aus einem solchen Tischgespräch aufge- flammt, wo die eine Parthey behauptete, man müsse die Perser, da man sie einmal überwunden, auch nunmehr schonen, die andere aber, das schonungslose Verfahren der Asiaten in Zerstörung griechischer Tem- pel wieder vor die Seele der Gesellschaft führend, durch Steigerung des Wahnsinnes zu trunkener Wuth, die alten königlichen Denkmale in Asche verwandelte. Dass Frauen mitgewirkt, welche immer die hef- tigsten, unversöhnlichsten Feinde der Feinde sind, macht unsere Vermuthung noch wahr- scheinlicher.
Sollte man jedoch hierüber noch eini- germassen zweifelhaft bleiben, so sind wir desto gewisser, was bey jenem Gelag, des- sen wir zuerst erwähnten, tödtlichen Zwie- spalt veranlasst habe; die Geschichte be- wahrt es uns auf. Es war nämlich der im- mer sich wiederholende Streit zwischen dem Alter und der Jugend. Die Alten, auf deren Seite Clitus argumentirte, konnten sich auf eine folgerechte Reihe von Thaten berufen, die sie, dem König, dem Vaterland, dem einmal vorgesteckten Ziele getreu, unabläs-
aus einem solchen Tischgespräch aufge- flammt, wo die eine Parthey behauptete, man müsse die Perser, da man sie einmal überwunden, auch nunmehr schonen, die andere aber, das schonungslose Verfahren der Asiaten in Zerstörung griechischer Tem- pel wieder vor die Seele der Gesellschaft führend, durch Steigerung des Wahnsinnes zu trunkener Wuth, die alten königlichen Denkmale in Asche verwandelte. Daſs Frauen mitgewirkt, welche immer die hef- tigsten, unversöhnlichsten Feinde der Feinde sind, macht unsere Vermuthung noch wahr- scheinlicher.
Sollte man jedoch hierüber noch eini- germaſsen zweifelhaft bleiben, so sind wir desto gewisser, was bey jenem Gelag, des- sen wir zuerst erwähnten, tödtlichen Zwie- spalt veranlaſst habe; die Geschichte be- wahrt es uns auf. Es war nämlich der im- mer sich wiederholende Streit zwischen dem Alter und der Jugend. Die Alten, auf deren Seite Clitus argumentirte, konnten sich auf eine folgerechte Reihe von Thaten berufen, die sie, dem König, dem Vaterland, dem einmal vorgesteckten Ziele getreu, unabläs-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0366"n="356"/>
aus einem solchen Tischgespräch aufge-<lb/>
flammt, wo die eine Parthey behauptete,<lb/>
man müsse die Perser, da man sie einmal<lb/>
überwunden, auch nunmehr schonen, die<lb/>
andere aber, das schonungslose Verfahren<lb/>
der Asiaten in Zerstörung griechischer Tem-<lb/>
pel wieder vor die Seele der Gesellschaft<lb/>
führend, durch Steigerung des Wahnsinnes<lb/>
zu trunkener Wuth, die alten königlichen<lb/>
Denkmale in Asche verwandelte. Daſs<lb/>
Frauen mitgewirkt, welche immer die hef-<lb/>
tigsten, unversöhnlichsten Feinde der Feinde<lb/>
sind, macht unsere Vermuthung noch wahr-<lb/>
scheinlicher.</p><lb/><p>Sollte man jedoch hierüber noch eini-<lb/>
germaſsen zweifelhaft bleiben, so sind wir<lb/>
desto gewisser, was bey jenem Gelag, des-<lb/>
sen wir zuerst erwähnten, tödtlichen Zwie-<lb/>
spalt veranlaſst habe; die Geschichte be-<lb/>
wahrt es uns auf. Es war nämlich der im-<lb/>
mer sich wiederholende Streit zwischen dem<lb/>
Alter und der Jugend. Die Alten, auf deren<lb/>
Seite Clitus argumentirte, konnten sich auf<lb/>
eine folgerechte Reihe von Thaten berufen,<lb/>
die sie, dem König, dem Vaterland, dem<lb/>
einmal vorgesteckten Ziele getreu, unabläs-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[356/0366]
aus einem solchen Tischgespräch aufge-
flammt, wo die eine Parthey behauptete,
man müsse die Perser, da man sie einmal
überwunden, auch nunmehr schonen, die
andere aber, das schonungslose Verfahren
der Asiaten in Zerstörung griechischer Tem-
pel wieder vor die Seele der Gesellschaft
führend, durch Steigerung des Wahnsinnes
zu trunkener Wuth, die alten königlichen
Denkmale in Asche verwandelte. Daſs
Frauen mitgewirkt, welche immer die hef-
tigsten, unversöhnlichsten Feinde der Feinde
sind, macht unsere Vermuthung noch wahr-
scheinlicher.
Sollte man jedoch hierüber noch eini-
germaſsen zweifelhaft bleiben, so sind wir
desto gewisser, was bey jenem Gelag, des-
sen wir zuerst erwähnten, tödtlichen Zwie-
spalt veranlaſst habe; die Geschichte be-
wahrt es uns auf. Es war nämlich der im-
mer sich wiederholende Streit zwischen dem
Alter und der Jugend. Die Alten, auf deren
Seite Clitus argumentirte, konnten sich auf
eine folgerechte Reihe von Thaten berufen,
die sie, dem König, dem Vaterland, dem
einmal vorgesteckten Ziele getreu, unabläs-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/366>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.