Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

meliten, denen das grosse Vorhaben vor-
züglich am Herzen liegen musste, können
von Rom her weder Antheil noch Beystand
erfahren.

Della Valle's Eifer ermüdet und er ent-
schliesst sich nach Europa zurückzukeh-
ren, leider gerade zur ungünstigsten Zeit.
Durch die Wüste zu ziehen scheint ihm
unleidlich, er beschliesst über Indien zu
gehen; aber jetzt eben entspinnen sich
Kriegshändel zwischen Portugiesen, Spa-
niern und Engländern wegen Ormus, dem
bedeutendsten Handelsplatz, und Abbas
findet seinem Vortheil gemäss Theil daran
zu nehmen. Der Kaiser beschliesst die un-
bequemen portugiesischen Nachbarn zu be-
kämpfer, zu entfernen und die hülfreichen
Engländer zuletzt; vielleicht durch List
und Verzögerung, um ihre Absichten zu
bringen und alle Vortheile sich zuzueignen.

In solchen bedenklichen Zeitläuften
überrascht nun unsern Reisenden das wun-
derbare Gefühl eigner Art, das den Men-
schen mit sich selbst in den grössten Zwie-
spalt setzt, das Gefühl der weiten Entfer-
nung vom Vaterlande, im Augenblick wo

meliten, denen das groſse Vorhaben vor-
züglich am Herzen liegen muſste, können
von Rom her weder Antheil noch Beystand
erfahren.

Della Valle’s Eifer ermüdet und er ent-
schlieſst sich nach Europa zurückzukeh-
ren, leider gerade zur ungünstigsten Zeit.
Durch die Wüste zu ziehen scheint ihm
unleidlich, er beschlieſst über Indien zu
gehen; aber jetzt eben entspinnen sich
Kriegshändel zwischen Portugiesen, Spa-
niern und Engländern wegen Ormus, dem
bedeutendsten Handelsplatz, und Abbas
findet seinem Vortheil gemäſs Theil daran
zu nehmen. Der Kaiser beschlieſst die un-
bequemen portugiesischen Nachbarn zu be-
kämpfer, zu entfernen und die hülfreichen
Engländer zuletzt; vielleicht durch List
und Verzögerung, um ihre Absichten zu
bringen und alle Vortheile sich zuzueignen.

In solchen bedenklichen Zeitläuften
überrascht nun unsern Reisenden das wun-
derbare Gefühl eigner Art, das den Men-
schen mit sich selbst in den gröſsten Zwie-
spalt setzt, das Gefühl der weiten Entfer-
nung vom Vaterlande, im Augenblick wo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0502" n="490[492]"/>
meliten, denen das gro&#x017F;se Vorhaben vor-<lb/>
züglich am Herzen liegen mu&#x017F;ste, können<lb/>
von Rom her weder Antheil noch Beystand<lb/>
erfahren.</p><lb/>
          <p>Della Valle&#x2019;s Eifer ermüdet und er ent-<lb/>
schlie&#x017F;st sich nach Europa zurückzukeh-<lb/>
ren, leider gerade zur ungünstigsten Zeit.<lb/>
Durch die Wüste zu ziehen scheint ihm<lb/>
unleidlich, er beschlie&#x017F;st über Indien zu<lb/>
gehen; aber jetzt eben entspinnen sich<lb/>
Kriegshändel zwischen Portugiesen, Spa-<lb/>
niern und Engländern wegen Ormus, dem<lb/>
bedeutendsten Handelsplatz, und Abbas<lb/>
findet seinem Vortheil gemä&#x017F;s Theil daran<lb/>
zu nehmen. Der Kaiser beschlie&#x017F;st die un-<lb/>
bequemen portugiesischen Nachbarn zu be-<lb/>
kämpfer, zu entfernen und die hülfreichen<lb/>
Engländer zuletzt; vielleicht durch List<lb/>
und Verzögerung, um ihre Absichten zu<lb/>
bringen und alle Vortheile sich zuzueignen.</p><lb/>
          <p>In solchen bedenklichen Zeitläuften<lb/>
überrascht nun unsern Reisenden das wun-<lb/>
derbare Gefühl eigner Art, das den Men-<lb/>
schen mit sich selbst in den grö&#x017F;sten Zwie-<lb/>
spalt setzt, das Gefühl der weiten Entfer-<lb/>
nung vom Vaterlande, im Augenblick wo<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[490[492]/0502] meliten, denen das groſse Vorhaben vor- züglich am Herzen liegen muſste, können von Rom her weder Antheil noch Beystand erfahren. Della Valle’s Eifer ermüdet und er ent- schlieſst sich nach Europa zurückzukeh- ren, leider gerade zur ungünstigsten Zeit. Durch die Wüste zu ziehen scheint ihm unleidlich, er beschlieſst über Indien zu gehen; aber jetzt eben entspinnen sich Kriegshändel zwischen Portugiesen, Spa- niern und Engländern wegen Ormus, dem bedeutendsten Handelsplatz, und Abbas findet seinem Vortheil gemäſs Theil daran zu nehmen. Der Kaiser beschlieſst die un- bequemen portugiesischen Nachbarn zu be- kämpfer, zu entfernen und die hülfreichen Engländer zuletzt; vielleicht durch List und Verzögerung, um ihre Absichten zu bringen und alle Vortheile sich zuzueignen. In solchen bedenklichen Zeitläuften überrascht nun unsern Reisenden das wun- derbare Gefühl eigner Art, das den Men- schen mit sich selbst in den gröſsten Zwie- spalt setzt, das Gefühl der weiten Entfer- nung vom Vaterlande, im Augenblick wo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/502
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 490[492]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/502>, abgerufen am 23.12.2024.