Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

ner Ränder und Säume völlig beraubt und in eine
farblose Kreisgestalt zurückgebracht.

353.

Bedient man sich zu diesem Versuche zweyer völlig
gleichen Prismen; so kann man sie erst neben einan-
der stellen, durch das eine das Sonnenbild durchfallen
lassen, durch das andre aber hindurchsehen.

354.

Geht der Beschauer mit dem zweyten Prisma nun-
mehr weiter vorwärts; so zieht sich das Bild wieder
hinauf und wird stufenweise nach dem Gesetz des ersten
Prismas gefärbt. Tritt der Beschauer nun wieder zu-
rück, bis er das Bild wieder auf den Nullpunkt ge-
bracht hat und geht sodann immer weiter von dem
Bilde weg; so bewegt sich das für ihn rund und farb-
los gewordene Bild immer weiter herab und färbt sich
im entgegengesetzten Sinne, so daß wir dasselbe Bild,
wenn wir zugleich durch das Prisma hindurch und
daran hersehen, nach objectiven und subjectiven Gesetzen
gefärbt erblicken.

355.

Wie dieser Versuch zu vermannigfaltigen sey, er-
giebt sich von selbst. Ist der brechende Winkel des
Prismas, wodurch das Sonnenbild objectiv in die Höhe
gehoben wird, größer als der des Prismas, wodurch
der Beobachter blickt; so muß der Beobachter viel wei-
ter zurücktreten, um das farbige Bild an der Wand
so weit herunterzuführen, daß es farblos werde, und
umgekehrt.

ner Raͤnder und Saͤume voͤllig beraubt und in eine
farbloſe Kreisgeſtalt zuruͤckgebracht.

353.

Bedient man ſich zu dieſem Verſuche zweyer voͤllig
gleichen Prismen; ſo kann man ſie erſt neben einan-
der ſtellen, durch das eine das Sonnenbild durchfallen
laſſen, durch das andre aber hindurchſehen.

354.

Geht der Beſchauer mit dem zweyten Prisma nun-
mehr weiter vorwaͤrts; ſo zieht ſich das Bild wieder
hinauf und wird ſtufenweiſe nach dem Geſetz des erſten
Prismas gefaͤrbt. Tritt der Beſchauer nun wieder zu-
ruͤck, bis er das Bild wieder auf den Nullpunkt ge-
bracht hat und geht ſodann immer weiter von dem
Bilde weg; ſo bewegt ſich das fuͤr ihn rund und farb-
los gewordene Bild immer weiter herab und faͤrbt ſich
im entgegengeſetzten Sinne, ſo daß wir daſſelbe Bild,
wenn wir zugleich durch das Prisma hindurch und
daran herſehen, nach objectiven und ſubjectiven Geſetzen
gefaͤrbt erblicken.

355.

