Schiffe nach Indien geht. Hier finden wir sein Betragen dem bisherigen gleich; sein standhafter Muth, seine Kenntnisse, seine adlichen Eigenschaften verdienen ihm über- all leichten Eintritt und ehrenvolles Ver- weilen, endlich aber wird er doch nach dem persischen Meerbusen zurück und zur Heimfahrt durch die Wüste genöthigt.
Hier erduldet er alle gefürchteten Un- bilden. Von Stammhäuptern decimirt, taxirt von Zollbeamten, beraubt von Arabern und selbst in der Christenheit überall vexirt und verspätet, bringt er doch endlich Curiosi- täten und Kostbarkeiten genug, das Selt- samste und Kostbarste aber, den Körper seiner geliebten Maani nach Rom. Dort, auf Ara cöli, begeht er ein herrliches Lei- chenfest und als er in die Grube hinab- steigt, ihr die letzte Ehre zu erweisen, fin- den wir zwey Jungfräulein neben ihm, Silvia, eine während seiner Abwesenheit anmuthig herangewachsenen Tochter, und Tinatin di Ziba, die wir bisher unter dem Namen Mariuccia gekannt, beyde un- gefähr funfzehnjährig. Letztere, die seit dem Tode seiner Gemalin eine treue Rei-
Schiffe nach Indien geht. Hier finden wir sein Betragen dem bisherigen gleich; sein standhafter Muth, seine Kenntnisse, seine adlichen Eigenschaften verdienen ihm über- all leichten Eintritt und ehrenvolles Ver- weilen, endlich aber wird er doch nach dem persischen Meerbusen zurück und zur Heimfahrt durch die Wüste genöthigt.
Hier erduldet er alle gefürchteten Un- bilden. Von Stammhäuptern decimirt, taxirt von Zollbeamten, beraubt von Arabern und selbst in der Christenheit überall vexirt und verspätet, bringt er doch endlich Curiosi- täten und Kostbarkeiten genug, das Selt- samste und Kostbarste aber, den Körper seiner geliebten Maani nach Rom. Dort, auf Ara cöli, begeht er ein herrliches Lei- chenfest und als er in die Grube hinab- steigt, ihr die letzte Ehre zu erweisen, fin- den wir zwey Jungfräulein neben ihm, Silvia, eine während seiner Abwesenheit anmuthig herangewachsenen Tochter, und Tinatin di Ziba, die wir bisher unter dem Namen Mariuccia gekannt, beyde un- gefähr funfzehnjährig. Letztere, die seit dem Tode seiner Gemalin eine treue Rei-
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[494[496]/0506]
Schiffe nach Indien geht. Hier finden wir
sein Betragen dem bisherigen gleich; sein
standhafter Muth, seine Kenntnisse, seine
adlichen Eigenschaften verdienen ihm über-
all leichten Eintritt und ehrenvolles Ver-
weilen, endlich aber wird er doch nach
dem persischen Meerbusen zurück und zur
Heimfahrt durch die Wüste genöthigt.
Hier erduldet er alle gefürchteten Un-
bilden. Von Stammhäuptern decimirt, taxirt
von Zollbeamten, beraubt von Arabern und
selbst in der Christenheit überall vexirt und
verspätet, bringt er doch endlich Curiosi-
täten und Kostbarkeiten genug, das Selt-
samste und Kostbarste aber, den Körper
seiner geliebten Maani nach Rom. Dort,
auf Ara cöli, begeht er ein herrliches Lei-
chenfest und als er in die Grube hinab-
steigt, ihr die letzte Ehre zu erweisen, fin-
den wir zwey Jungfräulein neben ihm,
Silvia, eine während seiner Abwesenheit
anmuthig herangewachsenen Tochter, und
Tinatin di Ziba, die wir bisher unter
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gefähr funfzehnjährig. Letztere, die seit
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 494[496]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/506>, abgerufen am 23.12.2024.
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