aber die Steigerung ins Rothe genugsam betrach- tet haben, wodurch das Entgegengesetzte sich ge- gen einander neigt, und sich in einem Dritten verei- nigt; dann wird gewiß eine besondere geheimnißvolle Anschauung eintreten, daß man diesen beyden getrenn- ten, einander entgegengesetzten Wesen eine geistige Bedeutung unterlegen könne, und man wird sich kaum enthalten, wenn man sie unterwärts das Grün, und oberwärts das Roth hervorbringen sieht, dort an die irdischen, hier an die himmlischen Ausgeburten der Elohim zu gedenken.
920.
Doch wir thun besser, uns nicht noch zum Schlusse dem Verdacht der Schwärmerey auszusetzen, um so mehr als es, wenn unsre Farbenlehre Gunst gewinnt, an allegorischen symbolischen und mystischen Anwen- dungen und Deutungen, dem Geiste der Zeit gemäß, gewiß nicht fehlen wird.
aber die Steigerung ins Rothe genugſam betrach- tet haben, wodurch das Entgegengeſetzte ſich ge- gen einander neigt, und ſich in einem Dritten verei- nigt; dann wird gewiß eine beſondere geheimnißvolle Anſchauung eintreten, daß man dieſen beyden getrenn- ten, einander entgegengeſetzten Weſen eine geiſtige Bedeutung unterlegen koͤnne, und man wird ſich kaum enthalten, wenn man ſie unterwaͤrts das Gruͤn, und oberwaͤrts das Roth hervorbringen ſieht, dort an die irdiſchen, hier an die himmliſchen Ausgeburten der Elohim zu gedenken.
920.
Doch wir thun beſſer, uns nicht noch zum Schluſſe dem Verdacht der Schwaͤrmerey auszuſetzen, um ſo mehr als es, wenn unſre Farbenlehre Gunſt gewinnt, an allegoriſchen ſymboliſchen und myſtiſchen Anwen- dungen und Deutungen, dem Geiſte der Zeit gemaͤß, gewiß nicht fehlen wird.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0392"n="338"/>
aber die Steigerung ins Rothe genugſam betrach-<lb/>
tet haben, wodurch das Entgegengeſetzte ſich ge-<lb/>
gen einander neigt, und ſich in einem Dritten verei-<lb/>
nigt; dann wird gewiß eine beſondere geheimnißvolle<lb/>
Anſchauung eintreten, daß man dieſen beyden getrenn-<lb/>
ten, einander entgegengeſetzten Weſen eine geiſtige<lb/>
Bedeutung unterlegen koͤnne, und man wird ſich<lb/>
kaum enthalten, wenn man ſie unterwaͤrts das Gruͤn,<lb/>
und oberwaͤrts das Roth hervorbringen ſieht, dort an<lb/>
die irdiſchen, hier an die himmliſchen Ausgeburten<lb/>
der Elohim zu gedenken.</p></div><lb/><divn="4"><head>920.</head><lb/><p>Doch wir thun beſſer, uns nicht noch zum Schluſſe<lb/>
dem Verdacht der Schwaͤrmerey auszuſetzen, um ſo<lb/>
mehr als es, wenn unſre Farbenlehre Gunſt gewinnt,<lb/>
an allegoriſchen ſymboliſchen und myſtiſchen Anwen-<lb/>
dungen und Deutungen, dem Geiſte der Zeit gemaͤß,<lb/>
gewiß nicht fehlen wird.</p></div></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[338/0392]
aber die Steigerung ins Rothe genugſam betrach-
tet haben, wodurch das Entgegengeſetzte ſich ge-
gen einander neigt, und ſich in einem Dritten verei-
nigt; dann wird gewiß eine beſondere geheimnißvolle
Anſchauung eintreten, daß man dieſen beyden getrenn-
ten, einander entgegengeſetzten Weſen eine geiſtige
Bedeutung unterlegen koͤnne, und man wird ſich
kaum enthalten, wenn man ſie unterwaͤrts das Gruͤn,
und oberwaͤrts das Roth hervorbringen ſieht, dort an
die irdiſchen, hier an die himmliſchen Ausgeburten
der Elohim zu gedenken.
920.
Doch wir thun beſſer, uns nicht noch zum Schluſſe
dem Verdacht der Schwaͤrmerey auszuſetzen, um ſo
mehr als es, wenn unſre Farbenlehre Gunſt gewinnt,
an allegoriſchen ſymboliſchen und myſtiſchen Anwen-
dungen und Deutungen, dem Geiſte der Zeit gemaͤß,
gewiß nicht fehlen wird.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/392>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.