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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

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den Verlust ihrer innern Freiheit den Sieg
über äussere Dränger vorzubereiten. Sein
Sohn überzog die Perser und gewann das
Reich.

Nicht nur furchtbar sondern äusserst
verhasst hatten sich diese der griechischen
Nation gemacht, indem sie Staat und Gottes-
dienst zugleich bekriegten. Sie, einer Reli-
gion ergeben, wo die himmlischen Gestirne,
das Feuer, die Elemente, als gottähnliche
Wesen in freier Welt verehrt wurden, fan-
den höchst scheltenswerth dass man die Göt-
ter in Wohnungen einsperrte, sie unter
Dach aubetete. Nun verbrannte und zer-
störte man die Tempel, und schuf dadurch
sich selbst ewig Hass erregende Denkmäler,
indem die Weisheit der Griechen beschloss
diese Ruinen niemals wieder aus ihrem
Schutte zu erheben, sondern, zu Anreizung
künftiger Rache, ahndungsvoll liegen zu
lassen. Diese Gesinnungen ihren beleidigten
Gottesdienst zu rächen, brachten die Grie-
chen mit auf persischen Grund und Boden;
manche Grausamkeit erklärt sich daher, auch
will man den Brand von Persepolis damit
entschuldigen.

den Verlust ihrer innern Freiheit den Sieg
über äuſsere Dränger vorzubereiten. Sein
Sohn überzog die Perser und gewann das
Reich.

Nicht nur furchtbar sondern äuſserst
verhaſst hatten sich diese der griechischen
Nation gemacht, indem sie Staat und Gottes-
dienst zugleich bekriegten. Sie, einer Reli-
gion ergeben, wo die himmlischen Gestirne,
das Feuer, die Elemente, als gottähnliche
Wesen in freier Welt verehrt wurden, fan-
den höchst scheltenswerth daſs man die Göt-
ter in Wohnungen einsperrte, sie unter
Dach aubetete. Nun verbrannte und zer-
störte man die Tempel, und schuf dadurch
sich selbst ewig Haſs erregende Denkmäler,
indem die Weisheit der Griechen beschloſs
diese Ruinen niemals wieder aus ihrem
Schutte zu erheben, sondern, zu Anreizung
künftiger Rache, ahndungsvoll liegen zu
lassen. Diese Gesinnungen ihren beleidigten
Gottesdienst zu rächen, brachten die Grie-
chen mit auf persischen Grund und Boden;
manche Grausamkeit erklärt sich daher, auch
will man den Brand von Persepolis damit
entschuldigen.

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[274/0284] den Verlust ihrer innern Freiheit den Sieg über äuſsere Dränger vorzubereiten. Sein Sohn überzog die Perser und gewann das Reich. Nicht nur furchtbar sondern äuſserst verhaſst hatten sich diese der griechischen Nation gemacht, indem sie Staat und Gottes- dienst zugleich bekriegten. Sie, einer Reli- gion ergeben, wo die himmlischen Gestirne, das Feuer, die Elemente, als gottähnliche Wesen in freier Welt verehrt wurden, fan- den höchst scheltenswerth daſs man die Göt- ter in Wohnungen einsperrte, sie unter Dach aubetete. Nun verbrannte und zer- störte man die Tempel, und schuf dadurch sich selbst ewig Haſs erregende Denkmäler, indem die Weisheit der Griechen beschloſs diese Ruinen niemals wieder aus ihrem Schutte zu erheben, sondern, zu Anreizung künftiger Rache, ahndungsvoll liegen zu lassen. Diese Gesinnungen ihren beleidigten Gottesdienst zu rächen, brachten die Grie- chen mit auf persischen Grund und Boden; manche Grausamkeit erklärt sich daher, auch will man den Brand von Persepolis damit entschuldigen.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/284>, abgerufen am 23.12.2024.