Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

finden, welches näher zu bezeichnen wir
folgendes eröffnen.

Die Parabeln sowohl als andere Dicht-
arten des Orients, die sich auf Sittlichkeit
beziehen, kann man in drei verschiedene
Rubriken nicht ungeschickt eintheilen: in
ethische, moralische und ascetische. Die
ersten enthalten Ereignisse und Andeutun-
gen, die sich auf den Menschen überhaupt
und seine Zustände beziehen, ohne dass
dabey ausgesprochen werde was gut oder
bös sey. Dieses aber wird durch die zwei-
ten vorzüglich herausgesetzt und dem Hö-
rer eine vernünftige Wahl vorbereitet. Die
dritte hingegen fügt noch eine entschiedene
Nöthigung hinzu: die sittliche Anregung
wird Gebot und Gesetz. Diesen lässt sich
eine vierte anfügen, sie stellen die wunder-
baren Führungen und Fügungen dar, die aus
unerforschlichen, unbegreiflichen Rath-
schlüssen Gottes hervor gehen; lehren und
bestätigen den eigentlichen Islam, die un-
bedingte Ergebung in den Willen Gottes,
die Ueberzeugung, dass niemand seinem
einmal bestimmten Loose ausweichen kön-
ne. Will man noch eine fünfte hinzuthun,

finden, welches näher zu bezeichnen wir
folgendes eröffnen.

Die Parabeln sowohl als andere Dicht-
arten des Orients, die sich auf Sittlichkeit
beziehen, kann man in drei verschiedene
Rubriken nicht ungeschickt eintheilen: in
ethische, moralische und ascetische. Die
ersten enthalten Ereignisse und Andeutun-
gen, die sich auf den Menschen überhaupt
und seine Zustände beziehen, ohne daſs
dabey ausgesprochen werde was gut oder
bös sey. Dieses aber wird durch die zwei-
ten vorzüglich herausgesetzt und dem Hö-
rer eine vernünftige Wahl vorbereitet. Die
dritte hingegen fügt noch eine entschiedene
Nöthigung hinzu: die sittliche Anregung
wird Gebot und Gesetz. Diesen läſst sich
eine vierte anfügen, sie stellen die wunder-
baren Führungen und Fügungen dar, die aus
unerforschlichen, unbegreiflichen Rath-
schlüssen Gottes hervor gehen; lehren und
bestätigen den eigentlichen Islam, die un-
bedingte Ergebung in den Willen Gottes,
die Ueberzeugung, daſs niemand seinem
einmal bestimmten Loose ausweichen kön-
ne. Will man noch eine fünfte hinzuthun,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0431" n="419[421]"/>
finden, welches näher zu bezeichnen wir<lb/>
folgendes eröffnen.</p><lb/>
          <p>Die Parabeln sowohl als andere Dicht-<lb/>
arten des Orients, die sich auf Sittlichkeit<lb/>
beziehen, kann man in drei verschiedene<lb/>
Rubriken nicht ungeschickt eintheilen: in<lb/>
ethische, moralische und ascetische. Die<lb/>
ersten enthalten Ereignisse und Andeutun-<lb/>
gen, die sich auf den Menschen überhaupt<lb/>
und seine Zustände beziehen, ohne da&#x017F;s<lb/>
dabey ausgesprochen werde was gut oder<lb/>
bös sey. Dieses aber wird durch die zwei-<lb/>
ten vorzüglich herausgesetzt und dem Hö-<lb/>
rer eine vernünftige Wahl vorbereitet. Die<lb/>
dritte hingegen fügt noch eine entschiedene<lb/>
Nöthigung hinzu: die sittliche Anregung<lb/>
wird Gebot und Gesetz. Diesen lä&#x017F;st sich<lb/>
eine vierte anfügen, sie stellen die wunder-<lb/>
baren Führungen und Fügungen dar, die aus<lb/>
unerforschlichen, unbegreiflichen Rath-<lb/>
schlüssen Gottes hervor gehen; lehren und<lb/>
bestätigen den eigentlichen Islam, die un-<lb/>
bedingte Ergebung in den Willen Gottes,<lb/>
die Ueberzeugung, da&#x017F;s niemand seinem<lb/>
einmal bestimmten Loose ausweichen kön-<lb/>
ne. Will man noch eine fünfte hinzuthun,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[419[421]/0431] finden, welches näher zu bezeichnen wir folgendes eröffnen. Die Parabeln sowohl als andere Dicht- arten des Orients, die sich auf Sittlichkeit beziehen, kann man in drei verschiedene Rubriken nicht ungeschickt eintheilen: in ethische, moralische und ascetische. Die ersten enthalten Ereignisse und Andeutun- gen, die sich auf den Menschen überhaupt und seine Zustände beziehen, ohne daſs dabey ausgesprochen werde was gut oder bös sey. Dieses aber wird durch die zwei- ten vorzüglich herausgesetzt und dem Hö- rer eine vernünftige Wahl vorbereitet. Die dritte hingegen fügt noch eine entschiedene Nöthigung hinzu: die sittliche Anregung wird Gebot und Gesetz. Diesen läſst sich eine vierte anfügen, sie stellen die wunder- baren Führungen und Fügungen dar, die aus unerforschlichen, unbegreiflichen Rath- schlüssen Gottes hervor gehen; lehren und bestätigen den eigentlichen Islam, die un- bedingte Ergebung in den Willen Gottes, die Ueberzeugung, daſs niemand seinem einmal bestimmten Loose ausweichen kön- ne. Will man noch eine fünfte hinzuthun,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/431
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 419[421]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/431>, abgerufen am 24.11.2024.