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[Görres, Joseph:] [Rezension zu:] Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt von L. A. v. Arnim u. C. Brentano. In: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur, Fünfte Abtheilung. Philologie, Historie, schöne Literatur und Kunst, Jg. 2 (1809), Bd. 1, Heft 5, S. 222‒237 und Jg. 3 (1810), Bd. 2, Heft 9, S. 30‒52.

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Schiffchen durch die verspannten Fäden schwimmend auf- und niedereilte, lieblich hinein musiciren wollten in die Kunst von ihrem Stuhle aus einen ehlichen guten Morgen und was sonst, aber freylich weiter nichts, als ein hölzernes Gelächter hervorbrachten. Wie im manichäischen Systeme die bösen Geister menschliche Leiber, schöne Jungfrauen bauen, und sie als Fallen hinstellen auf die Erde, damit die Seelen im Lichtreich sie erblicken sollen, und in Liebe zu den reizenden Gestalten entzündet zu ihnen niedersteigen, wo das lockende Fleisch dann über ihnen zusammschlägt und an den irdischen Leib sie fesselt; so hat diese Zeit Verskünstler hervorgebracht, die in Worten die allerkünstlichsten Formen auszugießen wissen, schöne Gefäße werth das Köstlichste zu fassen, sie stellen sie dann hin, wie die Kinder die Schüsseln zu Weihnachten, damit der Schutzengel mit der Bescheerung sie füllen möge, aber der ist karg und ungnädig, weil sie nicht zu beten wissen, und sonst kein Herz zu ihm haben. Die pfiffigsten Sprenkel wissen sie dem Geist zu legen, damit er sich in ihnen fangen möge, der aber zieht durch die Webe, wie eine feurige Erscheinung, und sie wundern sich groß, daß sie auch nie den Feuerdrachen in ihren Schlingen zappeln sehen. Die Classiker und die man ihnen gewöhnlich unter dem Namen Romantische entgegenzusetzen pflegt, haben in diesem Fache gleich emsig und unverdrossen gearbeitet. Jenen, mit ihren reichbesetzten Cabinetten von antiken Gipsabgüssen, würde unbestritten der Vorrang gebühren, wenn auf der andern Seite nicht wieder die Sonette so starke Uebermacht gäben. Die ganze Sprache haben diese Münzwardeine abgeschätzt und geaicht, jedes Wortes Werth und Geltung bestimmt, und alle Combinationen durchprobirt, in denen sich's zusammenfügt und schickt, und alle Crystallisationen, in denen diese Elemente sich verbinden. Wie viel Räder die Maschine fodert, wie viel Zähne das Rad, wie viel Stöcke das Getriebe, wie die Pfannen, in denen die Wellen gehen, zu gestalten seyen und die Einschnitte. Das alles ist aufs genaueste berechnet, und geschickte Arbeiter

Schiffchen durch die verspannten Faͤden schwimmend auf- und niedereilte, lieblich hinein musiciren wollten in die Kunst von ihrem Stuhle aus einen ehlichen guten Morgen und was sonst, aber freylich weiter nichts, als ein hoͤlzernes Gelaͤchter hervorbrachten. Wie im manichaͤischen Systeme die boͤsen Geister menschliche Leiber, schoͤne Jungfrauen bauen, und sie als Fallen hinstellen auf die Erde, damit die Seelen im Lichtreich sie erblicken sollen, und in Liebe zu den reizenden Gestalten entzuͤndet zu ihnen niedersteigen, wo das lockende Fleisch dann uͤber ihnen zusammschlaͤgt und an den irdischen Leib sie fesselt; so hat diese Zeit Verskuͤnstler hervorgebracht, die in Worten die allerkuͤnstlichsten Formen auszugießen wissen, schoͤne Gefaͤße werth das Koͤstlichste zu fassen, sie stellen sie dann hin, wie die Kinder die Schuͤsseln zu Weihnachten, damit der Schutzengel mit der Bescheerung sie fuͤllen moͤge, aber der ist karg und ungnaͤdig, weil sie nicht zu beten wissen, und sonst kein Herz zu ihm haben. Die pfiffigsten Sprenkel wissen sie dem Geist zu legen, damit er sich in ihnen fangen moͤge, der aber zieht durch die Webe, wie eine feurige Erscheinung, und sie wundern sich groß, daß sie auch nie den Feuerdrachen in ihren Schlingen zappeln sehen. Die Classiker und die man ihnen gewoͤhnlich unter dem Namen Romantische entgegenzusetzen pflegt, haben in diesem Fache gleich emsig und unverdrossen gearbeitet. Jenen, mit ihren reichbesetzten Cabinetten von antiken Gipsabguͤssen, wuͤrde unbestritten der Vorrang gebuͤhren, wenn auf der andern Seite nicht wieder die Sonette so starke Uebermacht gaͤben. Die ganze Sprache haben diese Muͤnzwardeine abgeschaͤtzt und geaicht, jedes Wortes Werth und Geltung bestimmt, und alle Combinationen durchprobirt, in denen sich's zusammenfuͤgt und schickt, und alle Crystallisationen, in denen diese Elemente sich verbinden. Wie viel Raͤder die Maschine fodert, wie viel Zaͤhne das Rad, wie viel Stoͤcke das Getriebe, wie die Pfannen, in denen die Wellen gehen, zu gestalten seyen und die Einschnitte. Das alles ist aufs genaueste berechnet, und geschickte Arbeiter

