dianiter verleitet zu seyn, wie wir zu- nächst wahrscheinlich zu machen gedenken, wenn wir vorher von der düsteren Stim- mung gesprochen haben, in die uns die Darstellung der, diesen Zug begleitenden, äusseren Umstände versetzt.
Der heitere Nachthimmel, von unend- lichen Sternen glühend, auf welchen Abra- ham von seinem Gott hingewiesen worden, breitet nicht mehr sein goldenes Gezelt über uns aus; anstatt jenen heiteren Him- melslichtern zu gleichen, bewegt sich ein unzählbares Volk, missmuthig in einer trau- rigen Wüste. Alle fröhlichen Phänomene sind verschwunden, nur Feuerflammen er- scheinen an allen Ecken und Enden. Der Herr, der aus einem brennenden Busche Mosen berufen hatte, zieht nun vor der Masse her, in einem trüben Gluthqualm, den man Tags für eine Wolkensäule, Nachts als ein Feuermeteor ansprechen kann. Aus dem umwölkten Gipfel Sinai's schrecken Blitz und Donner, und bey gering schei- nenden Vergehen brechen Flammen aus dem Boden und verzehren die Enden des Lagers. Speise und Trank ermangeln immer aufs
dianiter verleitet zu seyn, wie wir zu- nächst wahrscheinlich zu machen gedenken, wenn wir vorher von der düsteren Stim- mung gesprochen haben, in die uns die Darstellung der, diesen Zug begleitenden, äuſseren Umstände versetzt.
Der heitere Nachthimmel, von unend- lichen Sternen glühend, auf welchen Abra- ham von seinem Gott hingewiesen worden, breitet nicht mehr sein goldenes Gezelt über uns aus; anstatt jenen heiteren Him- melslichtern zu gleichen, bewegt sich ein unzählbares Volk, miſsmuthig in einer trau- rigen Wüste. Alle fröhlichen Phänomene sind verschwunden, nur Feuerflammen er- scheinen an allen Ecken und Enden. Der Herr, der aus einem brennenden Busche Mosen berufen hatte, zieht nun vor der Masse her, in einem trüben Gluthqualm, den man Tags für eine Wolkensäule, Nachts als ein Feuermeteor ansprechen kann. Aus dem umwölkten Gipfel Sinai’s schrecken Blitz und Donner, und bey gering schei- nenden Vergehen brechen Flammen aus dem Boden und verzehren die Enden des Lagers. Speise und Trank ermangeln immer aufs
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[435[437]/0447]
dianiter verleitet zu seyn, wie wir zu-
nächst wahrscheinlich zu machen gedenken,
wenn wir vorher von der düsteren Stim-
mung gesprochen haben, in die uns die
Darstellung der, diesen Zug begleitenden,
äuſseren Umstände versetzt.
Der heitere Nachthimmel, von unend-
lichen Sternen glühend, auf welchen Abra-
ham von seinem Gott hingewiesen worden,
breitet nicht mehr sein goldenes Gezelt
über uns aus; anstatt jenen heiteren Him-
melslichtern zu gleichen, bewegt sich ein
unzählbares Volk, miſsmuthig in einer trau-
rigen Wüste. Alle fröhlichen Phänomene
sind verschwunden, nur Feuerflammen er-
scheinen an allen Ecken und Enden. Der
Herr, der aus einem brennenden Busche
Mosen berufen hatte, zieht nun vor der
Masse her, in einem trüben Gluthqualm,
den man Tags für eine Wolkensäule, Nachts
als ein Feuermeteor ansprechen kann. Aus
dem umwölkten Gipfel Sinai’s schrecken
Blitz und Donner, und bey gering schei-
nenden Vergehen brechen Flammen aus dem
Boden und verzehren die Enden des Lagers.
Speise und Trank ermangeln immer aufs
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 435[437]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/447>, abgerufen am 23.12.2024.
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