Man lasse das Spectrum auf eine weiße Tafel fallen, die im Sonnenlicht steht, und es wird bleich aus- sehen, wie ein anderer Schatten auch, auf welchen das Sonnenlicht wirkt ohne ihn ganz aufzuheben.
505.
Zuletzt wenn man Roth und Violett mischt, so werden nach verschiedenen Proportionen verschiedene Purpurfarben zum Vorschein kommen, und zwar solche, die keiner Farbe irgend eines homogenen Lichtes gleichen.
506.
Hier tritt denn endlich der Purpur hervor, das eigentliche wahre reine Roth, das sich weder zum Gelben noch zum Blauen hinneigt. Diese vornehmste Farbe, deren Entstehung wir im Entwurf, in physio- logischen, physischen und chemischen Fällen, hinreichend nachgewiesen haben, fehlt dem Newton, wie er selbst gesteht, in seinem Spectrum ganz, und das bloß des- wegen, weil er nur das Spectrum eines verrückten hellen Bildes zum Grunde seiner Betrachtung legt, und das Spectrum eines verrückten dunklen Bildes nicht zugleich aufführt, nicht mit dem ersten paralle- lisirt. Denn wie bey Verrückung des hellen Bildes endlich in der Mitte Gelb und Blau zusammenkommen und Grün bilden, so kommen bey Verrückung des dunklen Bildes endlich Gelbroth und Blauroth zusam- men. Denn das was Newton am einen Ende seiner
504.
Man laſſe das Spectrum auf eine weiße Tafel fallen, die im Sonnenlicht ſteht, und es wird bleich aus- ſehen, wie ein anderer Schatten auch, auf welchen das Sonnenlicht wirkt ohne ihn ganz aufzuheben.
505.
Zuletzt wenn man Roth und Violett miſcht, ſo werden nach verſchiedenen Proportionen verſchiedene Purpurfarben zum Vorſchein kommen, und zwar ſolche, die keiner Farbe irgend eines homogenen Lichtes gleichen.
506.
Hier tritt denn endlich der Purpur hervor, das eigentliche wahre reine Roth, das ſich weder zum Gelben noch zum Blauen hinneigt. Dieſe vornehmſte Farbe, deren Entſtehung wir im Entwurf, in phyſio- logiſchen, phyſiſchen und chemiſchen Faͤllen, hinreichend nachgewieſen haben, fehlt dem Newton, wie er ſelbſt geſteht, in ſeinem Spectrum ganz, und das bloß des- wegen, weil er nur das Spectrum eines verruͤckten hellen Bildes zum Grunde ſeiner Betrachtung legt, und das Spectrum eines verruͤckten dunklen Bildes nicht zugleich auffuͤhrt, nicht mit dem erſten paralle- liſirt. Denn wie bey Verruͤckung des hellen Bildes endlich in der Mitte Gelb und Blau zuſammenkommen und Gruͤn bilden, ſo kommen bey Verruͤckung des dunklen Bildes endlich Gelbroth und Blauroth zuſam- men. Denn das was Newton am einen Ende ſeiner
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0632"n="578"/><divn="4"><head>504.</head><lb/><p>Man laſſe das Spectrum auf eine weiße Tafel<lb/>
fallen, die im Sonnenlicht ſteht, und es wird bleich aus-<lb/>ſehen, wie ein anderer Schatten auch, auf welchen<lb/>
das Sonnenlicht wirkt ohne ihn ganz aufzuheben.</p></div><lb/><divn="4"><head>505.</head><lb/><p>Zuletzt wenn man Roth und Violett miſcht, ſo werden<lb/>
nach verſchiedenen Proportionen verſchiedene Purpurfarben<lb/>
zum Vorſchein kommen, und zwar ſolche, die keiner Farbe<lb/>
irgend eines homogenen Lichtes gleichen.</p></div><lb/><divn="4"><head>506.</head><lb/><p>Hier tritt denn endlich der Purpur hervor, das<lb/>
eigentliche wahre reine Roth, das ſich weder zum<lb/>
Gelben noch zum Blauen hinneigt. Dieſe vornehmſte<lb/>
Farbe, deren Entſtehung wir im Entwurf, in phyſio-<lb/>
logiſchen, phyſiſchen und chemiſchen Faͤllen, hinreichend<lb/>
nachgewieſen haben, fehlt dem Newton, wie er ſelbſt<lb/>
geſteht, in ſeinem Spectrum ganz, und das bloß des-<lb/>
wegen, weil er nur das Spectrum eines verruͤckten<lb/>
hellen Bildes zum Grunde ſeiner Betrachtung legt,<lb/>
und das Spectrum eines verruͤckten dunklen Bildes<lb/>
nicht zugleich auffuͤhrt, nicht mit dem erſten paralle-<lb/>
liſirt. Denn wie bey Verruͤckung des hellen Bildes<lb/>
endlich in der Mitte Gelb und Blau zuſammenkommen<lb/>
und Gruͤn bilden, ſo kommen bey Verruͤckung des<lb/>
dunklen Bildes endlich Gelbroth und Blauroth zuſam-<lb/>
men. Denn das was Newton am einen Ende ſeiner<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[578/0632]
504.
Man laſſe das Spectrum auf eine weiße Tafel
fallen, die im Sonnenlicht ſteht, und es wird bleich aus-
ſehen, wie ein anderer Schatten auch, auf welchen
das Sonnenlicht wirkt ohne ihn ganz aufzuheben.
505.
Zuletzt wenn man Roth und Violett miſcht, ſo werden
nach verſchiedenen Proportionen verſchiedene Purpurfarben
zum Vorſchein kommen, und zwar ſolche, die keiner Farbe
irgend eines homogenen Lichtes gleichen.
506.
Hier tritt denn endlich der Purpur hervor, das
eigentliche wahre reine Roth, das ſich weder zum
Gelben noch zum Blauen hinneigt. Dieſe vornehmſte
Farbe, deren Entſtehung wir im Entwurf, in phyſio-
logiſchen, phyſiſchen und chemiſchen Faͤllen, hinreichend
nachgewieſen haben, fehlt dem Newton, wie er ſelbſt
geſteht, in ſeinem Spectrum ganz, und das bloß des-
wegen, weil er nur das Spectrum eines verruͤckten
hellen Bildes zum Grunde ſeiner Betrachtung legt,
und das Spectrum eines verruͤckten dunklen Bildes
nicht zugleich auffuͤhrt, nicht mit dem erſten paralle-
liſirt. Denn wie bey Verruͤckung des hellen Bildes
endlich in der Mitte Gelb und Blau zuſammenkommen
und Gruͤn bilden, ſo kommen bey Verruͤckung des
dunklen Bildes endlich Gelbroth und Blauroth zuſam-
men. Denn das was Newton am einen Ende ſeiner
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/632>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.