Wie dieſer Verſuch zu vermannigfaltigen ſey, er-
giebt ſich von ſelbſt. Iſt der brechende Winkel des
Prismas, wodurch das Sonnenbild objectiv in die Hoͤhe
gehoben wird, groͤßer als der des Prismas, wodurch
der Beobachter blickt; ſo muß der Beobachter viel wei-
ter zuruͤcktreten, um das farbige Bild an der Wand
ſo weit herunterzufuͤhren, daß es farblos werde, und
umgekehrt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0191" n="137"/>
ner Ra&#x0364;nder und Sa&#x0364;ume vo&#x0364;llig beraubt und in eine<lb/>
farblo&#x017F;e Kreisge&#x017F;talt zuru&#x0364;ckgebracht.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>353.</head><lb/>
              <p>Bedient man &#x017F;ich zu die&#x017F;em Ver&#x017F;uche zweyer vo&#x0364;llig<lb/>
gleichen Prismen; &#x017F;o kann man &#x017F;ie er&#x017F;t neben einan-<lb/>
der &#x017F;tellen, durch das eine das Sonnenbild durchfallen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, durch das andre aber hindurch&#x017F;ehen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>354.</head><lb/>
              <p>Geht der Be&#x017F;chauer mit dem zweyten Prisma nun-<lb/>
mehr weiter vorwa&#x0364;rts; &#x017F;o zieht &#x017F;ich das Bild wieder<lb/>
hinauf und wird &#x017F;tufenwei&#x017F;e nach dem Ge&#x017F;etz des er&#x017F;ten<lb/>
Prismas gefa&#x0364;rbt. Tritt der Be&#x017F;chauer nun wieder zu-<lb/>
ru&#x0364;ck, bis er das Bild wieder auf den Nullpunkt ge-<lb/>
bracht hat und geht &#x017F;odann immer weiter von dem<lb/>
Bilde weg; &#x017F;o bewegt &#x017F;ich das fu&#x0364;r ihn rund und farb-<lb/>
los gewordene Bild immer weiter herab und fa&#x0364;rbt &#x017F;ich<lb/>
im entgegenge&#x017F;etzten Sinne, &#x017F;o daß wir da&#x017F;&#x017F;elbe Bild,<lb/>
wenn wir zugleich durch das Prisma hindurch und<lb/>
daran her&#x017F;ehen, nach objectiven und &#x017F;ubjectiven Ge&#x017F;etzen<lb/>
gefa&#x0364;rbt erblicken.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>355.</head><lb/>
              <p>Wie die&#x017F;er Ver&#x017F;uch zu vermannigfaltigen &#x017F;ey, er-<lb/>
giebt &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t. I&#x017F;t der brechende Winkel des<lb/>
Prismas, wodurch das Sonnenbild objectiv in die Ho&#x0364;he<lb/>
gehoben wird, gro&#x0364;ßer als der des Prismas, wodurch<lb/>
der Beobachter blickt; &#x017F;o muß der Beobachter viel wei-<lb/>
ter zuru&#x0364;cktreten, um das farbige Bild an der Wand<lb/>
&#x017F;o weit herunterzufu&#x0364;hren, daß es farblos werde, und<lb/>
umgekehrt.</p>
            </div><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0191] ner Raͤnder und Saͤume voͤllig beraubt und in eine farbloſe Kreisgeſtalt zuruͤckgebracht. 353. Bedient man ſich zu dieſem Verſuche zweyer voͤllig gleichen Prismen; ſo kann man ſie erſt neben einan- der ſtellen, durch das eine das Sonnenbild durchfallen laſſen, durch das andre aber hindurchſehen. 354. Geht der Beſchauer mit dem zweyten Prisma nun- mehr weiter vorwaͤrts; ſo zieht ſich das Bild wieder hinauf und wird ſtufenweiſe nach dem Geſetz des erſten Prismas gefaͤrbt. Tritt der Beſchauer nun wieder zu- ruͤck, bis er das Bild wieder auf den Nullpunkt ge- bracht hat und geht ſodann immer weiter von dem Bilde weg; ſo bewegt ſich das fuͤr ihn rund und farb- los gewordene Bild immer weiter herab und faͤrbt ſich im entgegengeſetzten Sinne, ſo daß wir daſſelbe Bild, wenn wir zugleich durch das Prisma hindurch und daran herſehen, nach objectiven und ſubjectiven Geſetzen gefaͤrbt erblicken. 355. Wie dieſer Verſuch zu vermannigfaltigen ſey, er- giebt ſich von ſelbſt. Iſt der brechende Winkel des Prismas, wodurch das Sonnenbild objectiv in die Hoͤhe gehoben wird, groͤßer als der des Prismas, wodurch der Beobachter blickt; ſo muß der Beobachter viel wei- ter zuruͤcktreten, um das farbige Bild an der Wand ſo weit herunterzufuͤhren, daß es farblos werde, und umgekehrt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/191
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/191>, abgerufen am 23.11.2024.