Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.Geständniss. Was ist schwer zu verbergen? Das Feuer! Denn bey Tage verräth's der Rauch, Bey Nacht die Flamme, das Ungeheuer. Ferner ist schwer zu verbergen auch Die Liebe, noch so stille gehegt, Sie doch gar leicht aus den Augen schlägt. Am schwersten zu bergen ist ein Gedicht, Man stellt es untern Scheffel nicht. Hat es der Dichter frisch gesungen, So ist er ganz davon durchdrungen, Hat er es zierlich nett geschrieben, Will er die ganze Welt soll's lieben. Er liest es jedem froh und laut, Ob es uns quält, ob es erbaut. Geständniſs. Was ist schwer zu verbergen? Das Feuer! Denn bey Tage verräth’s der Rauch, Bey Nacht die Flamme, das Ungeheuer. Ferner ist schwer zu verbergen auch Die Liebe, noch so stille gehegt, Sie doch gar leicht aus den Augen schlägt. Am schwersten zu bergen ist ein Gedicht, Man stellt es untern Scheffel nicht. Hat es der Dichter frisch gesungen, So ist er ganz davon durchdrungen, Hat er es zierlich nett geschrieben, Will er die ganze Welt soll’s lieben. Er liest es jedem froh und laut, Ob es uns quält, ob es erbaut. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0023" n="13"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#i"> <hi rendition="#g">Geständniſs.</hi> </hi> </hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <l>Was ist schwer zu verbergen? Das Feuer!</l><lb/> <l>Denn bey Tage verräth’s der Rauch,</l><lb/> <l>Bey Nacht die Flamme, das Ungeheuer.</l><lb/> <l>Ferner ist schwer zu verbergen auch</l><lb/> <l>Die Liebe, noch so stille gehegt,</l><lb/> <l>Sie doch gar leicht aus den Augen schlägt.</l><lb/> <l>Am schwersten zu bergen ist ein Gedicht,</l><lb/> <l>Man stellt es untern Scheffel nicht.</l><lb/> <l>Hat es der Dichter frisch gesungen,</l><lb/> <l>So ist er ganz davon durchdrungen,</l><lb/> <l>Hat er es zierlich nett geschrieben,</l><lb/> <l>Will er die ganze Welt soll’s lieben.</l><lb/> <l>Er liest es jedem froh und laut,</l><lb/> <l>Ob es uns quält, ob es erbaut.</l> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [13/0023]
Geständniſs.
Was ist schwer zu verbergen? Das Feuer!
Denn bey Tage verräth’s der Rauch,
Bey Nacht die Flamme, das Ungeheuer.
Ferner ist schwer zu verbergen auch
Die Liebe, noch so stille gehegt,
Sie doch gar leicht aus den Augen schlägt.
Am schwersten zu bergen ist ein Gedicht,
Man stellt es untern Scheffel nicht.
Hat es der Dichter frisch gesungen,
So ist er ganz davon durchdrungen,
Hat er es zierlich nett geschrieben,
Will er die ganze Welt soll’s lieben.
Er liest es jedem froh und laut,
Ob es uns quält, ob es erbaut.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |