gar wohl an die Seite stellen darf, er be- nutzt die rhythmischen antiken Formen, um die anmuthigen Zartheiten des Orients auch Classicisten eingänglich zu machen. Aber nicht allein von alterthümlicher, sondern auch von patriotischer Seite mochte er viel Verdruss erlebt haben, ihn schmerzte Herab- setzung orientalischer Dichtkunst; welches deutlich hervorleuchtet aus dem hart-iro- nischen, nur zweyblättrigen Aufsatz: Arabs, sive de Poesi Anglorum Dialogus, am Schlusse seines Werkes: über Asiatische Dichtkunst. Hier stellt er uns mit offenbarer Bitterkeit vor Augen, wie absurd sich Milton und Pope im orientalischen Gewand ausnähmen; woraus denn folgt, was auch wir so oft wiederholen, dass man jeden Dichter in seiner Sprache und im eigenthümlichen Be- zirk seiner Zeit und Sitten aufsuchen, ken- nen und schätzen müsse.
Eichhorn. Mit vergnüglicher An- erkennung bemerke ich, dass ich bey meinen gegenwärtigen Arbeiten noch das- selbe Exemplar benutze, welches mir der
gar wohl an die Seite stellen darf, er be- nutzt die rhythmischen antiken Formen, um die anmuthigen Zartheiten des Orients auch Classicisten eingänglich zu machen. Aber nicht allein von alterthümlicher, sondern auch von patriotischer Seite mochte er viel Verdruſs erlebt haben, ihn schmerzte Herab- setzung orientalischer Dichtkunst; welches deutlich hervorleuchtet aus dem hart-iro- nischen, nur zweyblättrigen Aufsatz: Arabs, sive de Poësi Anglorum Dialogus, am Schlusse seines Werkes: über Asiatische Dichtkunst. Hier stellt er uns mit offenbarer Bitterkeit vor Augen, wie absurd sich Milton und Pope im orientalischen Gewand ausnähmen; woraus denn folgt, was auch wir so oft wiederholen, daſs man jeden Dichter in seiner Sprache und im eigenthümlichen Be- zirk seiner Zeit und Sitten aufsuchen, ken- nen und schätzen müsse.
Eichhorn. Mit vergnüglicher An- erkennung bemerke ich, daſs ich bey meinen gegenwärtigen Arbeiten noch das- selbe Exemplar benutze, welches mir der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0517"n="507"/>
gar wohl an die Seite stellen darf, er be-<lb/>
nutzt die rhythmischen antiken Formen, um<lb/>
die anmuthigen Zartheiten des Orients auch<lb/>
Classicisten eingänglich zu machen. Aber<lb/>
nicht allein von alterthümlicher, sondern<lb/>
auch von patriotischer Seite mochte er viel<lb/>
Verdruſs erlebt haben, ihn schmerzte Herab-<lb/>
setzung orientalischer Dichtkunst; welches<lb/>
deutlich hervorleuchtet aus dem hart-iro-<lb/>
nischen, nur zweyblättrigen Aufsatz: <hirendition="#i">Arabs,<lb/>
sive de Poësi Anglorum Dialogus</hi>, am Schlusse<lb/>
seines Werkes: über Asiatische Dichtkunst.<lb/>
Hier stellt er uns mit offenbarer Bitterkeit<lb/>
vor Augen, wie absurd sich Milton und<lb/>
Pope im orientalischen Gewand ausnähmen;<lb/>
woraus denn folgt, was auch wir so oft<lb/>
wiederholen, daſs man jeden Dichter in<lb/>
seiner Sprache und im eigenthümlichen Be-<lb/>
zirk seiner Zeit und Sitten aufsuchen, ken-<lb/>
nen und schätzen müsse.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#g">Eichhorn</hi>. Mit vergnüglicher An-<lb/>
erkennung bemerke ich, daſs ich bey<lb/>
meinen gegenwärtigen Arbeiten noch das-<lb/>
selbe Exemplar benutze, welches mir der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[507/0517]
gar wohl an die Seite stellen darf, er be-
nutzt die rhythmischen antiken Formen, um
die anmuthigen Zartheiten des Orients auch
Classicisten eingänglich zu machen. Aber
nicht allein von alterthümlicher, sondern
auch von patriotischer Seite mochte er viel
Verdruſs erlebt haben, ihn schmerzte Herab-
setzung orientalischer Dichtkunst; welches
deutlich hervorleuchtet aus dem hart-iro-
nischen, nur zweyblättrigen Aufsatz: Arabs,
sive de Poësi Anglorum Dialogus, am Schlusse
seines Werkes: über Asiatische Dichtkunst.
Hier stellt er uns mit offenbarer Bitterkeit
vor Augen, wie absurd sich Milton und
Pope im orientalischen Gewand ausnähmen;
woraus denn folgt, was auch wir so oft
wiederholen, daſs man jeden Dichter in
seiner Sprache und im eigenthümlichen Be-
zirk seiner Zeit und Sitten aufsuchen, ken-
nen und schätzen müsse.
Eichhorn. Mit vergnüglicher An-
erkennung bemerke ich, daſs ich bey
meinen gegenwärtigen Arbeiten noch das-
selbe Exemplar benutze, welches mir der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/517>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.