Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

eine Energie; allein sie steht auf der negativen Seit-
und ist in ihrer höchsten Reinheit gleichsam ein reizen-
des Nichts. Es ist etwas Widersprechendes von Reiz
und Ruhe im Anblick.

780.

Wie wir den hohen Himmel, die fernen Berge
blau sehen, so scheint eine blaue Fläche auch vor uns
zurückzuweichen.

781.

Wie wir einen angenehmen Gegenstand, der vor
uns flieht, gern verfolgen, so sehen wir das Blaue
gern an, nicht weil es auf uns dringt, sondern weil
es uns nach sich zieht.

782.

Das Blaue gibt uns ein Gefühl von Kälte, so
wie es uns auch an Schatten erinnert. Wie es vom
Schwarzen abgeleitet sey, ist uns bekannt.

783.

Zimmer, die rein blau austapezirt sind, erscheinen
gewissermaßen weit, aber eigentlich leer und kalt.

784.

Blaues Glas zeigt die Gegenstände im traurigen
Licht.

785.

Es ist nicht unangenehm, wenn das Blau einiger-
maßen vom Plus participirt. Das Meergrün ist viel-
mehr eine liebliche Farbe.


eine Energie; allein ſie ſteht auf der negativen Seit-
und iſt in ihrer hoͤchſten Reinheit gleichſam ein reizen-
des Nichts. Es iſt etwas Widerſprechendes von Reiz
und Ruhe im Anblick.

780.

Wie wir den hohen Himmel, die fernen Berge
blau ſehen, ſo ſcheint eine blaue Flaͤche auch vor uns
zuruͤckzuweichen.

781.

Wie wir einen angenehmen Gegenſtand, der vor
uns flieht, gern verfolgen, ſo ſehen wir das Blaue
gern an, nicht weil es auf uns dringt, ſondern weil
es uns nach ſich zieht.

782.

Das Blaue gibt uns ein Gefuͤhl von Kaͤlte, ſo
wie es uns auch an Schatten erinnert. Wie es vom
Schwarzen abgeleitet ſey, iſt uns bekannt.

783.

Zimmer, die rein blau austapezirt ſind, erſcheinen
gewiſſermaßen weit, aber eigentlich leer und kalt.

784.

Blaues Glas zeigt die Gegenſtaͤnde im traurigen
Licht.

785.

Es iſt nicht unangenehm, wenn das Blau einiger-
maßen vom Plus participirt. Das Meergruͤn iſt viel-
mehr eine liebliche Farbe.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0349" n="295"/>
eine Energie; allein &#x017F;ie &#x017F;teht auf der negativen Seit-<lb/>
und i&#x017F;t in ihrer ho&#x0364;ch&#x017F;ten Reinheit gleich&#x017F;am ein reizen-<lb/>
des Nichts. Es i&#x017F;t etwas Wider&#x017F;prechendes von Reiz<lb/>
und Ruhe im Anblick.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>780.</head><lb/>
              <p>Wie wir den hohen Himmel, die fernen Berge<lb/>
blau &#x017F;ehen, &#x017F;o &#x017F;cheint eine blaue Fla&#x0364;che auch vor uns<lb/>
zuru&#x0364;ckzuweichen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>781.</head><lb/>
              <p>Wie wir einen angenehmen Gegen&#x017F;tand, der vor<lb/>
uns flieht, gern verfolgen, &#x017F;o &#x017F;ehen wir das Blaue<lb/>
gern an, nicht weil es auf uns dringt, &#x017F;ondern weil<lb/>
es uns nach &#x017F;ich zieht.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>782.</head><lb/>
              <p>Das Blaue gibt uns ein Gefu&#x0364;hl von Ka&#x0364;lte, &#x017F;o<lb/>
wie es uns auch an Schatten erinnert. Wie es vom<lb/>
Schwarzen abgeleitet &#x017F;ey, i&#x017F;t uns bekannt.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>783.</head><lb/>
              <p>Zimmer, die rein blau austapezirt &#x017F;ind, er&#x017F;cheinen<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen weit, aber eigentlich leer und kalt.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>784.</head><lb/>
              <p>Blaues Glas zeigt die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde im traurigen<lb/>
Licht.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>785.</head><lb/>
              <p>Es i&#x017F;t nicht unangenehm, wenn das Blau einiger-<lb/>
maßen vom Plus participirt. Das Meergru&#x0364;n i&#x017F;t viel-<lb/>
mehr eine liebliche Farbe.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0349] eine Energie; allein ſie ſteht auf der negativen Seit- und iſt in ihrer hoͤchſten Reinheit gleichſam ein reizen- des Nichts. Es iſt etwas Widerſprechendes von Reiz und Ruhe im Anblick. 780. Wie wir den hohen Himmel, die fernen Berge blau ſehen, ſo ſcheint eine blaue Flaͤche auch vor uns zuruͤckzuweichen. 781. Wie wir einen angenehmen Gegenſtand, der vor uns flieht, gern verfolgen, ſo ſehen wir das Blaue gern an, nicht weil es auf uns dringt, ſondern weil es uns nach ſich zieht. 782. Das Blaue gibt uns ein Gefuͤhl von Kaͤlte, ſo wie es uns auch an Schatten erinnert. Wie es vom Schwarzen abgeleitet ſey, iſt uns bekannt. 783. Zimmer, die rein blau austapezirt ſind, erſcheinen gewiſſermaßen weit, aber eigentlich leer und kalt. 784. Blaues Glas zeigt die Gegenſtaͤnde im traurigen Licht. 785. Es iſt nicht unangenehm, wenn das Blau einiger- maßen vom Plus participirt. Das Meergruͤn iſt viel- mehr eine liebliche Farbe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/349
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/349>, abgerufen am 22.12.2024.