ßern Beziehungen am wahrhaftesten aussprechen; so kön- nen wir uns überzeugen, daß sie überall, wo sie dem Wirklichen zu widersprechen scheinen, das wahre Ver- hältniß desto sichrer bezeichnen. So erscheint uns das Entfernte kleiner, und eben dadurch werden wir die Entfernung gewahr. An farblosen Gegenständen brach- ten wir durch farblose Mittel farbige Erscheinungen hervor, und wurden zugleich auf die Grade des Trü- ben solcher Mittel aufmerksam.
183.
Eben so werden unserm Auge die verschiedenen Grade der Dichtigkeit durchsichtiger Mittel, ja sogar noch andre physische und chemische Eigenschaften dersel- ben, bey Gelegenheit der Refraction, bekannt, und fordern uns auf, andre Prüfungen anzustellen, um in die von einer Seite schon eröffneten Geheimnisse auf physischem und chemischem Wege völlig einzudringen.
184.
Gegenstände durch mehr oder weniger dichte Mit- tel gesehen, erscheinen uns nicht an der Stelle, an der sie sich, nach den Gesetzen der Perspective, befin- den sollten. Hierauf beruhen die dioptrischen Erschei- nungen der zweyten Classe.
185.
Diejenigen Gesetze des Sehens, welche sich durch mathematische Formeln ausdrücken lassen, haben zum Grunde, daß, so wie das Licht sich in gerader Linie bewegt, auch eine gerade Linie zwischen dem sehenden
ßern Beziehungen am wahrhafteſten ausſprechen; ſo koͤn- nen wir uns uͤberzeugen, daß ſie uͤberall, wo ſie dem Wirklichen zu widerſprechen ſcheinen, das wahre Ver- haͤltniß deſto ſichrer bezeichnen. So erſcheint uns das Entfernte kleiner, und eben dadurch werden wir die Entfernung gewahr. An farbloſen Gegenſtaͤnden brach- ten wir durch farbloſe Mittel farbige Erſcheinungen hervor, und wurden zugleich auf die Grade des Truͤ- ben ſolcher Mittel aufmerkſam.
183.
Eben ſo werden unſerm Auge die verſchiedenen Grade der Dichtigkeit durchſichtiger Mittel, ja ſogar noch andre phyſiſche und chemiſche Eigenſchaften derſel- ben, bey Gelegenheit der Refraction, bekannt, und fordern uns auf, andre Pruͤfungen anzuſtellen, um in die von einer Seite ſchon eroͤffneten Geheimniſſe auf phyſiſchem und chemiſchem Wege voͤllig einzudringen.
184.
Gegenſtaͤnde durch mehr oder weniger dichte Mit- tel geſehen, erſcheinen uns nicht an der Stelle, an der ſie ſich, nach den Geſetzen der Perſpective, befin- den ſollten. Hierauf beruhen die dioptriſchen Erſchei- nungen der zweyten Claſſe.
185.
Diejenigen Geſetze des Sehens, welche ſich durch mathematiſche Formeln ausdruͤcken laſſen, haben zum Grunde, daß, ſo wie das Licht ſich in gerader Linie bewegt, auch eine gerade Linie zwiſchen dem ſehenden
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ßern Beziehungen am wahrhafteſten ausſprechen; ſo koͤn-
nen wir uns uͤberzeugen, daß ſie uͤberall, wo ſie dem
Wirklichen zu widerſprechen ſcheinen, das wahre Ver-
haͤltniß deſto ſichrer bezeichnen. So erſcheint uns das
Entfernte kleiner, und eben dadurch werden wir die
Entfernung gewahr. An farbloſen Gegenſtaͤnden brach-
ten wir durch farbloſe Mittel farbige Erſcheinungen
hervor, und wurden zugleich auf die Grade des Truͤ-
ben ſolcher Mittel aufmerkſam.
183.
Eben ſo werden unſerm Auge die verſchiedenen
Grade der Dichtigkeit durchſichtiger Mittel, ja ſogar
noch andre phyſiſche und chemiſche Eigenſchaften derſel-
ben, bey Gelegenheit der Refraction, bekannt, und
fordern uns auf, andre Pruͤfungen anzuſtellen, um in
die von einer Seite ſchon eroͤffneten Geheimniſſe auf
phyſiſchem und chemiſchem Wege voͤllig einzudringen.
184.
Gegenſtaͤnde durch mehr oder weniger dichte Mit-
tel geſehen, erſcheinen uns nicht an der Stelle, an
der ſie ſich, nach den Geſetzen der Perſpective, befin-
den ſollten. Hierauf beruhen die dioptriſchen Erſchei-
nungen der zweyten Claſſe.
185.
Diejenigen Geſetze des Sehens, welche ſich durch
mathematiſche Formeln ausdruͤcken laſſen, haben zum
Grunde, daß, ſo wie das Licht ſich in gerader Linie
bewegt, auch eine gerade Linie zwiſchen dem ſehenden
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/124>, abgerufen am 22.12.2024.
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