rern und Knechten geben. Und eure Knechte und Mägde und eure feinesten Jünglinge, und eure Esel wird er nehmen und seine Geschäfte damit ausrichten. Von euren Heerden wird er den Zehenden nehmen: und ihr müsset seine Knechte seyn."
Als nun Samuel dem Volk das Bedenk- liche einer solchen Uebereinkunft zu Ge- müthe führen und ihnen abrathen will, ruft es einstimmig: "Mit nichten, sondern es soll ein König über uns seyn; dass wir auch seyn wie alle andere Heiden, dass uns un- ser König richte, und vor uns her ausziehe, wenn wir unsere Kriege führen."
In diesem Sinne spricht der Perser:
Mit Rath und Schwerdt umfasst und schützet Er das Land; Umfassende und Schirmer stehn in Gottes Hand.
Ueberhaupt pflegt man bey Beurthei- lung der verschiedenen Regierungsformen nicht genug zu beachten, dass in allen, wie sie auch heissen, Freyheit und Knechtschaft zugleich polarisch existire. Steht die Ge- walt bey Einem, so ist die Menge unter- würfig, ist die Gewalt bey der Menge, so
rern und Knechten geben. Und eure Knechte und Mägde und eure feinesten Jünglinge, und eure Esel wird er nehmen und seine Geschäfte damit ausrichten. Von euren Heerden wird er den Zehenden nehmen: und ihr müsset seine Knechte seyn.“
Als nun Samuel dem Volk das Bedenk- liche einer solchen Uebereinkunft zu Ge- müthe führen und ihnen abrathen will, ruft es einstimmig: „Mit nichten, sondern es soll ein König über uns seyn; daſs wir auch seyn wie alle andere Heiden, daſs uns un- ser König richte, und vor uns her ausziehe, wenn wir unsere Kriege führen.“
In diesem Sinne spricht der Perser:
Mit Rath und Schwerdt umfaſst und schützet Er das Land; Umfassende und Schirmer stehn in Gottes Hand.
Ueberhaupt pflegt man bey Beurthei- lung der verschiedenen Regierungsformen nicht genug zu beachten, daſs in allen, wie sie auch heiſsen, Freyheit und Knechtschaft zugleich polarisch existire. Steht die Ge- walt bey Einem, so ist die Menge unter- würfig, ist die Gewalt bey der Menge, so
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rern und Knechten geben. Und eure Knechte
und Mägde und eure feinesten Jünglinge,
und eure Esel wird er nehmen und seine
Geschäfte damit ausrichten. Von euren
Heerden wird er den Zehenden nehmen:
und ihr müsset seine Knechte seyn.“
Als nun Samuel dem Volk das Bedenk-
liche einer solchen Uebereinkunft zu Ge-
müthe führen und ihnen abrathen will, ruft
es einstimmig: „Mit nichten, sondern es
soll ein König über uns seyn; daſs wir auch
seyn wie alle andere Heiden, daſs uns un-
ser König richte, und vor uns her ausziehe,
wenn wir unsere Kriege führen.“
In diesem Sinne spricht der Perser:
Mit Rath und Schwerdt umfaſst und schützet Er
das Land;
Umfassende und Schirmer stehn in Gottes Hand.
Ueberhaupt pflegt man bey Beurthei-
lung der verschiedenen Regierungsformen
nicht genug zu beachten, daſs in allen, wie
sie auch heiſsen, Freyheit und Knechtschaft
zugleich polarisch existire. Steht die Ge-
walt bey Einem, so ist die Menge unter-
würfig, ist die Gewalt bey der Menge, so
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/362>, abgerufen am 22.12.2024.
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