durchgehet, auf das Papier MN, etwa acht oder zwölf Zoll von dem Prisma, hinfallen: alsdann werden die Farben, welche an den innern Gränzen B und c der beyden Prismen entstehen, an der Stelle PT vermischt und daraus das Weiße zusammengesetzt.
553.
Wir begegnen diesem Paragraphen, welcher man- ches Bedenkliche enthält, indem wir ihn rückwärts analysiren. Newton bekennt hier, auch wieder nach seiner Art, im Vorbeygehen, daß die Farben an den Gränzen entstehen: eine Wahrheit die er so oft und hartnäckig geläugnet hat. Sodann fragen wir billig: warum er denn dießmal so nahe an den Prismen operire? die Tafel nur acht oder zwölf Zoll von den- selben entferne? Die verborgene Ursache ist aber keine andere, als daß er das Weiß, das er erst hervorbrin- gen will, in dieser Entfernung noch ursprünglich hat, indem die Farbensäume an den Rändern noch so schmal sind, daß sie nicht übereinander greifen und kein Grün hervorbringen können. Fälschlich zeichnet also Newton an den Winkeln B und c fünf Linien, als wenn zwey ganze Systeme des Spectrums hervorträten, anstatt daß nur in c der blaue und blaurothe, in B der gelbrothe und gelbe Rand entspringen können. Was aber noch ein Hauptpunct ist, so ließe sich sagen, daß, wenn man das Experiment nicht nach der Newtoni- schen Figur, sondern nach seiner Beschreibung anstellt, so nämlich daß die Winkel B und c sich unmittelbar berühren, und die Seiten CB und cb in Einer Linie
durchgehet, auf das Papier MN, etwa acht oder zwoͤlf Zoll von dem Prisma, hinfallen: alsdann werden die Farben, welche an den innern Graͤnzen B und c der beyden Prismen entſtehen, an der Stelle PT vermiſcht und daraus das Weiße zuſammengeſetzt.
553.
Wir begegnen dieſem Paragraphen, welcher man- ches Bedenkliche enthaͤlt, indem wir ihn ruͤckwaͤrts analyſiren. Newton bekennt hier, auch wieder nach ſeiner Art, im Vorbeygehen, daß die Farben an den Graͤnzen entſtehen: eine Wahrheit die er ſo oft und hartnaͤckig gelaͤugnet hat. Sodann fragen wir billig: warum er denn dießmal ſo nahe an den Prismen operire? die Tafel nur acht oder zwoͤlf Zoll von den- ſelben entferne? Die verborgene Urſache iſt aber keine andere, als daß er das Weiß, das er erſt hervorbrin- gen will, in dieſer Entfernung noch urſpruͤnglich hat, indem die Farbenſaͤume an den Raͤndern noch ſo ſchmal ſind, daß ſie nicht uͤbereinander greifen und kein Gruͤn hervorbringen koͤnnen. Faͤlſchlich zeichnet alſo Newton an den Winkeln B und c fuͤnf Linien, als wenn zwey ganze Syſteme des Spectrums hervortraͤten, anſtatt daß nur in c der blaue und blaurothe, in B der gelbrothe und gelbe Rand entſpringen koͤnnen. Was aber noch ein Hauptpunct iſt, ſo ließe ſich ſagen, daß, wenn man das Experiment nicht nach der Newtoni- ſchen Figur, ſondern nach ſeiner Beſchreibung anſtellt, ſo naͤmlich daß die Winkel B und c ſich unmittelbar beruͤhren, und die Seiten CB und cb in Einer Linie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0652"n="598"/>
durchgehet, auf das Papier <hirendition="#aq">MN,</hi> etwa acht oder zwoͤlf Zoll<lb/>
von dem Prisma, hinfallen: alsdann werden die Farben,<lb/>
welche an den innern Graͤnzen <hirendition="#aq">B</hi> und <hirendition="#aq">c</hi> der beyden Prismen<lb/>
