rückung des Bildes diese Ränder und Säume dergestalt, daß Gelb und Blau einander ergreifen; so mischt sich das Grün, und die auf eine solche Weise nunmehr entstandene Reihe von Farben kann durch abermalige Verlängerung des Bildes so wenig aus einander geschie- den werden, daß vielmehr die innern Farben, Gelb und Blau, sich immer mehr über einander schieben und sich zuletzt im Grünen völlig verlieren, da denn statt sieben oder fünf Farben nur drey übrig bleiben.
243.
Wer diese von uns wiederholt vorgetragene Er- scheinung recht gefaßt hat, der wird das Newtonische Benehmen ohne Weiteres beurtheilen können. Newton bereitet sich ein sehr kleines leuchtendes Bild und ver- rückt es durch eine wunderliche Vorrichtung dergestalt, daß er es fünfundsiebzigmal länger als breit will ge- funden haben. Wir gestehen die Möglichkeit djeser Er- scheinung zu; allein was ist dadurch gewonnen?
244.
Die eigentliche Verlängerung eines hellen großen oder kleinen Bildes bewirkt nur der äußere violette Saum; der innre gelbe verbindet sich mit dem blauen Rande und geht aus dem Bilde nicht heraus. Daher folgt, daß bey gleicher Verrückung ein kleines Bild ein ander Verhältniß seiner Breite zur Länge habe, als ein großes; welches Newton gern läugnen möchte,
ruͤckung des Bildes dieſe Raͤnder und Saͤume dergeſtalt, daß Gelb und Blau einander ergreifen; ſo miſcht ſich das Gruͤn, und die auf eine ſolche Weiſe nunmehr entſtandene Reihe von Farben kann durch abermalige Verlaͤngerung des Bildes ſo wenig aus einander geſchie- den werden, daß vielmehr die innern Farben, Gelb und Blau, ſich immer mehr uͤber einander ſchieben und ſich zuletzt im Gruͤnen voͤllig verlieren, da denn ſtatt ſieben oder fuͤnf Farben nur drey uͤbrig bleiben.
243.
Wer dieſe von uns wiederholt vorgetragene Er- ſcheinung recht gefaßt hat, der wird das Newtoniſche Benehmen ohne Weiteres beurtheilen koͤnnen. Newton bereitet ſich ein ſehr kleines leuchtendes Bild und ver- ruͤckt es durch eine wunderliche Vorrichtung dergeſtalt, daß er es fuͤnfundſiebzigmal laͤnger als breit will ge- funden haben. Wir geſtehen die Moͤglichkeit djeſer Er- ſcheinung zu; allein was iſt dadurch gewonnen?
244.
Die eigentliche Verlaͤngerung eines hellen großen oder kleinen Bildes bewirkt nur der aͤußere violette Saum; der innre gelbe verbindet ſich mit dem blauen Rande und geht aus dem Bilde nicht heraus. Daher folgt, daß bey gleicher Verruͤckung ein kleines Bild ein ander Verhaͤltniß ſeiner Breite zur Laͤnge habe, als ein großes; welches Newton gern laͤugnen moͤchte,
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ruͤckung des Bildes dieſe Raͤnder und Saͤume dergeſtalt,
daß Gelb und Blau einander ergreifen; ſo miſcht ſich
das Gruͤn, und die auf eine ſolche Weiſe nunmehr
entſtandene Reihe von Farben kann durch abermalige
Verlaͤngerung des Bildes ſo wenig aus einander geſchie-
den werden, daß vielmehr die innern Farben, Gelb
und Blau, ſich immer mehr uͤber einander ſchieben und
ſich zuletzt im Gruͤnen voͤllig verlieren, da denn ſtatt
ſieben oder fuͤnf Farben nur drey uͤbrig bleiben.
243.
Wer dieſe von uns wiederholt vorgetragene Er-
ſcheinung recht gefaßt hat, der wird das Newtoniſche
Benehmen ohne Weiteres beurtheilen koͤnnen. Newton
bereitet ſich ein ſehr kleines leuchtendes Bild und ver-
ruͤckt es durch eine wunderliche Vorrichtung dergeſtalt,
daß er es fuͤnfundſiebzigmal laͤnger als breit will ge-
funden haben. Wir geſtehen die Moͤglichkeit djeſer Er-
ſcheinung zu; allein was iſt dadurch gewonnen?
244.
Die eigentliche Verlaͤngerung eines hellen großen
oder kleinen Bildes bewirkt nur der aͤußere violette
Saum; der innre gelbe verbindet ſich mit dem blauen
Rande und geht aus dem Bilde nicht heraus. Daher
folgt, daß bey gleicher Verruͤckung ein kleines Bild
ein ander Verhaͤltniß ſeiner Breite zur Laͤnge habe,
als ein großes; welches Newton gern laͤugnen moͤchte,
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/544>, abgerufen am 22.12.2024.
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