Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.Und da wird es Mitternacht seyn, Wo du oft zu früh ermunterst, Und dann wird es eine Pracht seyn, Wenn das All mit mir bewunderst. Dichter. Zwar in diesem Duft und GartenTönet Bulbul ganze Nächte, Doch du könntest lange warten Bis die Nacht so viel vermöchte. Denn in dieser Zeit der Flora, Wie das Griechen-Volk sie nennet, Die Strohwittwe, die Aurora Ist in Hesperus entbrennet. Sieh dich um! sie kommt! wie schnelle! Ueber Blumenfelds Gelänge! -- Hüben hell und drüben helle, Ja die Nacht kommt ins Gedränge. Und auf rothen leichten Solen Ihn, der mit der Sonn' entlaufen, Eilt sie irrig einzohohlen; Fühlst du nicht ein Liebe-Schnaufen? Und da wird es Mitternacht seyn, Wo du oft zu früh ermunterst, Und dann wird es eine Pracht seyn, Wenn das All mit mir bewunderst. Dichter. Zwar in diesem Duft und GartenTönet Bulbul ganze Nächte, Doch du könntest lange warten Bis die Nacht so viel vermöchte. Denn in dieser Zeit der Flora, Wie das Griechen-Volk sie nennet, Die Strohwittwe, die Aurora Ist in Hesperus entbrennet. Sieh dich um! sie kommt! wie schnelle! Ueber Blumenfelds Gelänge! — Hüben hell und drüben helle, Ja die Nacht kommt ins Gedränge. Und auf rothen leichten Solen Ihn, der mit der Sonn’ entlaufen, Eilt sie irrig einzohohlen; Fühlst du nicht ein Liebe-Schnaufen? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0213" n="203"/> <lg n="9"> <l>Und da wird es Mitternacht seyn,</l><lb/> <l>Wo du oft zu früh ermunterst,</l><lb/> <l>Und dann wird es eine Pracht seyn,</l><lb/> <l>Wenn das All mit mir bewunderst.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Dichter</hi>.</hi> </head><lb/> <l>Zwar in diesem Duft und Garten</l><lb/> <l>Tönet Bulbul ganze Nächte,</l><lb/> <l>Doch du könntest lange warten</l><lb/> <l>Bis die Nacht so viel vermöchte.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Denn in dieser Zeit der Flora,</l><lb/> <l>Wie das Griechen-Volk sie nennet,</l><lb/> <l>Die Strohwittwe, die Aurora</l><lb/> <l>Ist in Hesperus entbrennet.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Sieh dich um! sie kommt! wie schnelle!</l><lb/> <l>Ueber Blumenfelds Gelänge! —</l><lb/> <l>Hüben hell und drüben helle,</l><lb/> <l>Ja die Nacht kommt ins Gedränge.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Und auf rothen leichten Solen</l><lb/> <l>Ihn, der mit der Sonn’ entlaufen,</l><lb/> <l>Eilt sie irrig einzohohlen;</l><lb/> <l>Fühlst du nicht ein Liebe-Schnaufen?</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [203/0213]
Und da wird es Mitternacht seyn,
Wo du oft zu früh ermunterst,
Und dann wird es eine Pracht seyn,
Wenn das All mit mir bewunderst.
Dichter.
Zwar in diesem Duft und Garten
Tönet Bulbul ganze Nächte,
Doch du könntest lange warten
Bis die Nacht so viel vermöchte.
Denn in dieser Zeit der Flora,
Wie das Griechen-Volk sie nennet,
Die Strohwittwe, die Aurora
Ist in Hesperus entbrennet.
Sieh dich um! sie kommt! wie schnelle!
Ueber Blumenfelds Gelänge! —
Hüben hell und drüben helle,
Ja die Nacht kommt ins Gedränge.
Und auf rothen leichten Solen
Ihn, der mit der Sonn’ entlaufen,
Eilt sie irrig einzohohlen;
Fühlst du nicht ein Liebe-Schnaufen?
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/213>, abgerufen am 23.07.2024. |