heit, gewiss allgemein anerkannt, das voll- kommenste Verständniss eröffnet.
Folgendes nämlich erzählt er in seinem Rosengarten: "Als Mahmud der König zu Chuaresm mit dem König von Chattaj Friede machte, bin ich zu Kaschker (einer Stadt der Usbeken oder Tartern) in die Kirche gekommen, woselbst, wie ihr wisst, auch Schule gehalten wird, und habe allda einen Knaben gesehen, wunderschön von Gestalt und Angesicht. Dieser hatte eine Grammatik in der Hand um die Sprache rein und gründlich zu lernen; er las laut und zwar ein Exempel von einer Regel: sarab Seidon Amran. Seidon hat Am- ran geschlagen oder bekriegt. Amran ist der Accusativus. (Diese beiden Namen ste- hen aber hier zu allgemeiner Andeutung von Gegnern, wie die Deutschen sagen: Hinz oder Kunz.) Als er nun diese Worte einigemal wiederholt hatte, um sie dem Gedächtniss einzuprägen, sagte ich: es ha- ben ja Chuaresm und Chattaj endlich Friede gemacht, sollen denn Seidon und Amran stets Krieg gegeneinander führen? Der Knabe lachte allerliebst und fragte
heit, gewiſs allgemein anerkannt, das voll- kommenste Verständniſs eröffnet.
Folgendes nämlich erzählt er in seinem Rosengarten: „Als Mahmud der König zu Chuaresm mit dem König von Chattaj Friede machte, bin ich zu Kaschker (einer Stadt der Usbeken oder Tartern) in die Kirche gekommen, woselbst, wie ihr wiſst, auch Schule gehalten wird, und habe allda einen Knaben gesehen, wunderschön von Gestalt und Angesicht. Dieser hatte eine Grammatik in der Hand um die Sprache rein und gründlich zu lernen; er las laut und zwar ein Exempel von einer Regel: sarab Seidon Amran. Seidon hat Am- ran geschlagen oder bekriegt. Amran ist der Accusativus. (Diese beiden Namen ste- hen aber hier zu allgemeiner Andeutung von Gegnern, wie die Deutschen sagen: Hinz oder Kunz.) Als er nun diese Worte einigemal wiederholt hatte, um sie dem Gedächtniſs einzuprägen, sagte ich: es ha- ben ja Chuaresm und Chattaj endlich Friede gemacht, sollen denn Seidon und Amran stets Krieg gegeneinander führen? Der Knabe lachte allerliebst und fragte
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[414[416]/0426]
heit, gewiſs allgemein anerkannt, das voll-
kommenste Verständniſs eröffnet.
Folgendes nämlich erzählt er in seinem
Rosengarten: „Als Mahmud der König
zu Chuaresm mit dem König von Chattaj
Friede machte, bin ich zu Kaschker (einer
Stadt der Usbeken oder Tartern) in die
Kirche gekommen, woselbst, wie ihr wiſst,
auch Schule gehalten wird, und habe allda
einen Knaben gesehen, wunderschön von
Gestalt und Angesicht. Dieser hatte eine
Grammatik in der Hand um die Sprache
rein und gründlich zu lernen; er las laut
und zwar ein Exempel von einer Regel:
sarab Seidon Amran. Seidon hat Am-
ran geschlagen oder bekriegt. Amran ist
der Accusativus. (Diese beiden Namen ste-
hen aber hier zu allgemeiner Andeutung
von Gegnern, wie die Deutschen sagen:
Hinz oder Kunz.) Als er nun diese Worte
einigemal wiederholt hatte, um sie dem
Gedächtniſs einzuprägen, sagte ich: es ha-
ben ja Chuaresm und Chattaj endlich
Friede gemacht, sollen denn Seidon und
Amran stets Krieg gegeneinander führen?
Der Knabe lachte allerliebst und fragte
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 414[416]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/426>, abgerufen am 24.11.2024.
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