Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

und schließt sich an die große Doppelerscheinung, welche
sich in der Chemie so herrschend zeigt, an Oxydation
und Desoxydation unmittelbar wirkend an.

744.

In diese Reihe, in diesen Kreis, in diesen Kranz
von Phänomenen auch die Erscheinungen der Farbe
heranzubringen und einzuschließen, war das Ziel unseres
Bestrebens. Was uns nicht gelungen ist, werden an-
dre leisten. Wir fanden einen uranfänglichen unge-
heuren Gegensatz von Licht und Finsterniß, den man
allgemeiner durch Licht und Nichtlicht ausdrücken kann;
wir suchten denselben zu vermitteln und dadurch die
sichtbare Welt aus Licht, Schatten und Farbe herauszu-
bilden, wobey wir uns zu Entwickelung der Phäno-
mene verschiedener Formeln bedienten, wie sie uns in
der Lehre des Magnetismus, der Electricität, des
Chemismus überliefert werden. Wir mußten aber wei-
ter gehen, weil wir uns in einer höhern Region be-
fanden und mannigfaltigere Verhältnisse auszudrücken
hatten.

745.

Wenn sich Electricität und Galvanität in ihrer All-
gemeinheit von dem Besondern der magnetischen Erschei-
nungen abtrennt und erhebt; so kann man sagen, daß
die Farbe, obgleich unter eben den Gesetzen stehend,
sich doch viel höher erhebe und, indem sie für den
edlen Sinn des Auges wirksam ist, auch ihre Natur
zu ihrem Vortheile darthue. Man vergleiche das Man-
nigfaltige, das aus einer Steigerung des Gelben und

und ſchließt ſich an die große Doppelerſcheinung, welche
ſich in der Chemie ſo herrſchend zeigt, an Oxydation
und Desoxydation unmittelbar wirkend an.

744.

In dieſe Reihe, in dieſen Kreis, in dieſen Kranz
von Phaͤnomenen auch die Erſcheinungen der Farbe
heranzubringen und einzuſchließen, war das Ziel unſeres
Beſtrebens. Was uns nicht gelungen iſt, werden an-
dre leiſten. Wir fanden einen uranfaͤnglichen unge-
heuren Gegenſatz von Licht und Finſterniß, den man
allgemeiner durch Licht und Nichtlicht ausdruͤcken kann;
wir ſuchten denſelben zu vermitteln und dadurch die
ſichtbare Welt aus Licht, Schatten und Farbe herauszu-
bilden, wobey wir uns zu Entwickelung der Phaͤno-
mene verſchiedener Formeln bedienten, wie ſie uns in
der Lehre des Magnetismus, der Electricitaͤt, des
Chemismus uͤberliefert werden. Wir mußten aber wei-
ter gehen, weil wir uns in einer hoͤhern Region be-
fanden und mannigfaltigere Verhaͤltniſſe auszudruͤcken
hatten.

745.

