wäre die Lehre von der diversen Refrangibilität unbe- dingt wahr; so müßte unsre Erde, bey Tag und bey Nacht, mit der wunderlichsten bunten Beleuchtung überschimmert werden.
310.
Newton fühlt diese Folgerung wohl: denn da er in Gefolg obiger Proposition eine ganze Weile ge- messen und gerechnet hat, so bricht er sehr naiv in die bedeutenden Worte aus: "Wobey man sich denn ver- wundern muß, daß Fernröhre die Gegenstände noch so deutlich zeigen, wie sie es thun." Er rechnet wie- der fort und zeigt, daß die Aberration die aus der Form des Glases herkommt, beynahe sechstehalbtau- sendmal geringer sey als die welche sich von der Farbe herschreibt, und kann daher die Frage nicht unterlassen: "Wenn aber die Abweichungen die aus der verschiede- nen Refrangibilität der Strahlen entspringen, so un- geheuer sind, wie sehen wir durch Fernröhre die Gegen- stände nur noch so deutlich wie es geschieht?" Die Art wie er diese Frage beantwortet, wird der nunmehr unterrichtete Leser mit ziemlicher Bequemlichkeit im Ori- ginal wahrnehmen können. Es ist auch hier höchst merkwürdig, wie er sich herumdrückt und wie seltsam er sich gebärdet.
311.
Wäre er aber auch auf dem rechten Wege gewesen und hätte er, wie Descartes vor ihm, eingesehn, daß
waͤre die Lehre von der diverſen Refrangibilitaͤt unbe- dingt wahr; ſo muͤßte unſre Erde, bey Tag und bey Nacht, mit der wunderlichſten bunten Beleuchtung uͤberſchimmert werden.
310.
Newton fuͤhlt dieſe Folgerung wohl: denn da er in Gefolg obiger Propoſition eine ganze Weile ge- meſſen und gerechnet hat, ſo bricht er ſehr naiv in die bedeutenden Worte aus: „Wobey man ſich denn ver- wundern muß, daß Fernroͤhre die Gegenſtaͤnde noch ſo deutlich zeigen, wie ſie es thun.“ Er rechnet wie- der fort und zeigt, daß die Aberration die aus der Form des Glaſes herkommt, beynahe ſechſtehalbtau- ſendmal geringer ſey als die welche ſich von der Farbe herſchreibt, und kann daher die Frage nicht unterlaſſen: „Wenn aber die Abweichungen die aus der verſchiede- nen Refrangibilitaͤt der Strahlen entſpringen, ſo un- geheuer ſind, wie ſehen wir durch Fernroͤhre die Gegen- ſtaͤnde nur noch ſo deutlich wie es geſchieht?“ Die Art wie er dieſe Frage beantwortet, wird der nunmehr unterrichtete Leſer mit ziemlicher Bequemlichkeit im Ori- ginal wahrnehmen koͤnnen. Es iſt auch hier hoͤchſt merkwuͤrdig, wie er ſich herumdruͤckt und wie ſeltſam er ſich gebaͤrdet.
311.
Waͤre er aber auch auf dem rechten Wege geweſen und haͤtte er, wie Descartes vor ihm, eingeſehn, daß
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waͤre die Lehre von der diverſen Refrangibilitaͤt unbe-
dingt wahr; ſo muͤßte unſre Erde, bey Tag und bey
Nacht, mit der wunderlichſten bunten Beleuchtung
uͤberſchimmert werden.
310.
Newton fuͤhlt dieſe Folgerung wohl: denn da er
in Gefolg obiger Propoſition eine ganze Weile ge-
meſſen und gerechnet hat, ſo bricht er ſehr naiv in die
bedeutenden Worte aus: „Wobey man ſich denn ver-
wundern muß, daß Fernroͤhre die Gegenſtaͤnde noch
ſo deutlich zeigen, wie ſie es thun.“ Er rechnet wie-
der fort und zeigt, daß die Aberration die aus der
Form des Glaſes herkommt, beynahe ſechſtehalbtau-
ſendmal geringer ſey als die welche ſich von der Farbe
herſchreibt, und kann daher die Frage nicht unterlaſſen:
„Wenn aber die Abweichungen die aus der verſchiede-
nen Refrangibilitaͤt der Strahlen entſpringen, ſo un-
geheuer ſind, wie ſehen wir durch Fernroͤhre die Gegen-
ſtaͤnde nur noch ſo deutlich wie es geſchieht?“ Die Art
wie er dieſe Frage beantwortet, wird der nunmehr
unterrichtete Leſer mit ziemlicher Bequemlichkeit im Ori-
ginal wahrnehmen koͤnnen. Es iſt auch hier hoͤchſt
merkwuͤrdig, wie er ſich herumdruͤckt und wie ſeltſam
er ſich gebaͤrdet.
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Waͤre er aber auch auf dem rechten Wege geweſen
und haͤtte er, wie Descartes vor ihm, eingeſehn, daß
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/570>, abgerufen am 22.12.2024.
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