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[226/0006] Schiffchen durch die verspannten Faͤden schwimmend auf- und niedereilte, lieblich hinein musiciren wollten in die Kunst von ihrem Stuhle aus einen ehlichen guten Morgen und was sonst, aber freylich weiter nichts, als ein hoͤlzernes Gelaͤchter hervorbrachten. Wie im manichaͤischen Systeme die boͤsen Geister menschliche Leiber, schoͤne Jungfrauen bauen, und sie als Fallen hinstellen auf die Erde, damit die Seelen im Lichtreich sie erblicken sollen, und in Liebe zu den reizenden Gestalten entzuͤndet zu ihnen niedersteigen, wo das lockende Fleisch dann uͤber ihnen zusammschlaͤgt und an den irdischen Leib sie fesselt; so hat diese Zeit Verskuͤnstler hervorgebracht, die in Worten die allerkuͤnstlichsten Formen auszugießen wissen, schoͤne Gefaͤße werth das Koͤstlichste zu fassen, sie stellen sie dann hin, wie die Kinder die Schuͤsseln zu Weihnachten, damit der Schutzengel mit der Bescheerung sie fuͤllen moͤge, aber der ist karg und ungnaͤdig, weil sie nicht zu beten wissen, und sonst kein Herz zu ihm haben. Die pfiffigsten Sprenkel wissen sie dem Geist zu legen, damit er sich in ihnen fangen moͤge, der aber zieht durch die Webe, wie eine feurige Erscheinung, und sie wundern sich groß, daß sie auch nie den Feuerdrachen in ihren Schlingen zappeln sehen. Die Classiker und die man ihnen gewoͤhnlich unter dem Namen Romantische entgegenzusetzen pflegt, haben in diesem Fache gleich emsig und unverdrossen gearbeitet. Jenen, mit ihren reichbesetzten Cabinetten von antiken Gipsabguͤssen, wuͤrde unbestritten der Vorrang gebuͤhren, wenn auf der andern Seite nicht wieder die Sonette so starke Uebermacht gaͤben. Die ganze Sprache haben diese Muͤnzwardeine abgeschaͤtzt und geaicht, jedes Wortes Werth und Geltung bestimmt, und alle Combinationen durchprobirt, in denen sich's zusammenfuͤgt und schickt, und alle Crystallisationen, in denen diese Elemente sich verbinden. Wie viel Raͤder die Maschine fodert, wie viel Zaͤhne das Rad, wie viel Stoͤcke das Getriebe, wie die Pfannen, in denen die Wellen gehen, zu gestalten seyen und die Einschnitte. Das alles ist aufs genaueste berechnet, und geschickte Arbeiter

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Zitationshilfe: [Görres, Joseph:] [Rezension zu:] Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt von L. A. v. Arnim u. C. Brentano. In: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur, Fünfte Abtheilung. Philologie, Historie, schöne Literatur und Kunst, Jg. 2 (1809), Bd. 1, Heft 5, S. 222‒237 und Jg. 3 (1810), Bd. 2, Heft 9, S. 30‒52, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_wunderhorn_1809/6>, abgerufen am 25.11.2024.