Wand in die Höhe gebrochen nicht mehr farblos und rund, sondern länglich und farbig erscheint.
87.
Wie es eigentlich mit diesem Phänomen beschaffen sey, wissen alle Theilnehmende nunmehr genau, welche dasjenige wohl inne haben, was von uns über die dioptrischen Farben der zweyten Classe überhaupt, vor- züglich aber über die objectiven vom 20 bis 24 Capitel umständlich vorgetragen worden; so wie wir uns deßhalb noch besonders auf unsre zweyte, fünfte und sechste Ta- fel berufen. Es ist daraus klar, daß die Erscheinung, wie sie aus dem Prisma tritt, keinesweges eine fertige sey, sondern daß sie, je näher und je weiter man die Tafel hält, worauf sie sich abbilden soll, immer neue Verhältnisse zeigt. Sobald man dieses eingesehen hat, so bedarf es gegen dieses dritte Experiment, ja gegen die ganze Newtonische Lehre, keines Streites mehr: denn der Meister sowohl als die Schüler stellen den Versuch, auf den sie ihr größtes Gewicht legen, völ- lig falsch vor, wie wir solches auf unserer Tafel, welche mit VI. a. bezeichnet ist, vor die Angen bringen.
88.
Sie geben nehmlich, der Wahrheit ganz zuwider, vor, das Phänomen sey, wie es aus dem Prisma her- auskomme, fertig, man sehe die Farben in dem verlän- gerten Bilde gleich in derselben Ordnung und Propor-
Wand in die Hoͤhe gebrochen nicht mehr farblos und rund, ſondern laͤnglich und farbig erſcheint.
87.
Wie es eigentlich mit dieſem Phaͤnomen beſchaffen ſey, wiſſen alle Theilnehmende nunmehr genau, welche dasjenige wohl inne haben, was von uns uͤber die dioptriſchen Farben der zweyten Claſſe uͤberhaupt, vor- zuͤglich aber uͤber die objectiven vom 20 bis 24 Capitel umſtaͤndlich vorgetragen worden; ſo wie wir uns deßhalb noch beſonders auf unſre zweyte, fuͤnfte und ſechſte Ta- fel berufen. Es iſt daraus klar, daß die Erſcheinung, wie ſie aus dem Prisma tritt, keinesweges eine fertige ſey, ſondern daß ſie, je naͤher und je weiter man die Tafel haͤlt, worauf ſie ſich abbilden ſoll, immer neue Verhaͤltniſſe zeigt. Sobald man dieſes eingeſehen hat, ſo bedarf es gegen dieſes dritte Experiment, ja gegen die ganze Newtoniſche Lehre, keines Streites mehr: denn der Meiſter ſowohl als die Schuͤler ſtellen den Verſuch, auf den ſie ihr groͤßtes Gewicht legen, voͤl- lig falſch vor, wie wir ſolches auf unſerer Tafel, welche mit VI. a. bezeichnet iſt, vor die Angen bringen.
88.
Sie geben nehmlich, der Wahrheit ganz zuwider, vor, das Phaͤnomen ſey, wie es aus dem Prisma her- auskomme, fertig, man ſehe die Farben in dem verlaͤn- gerten Bilde gleich in derſelben Ordnung und Propor-
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Wand in die Hoͤhe gebrochen nicht mehr farblos und
rund, ſondern laͤnglich und farbig erſcheint.
87.
Wie es eigentlich mit dieſem Phaͤnomen beſchaffen
ſey, wiſſen alle Theilnehmende nunmehr genau, welche
dasjenige wohl inne haben, was von uns uͤber die
dioptriſchen Farben der zweyten Claſſe uͤberhaupt, vor-
zuͤglich aber uͤber die objectiven vom 20 bis 24 Capitel
umſtaͤndlich vorgetragen worden; ſo wie wir uns deßhalb
noch beſonders auf unſre zweyte, fuͤnfte und ſechſte Ta-
fel berufen. Es iſt daraus klar, daß die Erſcheinung,
wie ſie aus dem Prisma tritt, keinesweges eine fertige
ſey, ſondern daß ſie, je naͤher und je weiter man die
Tafel haͤlt, worauf ſie ſich abbilden ſoll, immer neue
Verhaͤltniſſe zeigt. Sobald man dieſes eingeſehen hat,
ſo bedarf es gegen dieſes dritte Experiment, ja gegen
die ganze Newtoniſche Lehre, keines Streites mehr:
denn der Meiſter ſowohl als die Schuͤler ſtellen den
Verſuch, auf den ſie ihr groͤßtes Gewicht legen, voͤl-
lig falſch vor, wie wir ſolches auf unſerer Tafel,
welche mit VI. a. bezeichnet iſt, vor die Angen
bringen.
88.
Sie geben nehmlich, der Wahrheit ganz zuwider,
vor, das Phaͤnomen ſey, wie es aus dem Prisma her-
auskomme, fertig, man ſehe die Farben in dem verlaͤn-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/458>, abgerufen am 23.11.2024.
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