Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.von einer ältern Schrifft gleichen Titels aus, die zu ihr und euere Vorfahren immer Beschützer der königlichen
Würde, des Adels und des Rechts gewesen seyd, darum bin ich zu euch gekommen, um euch von meinem Unglück zu unterrichten." So beginnt das Buch in aller Beschei- denheit. Der Spanier klagt dann, wie seine Granden ihn vertrieben, und die Königinn in Segovia belagern; der Kö- nig sagt ihm Hülfe zu, zieht mit einer Armee nach Spa- nien, und unterwirft die widerspänstigen Barone ihrem König wieder. Beim Abschied nimmt die Königinn ihre halbjährige Tochter auf den Arm, und empfiehlt sie für die Zukunft dem Schutze des Königs von Frankreich mit vielen demuthsvollen Ausdrücken; und da heißt's: wie der König ihre große Demuth erblickt, hat er Mitleiden mit ihnen und sagt: "Freunde! ich danke euch für die große Zuneigung, die ihr für mich habt, wißt daß euere Tochter nicht auszuschlagen ist, wenn Gott meinem Sohn die Gnade giebt, daß er zu reifen Jahren kömmt, dann verspreche ich, daß mein Sohn keine Andere als euere Tochter haben soll!" "Sire! sagt die Königinn, glaubt nicht, daß wir, mein Herr Gemahl und ich so eingebildet sind, daß was wir gesagt haben, dahin zielte, daß ihr sie für euern Sohn nehmen solltet, sondern allein für ei- nen euerer Barone, denn es wäre zu viel Ehre, daß ihr derselben euern Sohn gäbet, um so mehr, da wirs nicht verdient haben!" "Einmal für allemal, sagt der König, es ist gesagt, und wenn es Gott gefällt, daß wir beim Leben bleiben, dann werden wir mehr davon sprechen." Der König kehrt zurück, stirbt, und als die Tochter fünf- zehn Jahr alt geworden war, hält der von Engelland um sie an, sie wird ihm bewilligt, und der Graf von Lancaster verspricht sich mit ihr im Namen des Königs. von einer ältern Schrifft gleichen Titels aus, die zu ihr und euere Vorfahren immer Beſchützer der königlichen
Würde, des Adels und des Rechts geweſen ſeyd, darum bin ich zu euch gekommen, um euch von meinem Unglück zu unterrichten.“ So beginnt das Buch in aller Beſchei- denheit. Der Spanier klagt dann, wie ſeine Granden ihn vertrieben, und die Königinn in Segovia belagern; der Kö- nig ſagt ihm Hülfe zu, zieht mit einer Armee nach Spa- nien, und unterwirft die widerſpänſtigen Barone ihrem König wieder. Beim Abſchied nimmt die Königinn ihre halbjährige Tochter auf den Arm, und empfiehlt ſie für die Zukunft dem Schutze des Königs von Frankreich mit vielen demuthsvollen Ausdrücken; und da heißt’s: wie der König ihre große Demuth erblickt, hat er Mitleiden mit ihnen und ſagt: „Freunde! ich danke euch für die große Zuneigung, die ihr für mich habt, wißt daß euere Tochter nicht auszuſchlagen iſt, wenn Gott meinem Sohn die Gnade giebt, daß er zu reifen Jahren kömmt, dann verſpreche ich, daß mein Sohn keine Andere als euere Tochter haben ſoll!“ „Sire! ſagt die Königinn, glaubt nicht, daß wir, mein Herr Gemahl und ich ſo eingebildet ſind, daß was wir geſagt haben, dahin zielte, daß ihr ſie für euern Sohn nehmen ſolltet, ſondern allein für ei- nen euerer Barone, denn es wäre zu viel Ehre, daß ihr derſelben euern Sohn gäbet, um ſo mehr, da wirs nicht verdient haben!“ „Einmal für allemal, ſagt der König, es iſt geſagt, und wenn es Gott gefällt, daß wir beim Leben bleiben, dann werden wir mehr davon ſprechen.“ Der König kehrt zurück, ſtirbt, und als die Tochter fünf- zehn Jahr alt geworden war, hält der von Engelland um ſie an, ſie wird ihm bewilligt, und der Graf von Lancaſter verſpricht ſich mit ihr im Namen des Königs. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0162" n="144"/> von einer ältern Schrifft gleichen Titels aus, die zu<lb/> Paris in 4. mit gothiſchen Characteren gedruckt war,<lb/><note prev="#note-0161" xml:id="note-0162" next="#note-0163" place="foot" n="*)">ihr und euere Vorfahren immer Beſchützer der königlichen<lb/> Würde, des Adels und des Rechts geweſen ſeyd, darum<lb/> bin ich zu euch gekommen, um euch von meinem Unglück<lb/> zu unterrichten.