Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

mit der Unterlage zu vereinigen, daß ihre Dauer da-
durch noch mehr gesichert werde; wie uns hiervon
die Technik der Malerschulen genugsam unterrichten
kann.

604.

Auch ist hier der Platz, einer Halbkunst zu ge-
denken, welcher wir in Absicht auf Färberey sehr vie-
les schuldig sind, ich meyne die Tapetenwirkerey. In-
dem man nehmlich in den Fall kam, die zartesten
Schattirungen der Gemälde nachzuahmen, und daher
die verschiedenst gefärbten Stoffe oft neben einander
zu bringen; so bemerkte man bald, daß die Farben
nicht alle gleich dauerhaft waren, sondern die eine
eher als die andre dem gewobenen Bilde entzogen
wurde. Es entsprang daher das eifrigste Bestreben,
den sämmtlichen Farben und Schattirungen eine gleiche
Dauer zu versichern, welches besonders in Frankreich
unter Colbert geschah, dessen Verfügungen über diesen
Punct in der Geschichte der Färbekunst Epoche machen.
Die sogenannte Schönfärberey, welche sich nur zu ei-
ner vergänglichen Anmuth verpflichtete, ward eine
besondre Gilde; mit desto größerm Ernst hingegen
suchte man diejenige Technik, welche für die Dauer
stehn sollte, zu begründen.

So wären wir, bey Betrachtung des Entziehens,
der Flüchtigkeit und Vergänglichkeit glänzender Farben-
erscheinungen, wieder auf die Forderung der Dauer
zurückgekehrt, und hätten auch in diesem Sinne un-
sern Kreis abermals abgeschlossen.


mit der Unterlage zu vereinigen, daß ihre Dauer da-
durch noch mehr geſichert werde; wie uns hiervon
die Technik der Malerſchulen genugſam unterrichten
kann.

604.

Auch iſt hier der Platz, einer Halbkunſt zu ge-
denken, welcher wir in Abſicht auf Faͤrberey ſehr vie-
les ſchuldig ſind, ich meyne die Tapetenwirkerey. In-
dem man nehmlich in den Fall kam, die zarteſten
Schattirungen der Gemaͤlde nachzuahmen, und daher
die verſchiedenſt gefaͤrbten Stoffe oft neben einander
zu bringen; ſo bemerkte man bald, daß die Farben
nicht alle gleich dauerhaft waren, ſondern die eine
eher als die andre dem gewobenen Bilde entzogen
wurde. Es entſprang daher das eifrigſte Beſtreben,
den ſaͤmmtlichen Farben und Schattirungen eine gleiche
Dauer zu verſichern, welches beſonders in Frankreich
unter Colbert geſchah, deſſen Verfuͤgungen uͤber dieſen
Punct in der Geſchichte der Faͤrbekunſt Epoche machen.
Die ſogenannte Schoͤnfaͤrberey, welche ſich nur zu ei-
ner vergaͤnglichen Anmuth verpflichtete, ward eine
beſondre Gilde; mit deſto groͤßerm Ernſt hingegen
ſuchte man diejenige Technik, welche fuͤr die Dauer
ſtehn ſollte, zu begruͤnden.

