenden Strahlen haͤu- figer in Ruͤckſicht ihrer Anzahl zuruͤckwirft, und zunaͤchſt die orangemachenden und gelbmachenden Strahlen, ſo werden dieſe in dem zuruͤckgeworfenen Licht haͤufiger ſeyn, als ſie es in dem einfallenden gruͤnen Licht waren, und werden deswe- gen das zuruͤckgeworfene Licht vom Gruͤnen gegen ihre Farbe ziehen; und deswegen wird Mennige weder roth noch gruͤn, ſondern von einer Farbe erſcheinen, die zwiſchen beyden iſt. 658. Da das ganze Verhaͤltniß der Sache oben um- ſtaͤndlich dargethan worden, ſo bleibt uns weiter nichts uͤbrig, als dieſen baaren Unſinn der Nachwelt zum Muſterbilde einer ſolchen Behandlungsart zu empfehlen. Er fuͤgt nun noch vier Erfahrungen hinzu, die er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/690
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/690>, abgerufen am 22.12.2024.