es nicht gelang, von seinen Ueberzeugungen seine Zeit- genossen zu durchdringen.
Verhältniß zur Tonlehre.
747.
Ehe wir nunmehr zu den sinnlich-sittlichen und daraus entspringenden ästhetischen Wirkungen der Farbe übergehen, ist es der Ort, auch von ihrem Verhält- nisse zu dem Ton einiges zu sagen.
Daß ein gewisses Verhältniß der Farbe zum Ton statt finde, hat man von jeher gefühlt, wie die öftern Vergleichungen, welche theils vorübergehend, theils umständlich genug angestellt worden, beweisen. Der Fehler, den man hiebey begangen, beruhet nur auf folgendem.
748.
Vergleichen lassen sich Farbe und Ton unter einan- der auf keine Weise; aber beyde lassen sich auf eine höhere Formel beziehen, aus einer höhern Formel beyde, jedoch jedes für sich, ableiten. Wie zwey Flüsse, die auf einem Berge entspringen, aber unter ganz verschiedenen Bedingungen in zwey ganz entge- gengesetzte Weltgegenden laufen, so daß auf dem bey- derseitigen ganzen Wege keine einzelne Stelle der an- dern verglichen werden kann; so sind auch Farbe und
es nicht gelang, von ſeinen Ueberzeugungen ſeine Zeit- genoſſen zu durchdringen.
Verhaͤltniß zur Tonlehre.
747.
Ehe wir nunmehr zu den ſinnlich-ſittlichen und daraus entſpringenden aͤſthetiſchen Wirkungen der Farbe uͤbergehen, iſt es der Ort, auch von ihrem Verhaͤlt- niſſe zu dem Ton einiges zu ſagen.
Daß ein gewiſſes Verhaͤltniß der Farbe zum Ton ſtatt finde, hat man von jeher gefuͤhlt, wie die oͤftern Vergleichungen, welche theils voruͤbergehend, theils umſtaͤndlich genug angeſtellt worden, beweiſen. Der Fehler, den man hiebey begangen, beruhet nur auf folgendem.
748.
Vergleichen laſſen ſich Farbe und Ton unter einan- der auf keine Weiſe; aber beyde laſſen ſich auf eine hoͤhere Formel beziehen, aus einer hoͤhern Formel beyde, jedoch jedes fuͤr ſich, ableiten. Wie zwey Fluͤſſe, die auf einem Berge entſpringen, aber unter ganz verſchiedenen Bedingungen in zwey ganz entge- gengeſetzte Weltgegenden laufen, ſo daß auf dem bey- derſeitigen ganzen Wege keine einzelne Stelle der an- dern verglichen werden kann; ſo ſind auch Farbe und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0335"n="281"/>
es nicht gelang, von ſeinen Ueberzeugungen ſeine Zeit-<lb/>
genoſſen zu durchdringen.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Verhaͤltniß zur Tonlehre</hi>.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="4"><head>747.</head><lb/><p>Ehe wir nunmehr zu den ſinnlich-ſittlichen und<lb/>
daraus entſpringenden aͤſthetiſchen Wirkungen der Farbe<lb/>
uͤbergehen, iſt es der Ort, auch von ihrem Verhaͤlt-<lb/>
niſſe zu dem Ton einiges zu ſagen.</p><lb/><p>Daß ein gewiſſes Verhaͤltniß der Farbe zum Ton<lb/>ſtatt finde, hat man von jeher gefuͤhlt, wie die oͤftern<lb/>
Vergleichungen, welche theils voruͤbergehend, theils<lb/>
umſtaͤndlich genug angeſtellt worden, beweiſen. Der<lb/>
Fehler, den man hiebey begangen, beruhet nur auf<lb/>
folgendem.</p></div><lb/><divn="4"><head>748.</head><lb/><p>Vergleichen laſſen ſich Farbe und Ton unter einan-<lb/>
der auf keine Weiſe; aber beyde laſſen ſich auf eine<lb/>
hoͤhere Formel beziehen, aus einer hoͤhern Formel<lb/>
beyde, jedoch jedes fuͤr ſich, ableiten. Wie zwey<lb/>
Fluͤſſe, die auf einem Berge entſpringen, aber unter<lb/>
ganz verſchiedenen Bedingungen in zwey ganz entge-<lb/>
gengeſetzte Weltgegenden laufen, ſo daß auf dem bey-<lb/>
derſeitigen ganzen Wege keine einzelne Stelle der an-<lb/>
dern verglichen werden kann; ſo ſind auch Farbe und<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[281/0335]
es nicht gelang, von ſeinen Ueberzeugungen ſeine Zeit-
genoſſen zu durchdringen.
Verhaͤltniß zur Tonlehre.
747.
Ehe wir nunmehr zu den ſinnlich-ſittlichen und
daraus entſpringenden aͤſthetiſchen Wirkungen der Farbe
uͤbergehen, iſt es der Ort, auch von ihrem Verhaͤlt-
niſſe zu dem Ton einiges zu ſagen.
Daß ein gewiſſes Verhaͤltniß der Farbe zum Ton
ſtatt finde, hat man von jeher gefuͤhlt, wie die oͤftern
Vergleichungen, welche theils voruͤbergehend, theils
umſtaͤndlich genug angeſtellt worden, beweiſen. Der
Fehler, den man hiebey begangen, beruhet nur auf
folgendem.
748.
Vergleichen laſſen ſich Farbe und Ton unter einan-
der auf keine Weiſe; aber beyde laſſen ſich auf eine
hoͤhere Formel beziehen, aus einer hoͤhern Formel
beyde, jedoch jedes fuͤr ſich, ableiten. Wie zwey
Fluͤſſe, die auf einem Berge entſpringen, aber unter
ganz verſchiedenen Bedingungen in zwey ganz entge-
gengeſetzte Weltgegenden laufen, ſo daß auf dem bey-
derſeitigen ganzen Wege keine einzelne Stelle der an-
dern verglichen werden kann; ſo ſind auch Farbe und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/335>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.