entſtehen, an der Stelle <hirendition="#aq">PT</hi> vermiſcht und daraus das Weiße<lb/>
zuſammengeſetzt.</p></div><lb/><divn="5"><head>553.</head><lb/><p>Wir begegnen dieſem Paragraphen, welcher man-<lb/>
ches Bedenkliche enthaͤlt, indem wir ihn ruͤckwaͤrts<lb/>
analyſiren. Newton bekennt hier, auch wieder nach<lb/>ſeiner Art, im Vorbeygehen, daß die Farben an den<lb/>
Graͤnzen entſtehen: eine Wahrheit die er ſo oft und<lb/>
hartnaͤckig gelaͤugnet hat. Sodann fragen wir billig:<lb/>
warum er denn dießmal ſo nahe an den Prismen<lb/>
operire? die Tafel nur acht oder zwoͤlf Zoll von den-<lb/>ſelben entferne? Die verborgene Urſache iſt aber keine<lb/>
andere, als daß er das Weiß, das er erſt hervorbrin-<lb/>
gen will, in dieſer Entfernung noch urſpruͤnglich hat,<lb/>
indem die Farbenſaͤume an den Raͤndern noch ſo<lb/>ſchmal ſind, daß ſie nicht uͤbereinander greifen und<lb/>
kein Gruͤn hervorbringen koͤnnen. Faͤlſchlich zeichnet alſo<lb/>
Newton an den Winkeln <hirendition="#aq">B</hi> und <hirendition="#aq">c</hi> fuͤnf Linien, als<lb/>
wenn zwey ganze Syſteme des Spectrums hervortraͤten,<lb/>
anſtatt daß nur in <hirendition="#aq">c</hi> der blaue und blaurothe, in <hirendition="#aq">B</hi><lb/>
der gelbrothe und gelbe Rand entſpringen koͤnnen. Was<lb/>
aber noch ein Hauptpunct iſt, ſo ließe ſich ſagen, daß,<lb/>
wenn man das Experiment nicht nach der Newtoni-<lb/>ſchen Figur, ſondern nach ſeiner Beſchreibung anſtellt,<lb/>ſo naͤmlich daß die Winkel <hirendition="#aq">B</hi> und <hirendition="#aq">c</hi>ſich unmittelbar<lb/>
beruͤhren, und die Seiten <hirendition="#aq">CB</hi> und <hirendition="#aq">cb</hi> in Einer Linie<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[598/0652]
durchgehet, auf das Papier MN, etwa acht oder zwoͤlf Zoll
von dem Prisma, hinfallen: alsdann werden die Farben,
welche an den innern Graͤnzen B und c der beyden Prismen
entſtehen, an der Stelle PT vermiſcht und daraus das Weiße
zuſammengeſetzt.
553.
Wir begegnen dieſem Paragraphen, welcher man-
ches Bedenkliche enthaͤlt, indem wir ihn ruͤckwaͤrts
analyſiren. Newton bekennt hier, auch wieder nach
ſeiner Art, im Vorbeygehen, daß die Farben an den
Graͤnzen entſtehen: eine Wahrheit die er ſo oft und
hartnaͤckig gelaͤugnet hat. Sodann fragen wir billig:
warum er denn dießmal ſo nahe an den Prismen
operire? die Tafel nur acht oder zwoͤlf Zoll von den-
ſelben entferne? Die verborgene Urſache iſt aber keine
andere, als daß er das Weiß, das er erſt hervorbrin-
gen will, in dieſer Entfernung noch urſpruͤnglich hat,
indem die Farbenſaͤume an den Raͤndern noch ſo
ſchmal ſind, daß ſie nicht uͤbereinander greifen und
kein Gruͤn hervorbringen koͤnnen. Faͤlſchlich zeichnet alſo
Newton an den Winkeln B und c fuͤnf Linien, als
wenn zwey ganze Syſteme des Spectrums hervortraͤten,
anſtatt daß nur in c der blaue und blaurothe, in B
der gelbrothe und gelbe Rand entſpringen koͤnnen. Was
aber noch ein Hauptpunct iſt, ſo ließe ſich ſagen, daß,
wenn man das Experiment nicht nach der Newtoni-
ſchen Figur, ſondern nach ſeiner Beſchreibung anſtellt,
ſo naͤmlich daß die Winkel B und c ſich unmittelbar
beruͤhren, und die Seiten CB und cb in Einer Linie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/652>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.