Diese vier Zusammenstellungen haben also das Ge- meinsame, daß sie, vermischt, die Zwischenfarben un- seres Farbenkreises hervorbringen würden; wie sie auch schon thun, wenn die Zusammenstellung aus kleinen Theilen besteht und aus der Ferne betrachtet wird. Eine Fläche mit schmalen blau und gelben Streifen erscheint in einiger Entfernung grün.
824.
Wenn nun aber das Auge Blau und Gelb neben einander sieht, so befindet es sich in der sonderbaren Bemühung, immer Grün hervorbringen zu wollen, ohne damit zu Stande zu kommen, und ohne also im Einzelnen Ruhe, oder im Ganzen Gefühl der Totalität bewirken zu können.
825.
Man sieht also, daß wir nicht mit Unrecht diese Zusammenstellungen charakteristisch genannt haben, so wie denn auch der Charakter einer jeden sich auf den Charakter der einzelnen Farben, woraus sie zusammen- gestellt ist, beziehen muß.
823.
Dieſe vier Zuſammenſtellungen haben alſo das Ge- meinſame, daß ſie, vermiſcht, die Zwiſchenfarben un- ſeres Farbenkreiſes hervorbringen wuͤrden; wie ſie auch ſchon thun, wenn die Zuſammenſtellung aus kleinen Theilen beſteht und aus der Ferne betrachtet wird. Eine Flaͤche mit ſchmalen blau und gelben Streifen erſcheint in einiger Entfernung gruͤn.
824.
Wenn nun aber das Auge Blau und Gelb neben einander ſieht, ſo befindet es ſich in der ſonderbaren Bemuͤhung, immer Gruͤn hervorbringen zu wollen, ohne damit zu Stande zu kommen, und ohne alſo im Einzelnen Ruhe, oder im Ganzen Gefuͤhl der Totalitaͤt bewirken zu koͤnnen.
825.
Man ſieht alſo, daß wir nicht mit Unrecht dieſe Zuſammenſtellungen charakteriſtiſch genannt haben, ſo wie denn auch der Charakter einer jeden ſich auf den Charakter der einzelnen Farben, woraus ſie zuſammen- geſtellt iſt, beziehen muß.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0362"n="308"/><divn="4"><head>823.</head><lb/><p>Dieſe vier Zuſammenſtellungen haben alſo das Ge-<lb/>
meinſame, daß ſie, vermiſcht, die Zwiſchenfarben un-<lb/>ſeres Farbenkreiſes hervorbringen wuͤrden; wie ſie auch<lb/>ſchon thun, wenn die Zuſammenſtellung aus kleinen<lb/>
Theilen beſteht und aus der Ferne betrachtet wird.<lb/>
Eine Flaͤche mit ſchmalen blau und gelben Streifen<lb/>
erſcheint in einiger Entfernung gruͤn.</p></div><lb/><divn="4"><head>824.</head><lb/><p>Wenn nun aber das Auge Blau und Gelb neben<lb/>
einander ſieht, ſo befindet es ſich in der ſonderbaren<lb/>
Bemuͤhung, immer Gruͤn hervorbringen zu wollen,<lb/>
ohne damit zu Stande zu kommen, und ohne alſo im<lb/>
Einzelnen Ruhe, oder im Ganzen Gefuͤhl der Totalitaͤt<lb/>
bewirken zu koͤnnen.</p></div><lb/><divn="4"><head>825.</head><lb/><p>Man ſieht alſo, daß wir nicht mit Unrecht dieſe<lb/>
Zuſammenſtellungen charakteriſtiſch genannt haben, ſo<lb/>
wie denn auch der Charakter einer jeden ſich auf den<lb/>
Charakter der einzelnen Farben, woraus ſie zuſammen-<lb/>
geſtellt iſt, beziehen muß.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[308/0362]
823.
Dieſe vier Zuſammenſtellungen haben alſo das Ge-
meinſame, daß ſie, vermiſcht, die Zwiſchenfarben un-
ſeres Farbenkreiſes hervorbringen wuͤrden; wie ſie auch
ſchon thun, wenn die Zuſammenſtellung aus kleinen
Theilen beſteht und aus der Ferne betrachtet wird.
Eine Flaͤche mit ſchmalen blau und gelben Streifen
erſcheint in einiger Entfernung gruͤn.
824.
Wenn nun aber das Auge Blau und Gelb neben
einander ſieht, ſo befindet es ſich in der ſonderbaren
Bemuͤhung, immer Gruͤn hervorbringen zu wollen,
ohne damit zu Stande zu kommen, und ohne alſo im
Einzelnen Ruhe, oder im Ganzen Gefuͤhl der Totalitaͤt
bewirken zu koͤnnen.
825.
Man ſieht alſo, daß wir nicht mit Unrecht dieſe
Zuſammenſtellungen charakteriſtiſch genannt haben, ſo
wie denn auch der Charakter einer jeden ſich auf den
Charakter der einzelnen Farben, woraus ſie zuſammen-
geſtellt iſt, beziehen muß.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/362>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.