nung durch ein gedoppeltes Prisma hervorgebracht wäre. Da nun eine der vorzüglichsten Bedingungen der zu verbreiternden Farbenerscheinung das verstärkte Maß des Mittels ist (E. 210.), so muß also auch dieses Bild, nach dem Verhältniß der Stärke der angewende- ten Prismen, mehr in die Länge gedehnt erscheinen. Man habe diese Ableitung beständig im Auge, indem wir deutlich zu machen suchen, wie künstlich Newton es anlegt, um zu seinem Zwecke zu gelangen.
Unsern Lesern ist bekannt, wie man das bey der Refraction entstehende farbige Bild immer mehr verlän- gern könne, da wir die verschiedenen Bedingungen hier- zu umständlich ausgeführt. Nicht weniger sind sie über- zeugt, daß, weil bey der Verlängerung des Bildes die farbigen Ränder und Säume immer breiter werden und die gegen einander gestellten sich immer inniger zusam- mendrängen, daß durch eine Verlängerung des Bildes zugleich eine größere Vereinigung seiner entgegengesetzten Elemente vorgehe. Dieses erzählen und behaupten wir gerne, ganz einfach, wie es der Natur gemäß ist.
Newton hingegen muß sich mit seiner ersonnenen Unnatur viel zu schaffen machen, Versuche über Versu- che, Fictionen über Fictionen häufen, um zu blenden, wo er nicht überzeugen kann.
Seine zweyte Proposition, mit deren Beweis er sich gegenwärtig beschäftigt, lautet doch, das Son- nenlicht bestehe aus verschiedenrefrangiblen Strahlen. Da diese verschiedenen Lichtstrahlen und Lichter integri- rende Theile des Sonnenlichtes seyn sollen, so begreift
nung durch ein gedoppeltes Prisma hervorgebracht waͤre. Da nun eine der vorzuͤglichſten Bedingungen der zu verbreiternden Farbenerſcheinung das verſtaͤrkte Maß des Mittels iſt (E. 210.), ſo muß alſo auch dieſes Bild, nach dem Verhaͤltniß der Staͤrke der angewende- ten Prismen, mehr in die Laͤnge gedehnt erſcheinen. Man habe dieſe Ableitung beſtaͤndig im Auge, indem wir deutlich zu machen ſuchen, wie kuͤnſtlich Newton es anlegt, um zu ſeinem Zwecke zu gelangen.
Unſern Leſern iſt bekannt, wie man das bey der Refraction entſtehende farbige Bild immer mehr verlaͤn- gern koͤnne, da wir die verſchiedenen Bedingungen hier- zu umſtaͤndlich ausgefuͤhrt. Nicht weniger ſind ſie uͤber- zeugt, daß, weil bey der Verlaͤngerung des Bildes die farbigen Raͤnder und Saͤume immer breiter werden und die gegen einander geſtellten ſich immer inniger zuſam- mendraͤngen, daß durch eine Verlaͤngerung des Bildes zugleich eine groͤßere Vereinigung ſeiner entgegengeſetzten Elemente vorgehe. Dieſes erzaͤhlen und behaupten wir gerne, ganz einfach, wie es der Natur gemaͤß iſt.
Newton hingegen muß ſich mit ſeiner erſonnenen Unnatur viel zu ſchaffen machen, Verſuche uͤber Verſu- che, Fictionen uͤber Fictionen haͤufen, um zu blenden, wo er nicht uͤberzeugen kann.
Seine zweyte Propoſition, mit deren Beweis er ſich gegenwaͤrtig beſchaͤftigt, lautet doch, das Son- nenlicht beſtehe aus verſchiedenrefrangiblen Strahlen. Da dieſe verſchiedenen Lichtſtrahlen und Lichter integri- rende Theile des Sonnenlichtes ſeyn ſollen, ſo begreift
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nung durch ein gedoppeltes Prisma hervorgebracht waͤre.
Da nun eine der vorzuͤglichſten Bedingungen der zu
verbreiternden Farbenerſcheinung das verſtaͤrkte Maß
des Mittels iſt (E. 210.), ſo muß alſo auch dieſes
Bild, nach dem Verhaͤltniß der Staͤrke der angewende-
ten Prismen, mehr in die Laͤnge gedehnt erſcheinen.
Man habe dieſe Ableitung beſtaͤndig im Auge, indem
wir deutlich zu machen ſuchen, wie kuͤnſtlich Newton
es anlegt, um zu ſeinem Zwecke zu gelangen.
Unſern Leſern iſt bekannt, wie man das bey der
Refraction entſtehende farbige Bild immer mehr verlaͤn-
gern koͤnne, da wir die verſchiedenen Bedingungen hier-
zu umſtaͤndlich ausgefuͤhrt. Nicht weniger ſind ſie uͤber-
zeugt, daß, weil bey der Verlaͤngerung des Bildes die
farbigen Raͤnder und Saͤume immer breiter werden und
die gegen einander geſtellten ſich immer inniger zuſam-
mendraͤngen, daß durch eine Verlaͤngerung des Bildes
zugleich eine groͤßere Vereinigung ſeiner entgegengeſetzten
Elemente vorgehe. Dieſes erzaͤhlen und behaupten wir
gerne, ganz einfach, wie es der Natur gemaͤß iſt.
Newton hingegen muß ſich mit ſeiner erſonnenen
Unnatur viel zu ſchaffen machen, Verſuche uͤber Verſu-
che, Fictionen uͤber Fictionen haͤufen, um zu blenden,
wo er nicht uͤberzeugen kann.
Seine zweyte Propoſition, mit deren Beweis er
ſich gegenwaͤrtig beſchaͤftigt, lautet doch, das Son-
nenlicht beſtehe aus verſchiedenrefrangiblen Strahlen.
Da dieſe verſchiedenen Lichtſtrahlen und Lichter integri-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/469>, abgerufen am 23.11.2024.
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