So waͤren wir, bey Betrachtung des Entziehens,
der Fluͤchtigkeit und Vergaͤnglichkeit glaͤnzender Farben-
erſcheinungen, wieder auf die Forderung der Dauer
zuruͤckgekehrt, und haͤtten auch in dieſem Sinne un-
ſern Kreis abermals abgeſchloſſen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0278" n="224"/>
mit der Unterlage zu vereinigen, daß ihre Dauer da-<lb/>
durch noch mehr ge&#x017F;ichert werde; wie uns hiervon<lb/>
die Technik der Maler&#x017F;chulen genug&#x017F;am unterrichten<lb/>
kann.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>604.</head><lb/>
              <p>Auch i&#x017F;t hier der Platz, einer Halbkun&#x017F;t zu ge-<lb/>
denken, welcher wir in Ab&#x017F;icht auf Fa&#x0364;rberey &#x017F;ehr vie-<lb/>
les &#x017F;chuldig &#x017F;ind, ich meyne die Tapetenwirkerey. In-<lb/>
dem man nehmlich in den Fall kam, die zarte&#x017F;ten<lb/>
Schattirungen der Gema&#x0364;lde nachzuahmen, und daher<lb/>
die ver&#x017F;chieden&#x017F;t gefa&#x0364;rbten Stoffe oft neben einander<lb/>
zu bringen; &#x017F;o bemerkte man bald, daß die Farben<lb/>
nicht alle gleich dauerhaft waren, &#x017F;ondern die eine<lb/>
eher als die andre dem gewobenen Bilde entzogen<lb/>
wurde. Es ent&#x017F;prang daher das eifrig&#x017F;te Be&#x017F;treben,<lb/>
den &#x017F;a&#x0364;mmtlichen Farben und Schattirungen eine gleiche<lb/>
Dauer zu ver&#x017F;ichern, welches be&#x017F;onders in Frankreich<lb/>
unter Colbert ge&#x017F;chah, de&#x017F;&#x017F;en Verfu&#x0364;gungen u&#x0364;ber die&#x017F;en<lb/>
Punct in der Ge&#x017F;chichte der Fa&#x0364;rbekun&#x017F;t Epoche machen.<lb/>
Die &#x017F;ogenannte Scho&#x0364;nfa&#x0364;rberey, welche &#x017F;ich nur zu ei-<lb/>
ner verga&#x0364;nglichen Anmuth verpflichtete, ward eine<lb/>
be&#x017F;ondre Gilde; mit de&#x017F;to gro&#x0364;ßerm Ern&#x017F;t hingegen<lb/>
&#x017F;uchte man diejenige Technik, welche fu&#x0364;r die Dauer<lb/>
&#x017F;tehn &#x017F;ollte, zu begru&#x0364;nden.</p><lb/>
              <p>So wa&#x0364;ren wir, bey Betrachtung des Entziehens,<lb/>
der Flu&#x0364;chtigkeit und Verga&#x0364;nglichkeit gla&#x0364;nzender Farben-<lb/>
er&#x017F;cheinungen, wieder auf die Forderung der Dauer<lb/>
zuru&#x0364;ckgekehrt, und ha&#x0364;tten auch in die&#x017F;em Sinne un-<lb/>
&#x017F;ern Kreis abermals abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0278] mit der Unterlage zu vereinigen, daß ihre Dauer da- durch noch mehr geſichert werde; wie uns hiervon die Technik der Malerſchulen genugſam unterrichten kann. 604. Auch iſt hier der Platz, einer Halbkunſt zu ge- denken, welcher wir in Abſicht auf Faͤrberey ſehr vie- les ſchuldig ſind, ich meyne die Tapetenwirkerey. In- dem man nehmlich in den Fall kam, die zarteſten Schattirungen der Gemaͤlde nachzuahmen, und daher die verſchiedenſt gefaͤrbten Stoffe oft neben einander zu bringen; ſo bemerkte man bald, daß die Farben nicht alle gleich dauerhaft waren, ſondern die eine eher als die andre dem gewobenen Bilde entzogen wurde. Es entſprang daher das eifrigſte Beſtreben, den ſaͤmmtlichen Farben und Schattirungen eine gleiche Dauer zu verſichern, welches beſonders in Frankreich unter Colbert geſchah, deſſen Verfuͤgungen uͤber dieſen Punct in der Geſchichte der Faͤrbekunſt Epoche machen. Die ſogenannte Schoͤnfaͤrberey, welche ſich nur zu ei- ner vergaͤnglichen Anmuth verpflichtete, ward eine beſondre Gilde; mit deſto groͤßerm Ernſt hingegen ſuchte man diejenige Technik, welche fuͤr die Dauer ſtehn ſollte, zu begruͤnden. So waͤren wir, bey Betrachtung des Entziehens, der Fluͤchtigkeit und Vergaͤnglichkeit glaͤnzender Farben- erſcheinungen, wieder auf die Forderung der Dauer zuruͤckgekehrt, und haͤtten auch in dieſem Sinne un- ſern Kreis abermals abgeſchloſſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/278
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/278>, abgerufen am 22.12.2024.