Wenn ſich Electricitaͤt und Galvanitaͤt in ihrer All-
gemeinheit von dem Beſondern der magnetiſchen Erſchei-
nungen abtrennt und erhebt; ſo kann man ſagen, daß
die Farbe, obgleich unter eben den Geſetzen ſtehend,
ſich doch viel hoͤher erhebe und, indem ſie fuͤr den
edlen Sinn des Auges wirkſam iſt, auch ihre Natur
zu ihrem Vortheile darthue. Man vergleiche das Man-
nigfaltige, das aus einer Steigerung des Gelben und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0333" n="279"/>
und &#x017F;chließt &#x017F;ich an die große Doppeler&#x017F;cheinung, welche<lb/>
&#x017F;ich in der Chemie &#x017F;o herr&#x017F;chend zeigt, an Oxydation<lb/>
und Desoxydation unmittelbar wirkend an.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>744.</head><lb/>
              <p>In die&#x017F;e Reihe, in die&#x017F;en Kreis, in die&#x017F;en Kranz<lb/>
von Pha&#x0364;nomenen auch die Er&#x017F;cheinungen der Farbe<lb/>
heranzubringen und einzu&#x017F;chließen, war das Ziel un&#x017F;eres<lb/>
Be&#x017F;trebens. Was uns nicht gelungen i&#x017F;t, werden an-<lb/>
dre lei&#x017F;ten. Wir fanden einen uranfa&#x0364;nglichen unge-<lb/>
heuren Gegen&#x017F;atz von Licht und Fin&#x017F;terniß, den man<lb/>
allgemeiner durch Licht und Nichtlicht ausdru&#x0364;cken kann;<lb/>
wir &#x017F;uchten den&#x017F;elben zu vermitteln und dadurch die<lb/>
&#x017F;ichtbare Welt aus Licht, Schatten und Farbe herauszu-<lb/>
bilden, wobey wir uns zu Entwickelung der Pha&#x0364;no-<lb/>
mene ver&#x017F;chiedener Formeln bedienten, wie &#x017F;ie uns in<lb/>
der Lehre des Magnetismus, der Electricita&#x0364;t, des<lb/>
Chemismus u&#x0364;berliefert werden. Wir mußten aber wei-<lb/>
ter gehen, weil wir uns in einer ho&#x0364;hern Region be-<lb/>
fanden und mannigfaltigere Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e auszudru&#x0364;cken<lb/>
hatten.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>745.</head><lb/>
              <p>Wenn &#x017F;ich Electricita&#x0364;t und Galvanita&#x0364;t in ihrer All-<lb/>
gemeinheit von dem Be&#x017F;ondern der magneti&#x017F;chen Er&#x017F;chei-<lb/>
nungen abtrennt und erhebt; &#x017F;o kann man &#x017F;agen, daß<lb/>
die Farbe, obgleich unter eben den Ge&#x017F;etzen &#x017F;tehend,<lb/>
&#x017F;ich doch viel ho&#x0364;her erhebe und, indem &#x017F;ie fu&#x0364;r den<lb/>
edlen Sinn des Auges wirk&#x017F;am i&#x017F;t, auch ihre Natur<lb/>
zu ihrem Vortheile darthue. Man vergleiche das Man-<lb/>
nigfaltige, das aus einer Steigerung des Gelben und<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0333] und ſchließt ſich an die große Doppelerſcheinung, welche ſich in der Chemie ſo herrſchend zeigt, an Oxydation und Desoxydation unmittelbar wirkend an. 744. In dieſe Reihe, in dieſen Kreis, in dieſen Kranz von Phaͤnomenen auch die Erſcheinungen der Farbe heranzubringen und einzuſchließen, war das Ziel unſeres Beſtrebens. Was uns nicht gelungen iſt, werden an- dre leiſten. Wir fanden einen uranfaͤnglichen unge- heuren Gegenſatz von Licht und Finſterniß, den man allgemeiner durch Licht und Nichtlicht ausdruͤcken kann; wir ſuchten denſelben zu vermitteln und dadurch die ſichtbare Welt aus Licht, Schatten und Farbe herauszu- bilden, wobey wir uns zu Entwickelung der Phaͤno- mene verſchiedener Formeln bedienten, wie ſie uns in der Lehre des Magnetismus, der Electricitaͤt, des Chemismus uͤberliefert werden. Wir mußten aber wei- ter gehen, weil wir uns in einer hoͤhern Region be- fanden und mannigfaltigere Verhaͤltniſſe auszudruͤcken hatten. 745. Wenn ſich Electricitaͤt und Galvanitaͤt in ihrer All- gemeinheit von dem Beſondern der magnetiſchen Erſchei- nungen abtrennt und erhebt; ſo kann man ſagen, daß die Farbe, obgleich unter eben den Geſetzen ſtehend, ſich doch viel hoͤher erhebe und, indem ſie fuͤr den edlen Sinn des Auges wirkſam iſt, auch ihre Natur zu ihrem Vortheile darthue. Man vergleiche das Man- nigfaltige, das aus einer Steigerung des Gelben und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/333
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/333>, abgerufen am 03.12.2024.