“ So beginnt das Buch in aller Beſchei-<lb/> denheit. Der Spanier klagt dann, wie ſeine Granden ihn<lb/> vertrieben, und die Königinn in Segovia belagern; der Kö-<lb/> nig ſagt ihm Hülfe zu, zieht mit einer Armee nach Spa-<lb/> nien, und unterwirft die widerſpänſtigen Barone ihrem<lb/> König wieder. Beim Abſchied nimmt die Königinn ihre<lb/> halbjährige Tochter auf den Arm, und empfiehlt ſie für<lb/> die Zukunft dem Schutze des Königs von Frankreich mit<lb/> vielen demuthsvollen Ausdrücken; und da heißt’s: wie<lb/> der König ihre große Demuth erblickt, hat er Mitleiden<lb/> mit ihnen und ſagt: „Freunde! ich danke euch für die<lb/> große Zuneigung, die ihr für mich habt, wißt daß euere<lb/> Tochter nicht auszuſchlagen iſt, wenn Gott meinem Sohn<lb/> die Gnade giebt, daß er zu reifen Jahren kömmt, dann<lb/> verſpreche ich, daß mein Sohn keine Andere als euere<lb/> Tochter haben ſoll!“ „Sire! ſagt die Königinn, glaubt<lb/> nicht, daß wir, mein Herr Gemahl und ich ſo eingebildet<lb/> ſind, daß was wir geſagt haben, dahin zielte, daß ihr<lb/> ſie für euern Sohn nehmen ſolltet, ſondern allein für ei-<lb/> nen euerer Barone, denn es wäre zu viel Ehre, daß ihr<lb/> derſelben euern Sohn gäbet, um ſo mehr, da wirs nicht<lb/> verdient haben!“ „Einmal für allemal, ſagt der König,<lb/> es iſt geſagt, und wenn es Gott gefällt, daß wir beim<lb/> Leben bleiben, dann werden wir mehr davon ſprechen.“<lb/> Der König kehrt zurück, ſtirbt, und als die Tochter fünf-<lb/> zehn Jahr alt geworden war, hält der von Engelland<lb/> um ſie an, ſie wird ihm bewilligt, und der Graf von<lb/> Lancaſter verſpricht ſich mit ihr im Namen des Königs.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [144/0162]
von einer ältern Schrifft gleichen Titels aus, die zu
Paris in 4. mit gothiſchen Characteren gedruckt war,
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*) ihr und euere Vorfahren immer Beſchützer der königlichen
Würde, des Adels und des Rechts geweſen ſeyd, darum
bin ich zu euch gekommen, um euch von meinem Unglück
zu unterrichten.“ So beginnt das Buch in aller Beſchei-
denheit. Der Spanier klagt dann, wie ſeine Granden ihn
vertrieben, und die Königinn in Segovia belagern; der Kö-
nig ſagt ihm Hülfe zu, zieht mit einer Armee nach Spa-
nien, und unterwirft die widerſpänſtigen Barone ihrem
König wieder. Beim Abſchied nimmt die Königinn ihre
halbjährige Tochter auf den Arm, und empfiehlt ſie für
die Zukunft dem Schutze des Königs von Frankreich mit
vielen demuthsvollen Ausdrücken; und da heißt’s: wie
der König ihre große Demuth erblickt, hat er Mitleiden
mit ihnen und ſagt: „Freunde! ich danke euch für die
große Zuneigung, die ihr für mich habt, wißt daß euere
Tochter nicht auszuſchlagen iſt, wenn Gott meinem Sohn
die Gnade giebt, daß er zu reifen Jahren kömmt, dann
verſpreche ich, daß mein Sohn keine Andere als euere
Tochter haben ſoll!“ „Sire! ſagt die Königinn, glaubt
nicht, daß wir, mein Herr Gemahl und ich ſo eingebildet
ſind, daß was wir geſagt haben, dahin zielte, daß ihr
ſie für euern Sohn nehmen ſolltet, ſondern allein für ei-
nen euerer Barone, denn es wäre zu viel Ehre, daß ihr
derſelben euern Sohn gäbet, um ſo mehr, da wirs nicht
verdient haben!“ „Einmal für allemal, ſagt der König,
es iſt geſagt, und wenn es Gott gefällt, daß wir beim
Leben bleiben, dann werden wir mehr davon ſprechen.“
Der König kehrt zurück, ſtirbt, und als die Tochter fünf-
zehn Jahr alt geworden war, hält der von Engelland
um ſie an, ſie wird ihm bewilligt, und der Graf von
Lancaſter verſpricht ſich mit ihr im Namen des Königs.
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