bis in die grauesten Zeiten des Alterthums hinaufrei- chen, dann gewinnen sie ein wahrhaft ungemessenes Publicum, und sie stehen keineswegs mehr als Gegen- stände unserer Toleranz uns gegenüber, sondern viel- mehr als Objecte unserer höchsten Verehrung und unserer wahrhaftigen Hochachtung; als ehrwürdige Alterthümer, die durch das läuternde Feuer so vieler Zeiten und Geister unversehrt durchgegangen sind. Man glaube nur nicht, daß ein Schlechtes für sich diese Prüfung der Menge und der Zeit bestehen könne; es kann mit unterlaufen, von dem Guten durchge- schleppt, aber nimmer sich für sich selbst allein be- haupten. Die Nation ist nicht einem todten Felsen ähnlich, dem der Meisel willkührlich jedes Bild ein- graben kann, es muß etwas ihm Zusagendes in dem seyn, was man von ihr aufgenommen wissen will; ein dunkler Instinct für das Gute ist keiner Creatur versagt, und damit fühlt sich leicht, was gut und ge- deihlich was schädlich und giftig ist, heraus, und kräftig, und ohne sich zu besinnen, stößt die Menge alles ab, vor dem dieser dunkle Trieb sie warnt. Und wenn auch einzelne Irrungen unterlaufen, wenn das Schlechte, das Kraftlose augenblicklichen Eingang findet, bald erwacht der innere Eckel und Ueberdruß, und die Zeit spült in ihrem Strome alles wieder weg, und gleicht
bis in die graueſten Zeiten des Alterthums hinaufrei- chen, dann gewinnen ſie ein wahrhaft ungemeſſenes Publicum, und ſie ſtehen keineswegs mehr als Gegen- ſtände unſerer Toleranz uns gegenüber, ſondern viel- mehr als Objecte unſerer höchſten Verehrung und unſerer wahrhaftigen Hochachtung; als ehrwürdige Alterthümer, die durch das läuternde Feuer ſo vieler Zeiten und Geiſter unverſehrt durchgegangen ſind. Man glaube nur nicht, daß ein Schlechtes für ſich dieſe Prüfung der Menge und der Zeit beſtehen könne; es kann mit unterlaufen, von dem Guten durchge- ſchleppt, aber nimmer ſich für ſich ſelbſt allein be- haupten. Die Nation iſt nicht einem todten Felſen ähnlich, dem der Meiſel willkührlich jedes Bild ein- graben kann, es muß etwas ihm Zuſagendes in dem ſeyn, was man von ihr aufgenommen wiſſen will; ein dunkler Inſtinct für das Gute iſt keiner Creatur verſagt, und damit fühlt ſich leicht, was gut und ge- deihlich was ſchädlich und giftig iſt, heraus, und kräftig, und ohne ſich zu beſinnen, ſtößt die Menge alles ab, vor dem dieſer dunkle Trieb ſie warnt. Und wenn auch einzelne Irrungen unterlaufen, wenn das Schlechte, das Kraftloſe augenblicklichen Eingang findet, bald erwacht der innere Eckel und Ueberdruß, und die Zeit ſpült in ihrem Strome alles wieder weg, und gleicht
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0029"n="11"/>
bis in die graueſten Zeiten des Alterthums hinaufrei-<lb/>
chen, dann gewinnen ſie ein wahrhaft ungemeſſenes<lb/>
Publicum, und ſie ſtehen keineswegs mehr als Gegen-<lb/>ſtände unſerer Toleranz uns gegenüber, ſondern viel-<lb/>
mehr als Objecte unſerer höchſten Verehrung und<lb/>
unſerer wahrhaftigen Hochachtung; als ehrwürdige<lb/>
Alterthümer, die durch das läuternde Feuer ſo vieler<lb/>
Zeiten und Geiſter unverſehrt durchgegangen ſind.<lb/>
Man glaube nur nicht, daß ein Schlechtes für ſich<lb/>
dieſe Prüfung der Menge und der Zeit beſtehen könne;<lb/>
es kann mit unterlaufen, von dem Guten durchge-<lb/>ſchleppt, aber nimmer ſich für ſich ſelbſt allein be-<lb/>
haupten. Die Nation iſt nicht einem todten Felſen<lb/>
ähnlich, dem der Meiſel willkührlich jedes Bild ein-<lb/>
graben kann, es muß etwas ihm Zuſagendes in dem<lb/>ſeyn, was man von ihr aufgenommen wiſſen will;<lb/>
ein dunkler Inſtinct für das Gute iſt keiner Creatur<lb/>
verſagt, und damit fühlt ſich leicht, was gut und ge-<lb/>
deihlich was ſchädlich und giftig iſt, heraus, und kräftig,<lb/>
und ohne ſich zu beſinnen, ſtößt die Menge alles ab,<lb/>
vor dem dieſer dunkle Trieb ſie warnt. Und wenn<lb/>
auch einzelne Irrungen unterlaufen, wenn das Schlechte,<lb/>
das Kraftloſe augenblicklichen Eingang findet, bald<lb/>
erwacht der innere Eckel und Ueberdruß, und die Zeit<lb/>ſpült in ihrem Strome alles wieder weg, und gleicht<lb/></p></div></body></text></TEI>
[11/0029]
bis in die graueſten Zeiten des Alterthums hinaufrei-
chen, dann gewinnen ſie ein wahrhaft ungemeſſenes
Publicum, und ſie ſtehen keineswegs mehr als Gegen-
ſtände unſerer Toleranz uns gegenüber, ſondern viel-
mehr als Objecte unſerer höchſten Verehrung und
unſerer wahrhaftigen Hochachtung; als ehrwürdige
Alterthümer, die durch das läuternde Feuer ſo vieler
Zeiten und Geiſter unverſehrt durchgegangen ſind.
Man glaube nur nicht, daß ein Schlechtes für ſich
dieſe Prüfung der Menge und der Zeit beſtehen könne;
es kann mit unterlaufen, von dem Guten durchge-
ſchleppt, aber nimmer ſich für ſich ſelbſt allein be-
haupten. Die Nation iſt nicht einem todten Felſen
ähnlich, dem der Meiſel willkührlich jedes Bild ein-
graben kann, es muß etwas ihm Zuſagendes in dem
ſeyn, was man von ihr aufgenommen wiſſen will;
ein dunkler Inſtinct für das Gute iſt keiner Creatur
verſagt, und damit fühlt ſich leicht, was gut und ge-
deihlich was ſchädlich und giftig iſt, heraus, und kräftig,
und ohne ſich zu beſinnen, ſtößt die Menge alles ab,
vor dem dieſer dunkle Trieb ſie warnt. Und wenn
auch einzelne Irrungen unterlaufen, wenn das Schlechte,
das Kraftloſe augenblicklichen Eingang findet, bald
erwacht der innere Eckel und Ueberdruß, und die Zeit
ſpült in ihrem Strome alles wieder weg, und gleicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/29>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.