am meisten aber ein ihm zur Begleitung mitgegebenen Capighi, die besten Dienste thun, reist er mit dem vollständigsten Be- griff dieser Zustände weiter, erreicht Da- maskus, sodann Aleppo, woselbst er sich in syrische Kleidung hüllt und seinen Bart wachsen lässt. Hier nun begegnet ihm ein bedeutendes, schicksal-bestimmendes Aben- theuer. Ein Reisender gesellt sich zu ihm, der von der Schönheit und Liebenswürdig- keit einer jungen georgischen Christinn, die sich mit den Ihrigen zu Bagdad aufhält, nicht genug zu erzählen weiss, und Valle verliebt sich, nach ächt orientalischer Wei- se, in ein Wortbild, dem er begierig ent- gegen reist. Ihre Gegenwart vermehrt Neigung und Verlangen, er weiss die Mutter zu gewinnen, der Vater wird be- redet; doch geben beyde seiner ungestü- men Leidenschaft nur ungerne nach; ihre geliebte, anmuthige Tochter von sich zu lassen, scheint ein allzu grosses Opfer. Endlich wird sie seine Gattin und er ge- winnt dadurch für Leben und Reise den grössten Schatz. Denn ob er gleich mit adelichem Wissen und Kenntniss mancher
am meisten aber ein ihm zur Begleitung mitgegebenen Capighi, die besten Dienste thun, reist er mit dem vollständigsten Be- griff dieser Zustände weiter, erreicht Da- maskus, sodann Aleppo, woselbst er sich in syrische Kleidung hüllt und seinen Bart wachsen läſst. Hier nun begegnet ihm ein bedeutendes, schicksal-bestimmendes Aben- theuer. Ein Reisender gesellt sich zu ihm, der von der Schönheit und Liebenswürdig- keit einer jungen georgischen Christinn, die sich mit den Ihrigen zu Bagdad aufhält, nicht genug zu erzählen weiſs, und Valle verliebt sich, nach ächt orientalischer Wei- se, in ein Wortbild, dem er begierig ent- gegen reist. Ihre Gegenwart vermehrt Neigung und Verlangen, er weiſs die Mutter zu gewinnen, der Vater wird be- redet; doch geben beyde seiner ungestü- men Leidenschaft nur ungerne nach; ihre geliebte, anmuthige Tochter von sich zu lassen, scheint ein allzu groſses Opfer. Endlich wird sie seine Gattin und er ge- winnt dadurch für Leben und Reise den gröſsten Schatz. Denn ob er gleich mit adelichem Wissen und Kenntniſs mancher
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[469[471]/0481]
am meisten aber ein ihm zur Begleitung
mitgegebenen Capighi, die besten Dienste
thun, reist er mit dem vollständigsten Be-
griff dieser Zustände weiter, erreicht Da-
maskus, sodann Aleppo, woselbst er sich
in syrische Kleidung hüllt und seinen Bart
wachsen läſst. Hier nun begegnet ihm ein
bedeutendes, schicksal-bestimmendes Aben-
theuer. Ein Reisender gesellt sich zu ihm,
der von der Schönheit und Liebenswürdig-
keit einer jungen georgischen Christinn, die
sich mit den Ihrigen zu Bagdad aufhält,
nicht genug zu erzählen weiſs, und Valle
verliebt sich, nach ächt orientalischer Wei-
se, in ein Wortbild, dem er begierig ent-
gegen reist. Ihre Gegenwart vermehrt
Neigung und Verlangen, er weiſs die
Mutter zu gewinnen, der Vater wird be-
redet; doch geben beyde seiner ungestü-
men Leidenschaft nur ungerne nach; ihre
geliebte, anmuthige Tochter von sich zu
lassen, scheint ein allzu groſses Opfer.
Endlich wird sie seine Gattin und er ge-
winnt dadurch für Leben und Reise den
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 469[471]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/481>, abgerufen am 23.12.2024.
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