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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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melt, und ohne Zusammenhang erscheint. In kurzen,
leichten Sätzen hüpft dabei das Buch, wie alle fran-
zösischen Volksbücher schnellfüßig daher; Alle sind nicht so
planlos wie die Teutschen, sondern zu einem bestimmten
Zwecke für den nationellen Stolz geschrieben; überall
sind's nos gens, die Thaten und Wunder wirken;
überall ist die eigene Ration auf Kosten der Uebrigen
hervorgehoben, und dabei das Ganze häufig mit mora-
lischen Reflexionen ausgestattet *). Es geht übrigens

*) Mehr als irgend ein Anderes spiegelt diesen Geist die Hi-
stoire de Jean de Paris, Rol de France, Troyes.
Der Stoff
dieses kleinen Romanes ist aus einer Erzählung der Gesta
romanorum
genommen, und die kleine Novelle ist nun
ausgesponnen mit unsäglich gutmüthiger Schwatzhaftig-
keit, und aufgeblasen mit einer köstlichen Windbeuteley,
einer gar naiven Nationalhoffart, und erscheint nun in
seiner prahlenden Großthuerey als die reinste Gasconade,
die irgend ein Volk besitzt. Es war einmal ein König
in Frankreich, klug und mächtig; der hatte einen Sohn,
drei Jahr alt, der hieß Jean, und war mächtig durch sei-
nen Adel, denn um diese Zeit wußte man nichts vom Krieg
in Frankreich. Eines Tags, wie der König mit seinem
Hofe im Pallast war, kömmt der König von Spanien,
und wirft sich mit Thränen und Wehklagen zu seinen
Füßen; wie das der König von Frankreich sieht, sagt er
zu ihm: "lieber Schwager und Freund! mäßigt euern
Schmerz, bis wir seine Ursache wissen, denn wir werden
euch mit all unserer Macht unterstützen!" "Sire, sagt
der König von Spanien, ich danke euch ergebenst für das
gnädige Anerbieten, dessen ihr mich gewürdigt habt, weil

melt, und ohne Zuſammenhang erſcheint. In kurzen,
leichten Sätzen hüpft dabei das Buch, wie alle fran-
zöſiſchen Volksbücher ſchnellfüßig daher; Alle ſind nicht ſo
planlos wie die Teutſchen, ſondern zu einem beſtimmten
Zwecke für den nationellen Stolz geſchrieben; überall
ſind’s nos gens, die Thaten und Wunder wirken;
überall iſt die eigene Ration auf Koſten der Uebrigen
hervorgehoben, und dabei das Ganze häufig mit mora-
liſchen Reflexionen ausgeſtattet *). Es geht übrigens

*) Mehr als irgend ein Anderes ſpiegelt dieſen Geiſt die Hi-
stoire de Jean de Paris, Rol de France, Troyes.
Der Stoff
dieſes kleinen Romanes iſt aus einer Erzählung der Gesta
romanorum
genommen, und die kleine Novelle iſt nun
ausgeſponnen mit unſäglich gutmüthiger Schwatzhaftig-
keit, und aufgeblaſen mit einer köſtlichen Windbeuteley,
einer gar naiven Nationalhoffart, und erſcheint nun in
ſeiner prahlenden Großthuerey als die reinſte Gasconade,
die irgend ein Volk beſitzt. Es war einmal ein König
in Frankreich, klug und mächtig; der hatte einen Sohn,
drei Jahr alt, der hieß Jean, und war mächtig durch ſei-
nen Adel, denn um dieſe Zeit wußte man nichts vom Krieg
in Frankreich. Eines Tags, wie der König mit ſeinem
Hofe im Pallaſt war, kömmt der König von Spanien,
und wirft ſich mit Thränen und Wehklagen zu ſeinen
Füßen; wie das der König von Frankreich ſieht, ſagt er
zu ihm: „lieber Schwager und Freund! mäßigt euern
Schmerz, bis wir ſeine Urſache wiſſen, denn wir werden
euch mit all unſerer Macht unterſtützen!“ „Sire, ſagt
der König von Spanien, ich danke euch ergebenſt für das
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[143/0161] melt, und ohne Zuſammenhang erſcheint. In kurzen, leichten Sätzen hüpft dabei das Buch, wie alle fran- zöſiſchen Volksbücher ſchnellfüßig daher; Alle ſind nicht ſo planlos wie die Teutſchen, ſondern zu einem beſtimmten Zwecke für den nationellen Stolz geſchrieben; überall ſind’s nos gens, die Thaten und Wunder wirken; überall iſt die eigene Ration auf Koſten der Uebrigen hervorgehoben, und dabei das Ganze häufig mit mora- liſchen Reflexionen ausgeſtattet *). Es geht übrigens *) Mehr als irgend ein Anderes ſpiegelt dieſen Geiſt die Hi- stoire de Jean de Paris, Rol de France, Troyes. Der Stoff dieſes kleinen Romanes iſt aus einer Erzählung der Gesta romanorum genommen, und die kleine Novelle iſt nun ausgeſponnen mit unſäglich gutmüthiger Schwatzhaftig- keit, und aufgeblaſen mit einer köſtlichen Windbeuteley, einer gar naiven Nationalhoffart, und erſcheint nun in ſeiner prahlenden Großthuerey als die reinſte Gasconade, die irgend ein Volk beſitzt. Es war einmal ein König in Frankreich, klug und mächtig; der hatte einen Sohn, drei Jahr alt, der hieß Jean, und war mächtig durch ſei- nen Adel, denn um dieſe Zeit wußte man nichts vom Krieg in Frankreich. Eines Tags, wie der König mit ſeinem Hofe im Pallaſt war, kömmt der König von Spanien, und wirft ſich mit Thränen und Wehklagen zu ſeinen Füßen; wie das der König von Frankreich ſieht, ſagt er zu ihm: „lieber Schwager und Freund! mäßigt euern Schmerz, bis wir ſeine Urſache wiſſen, denn wir werden euch mit all unſerer Macht unterſtützen!“ „Sire, ſagt der König von Spanien, ich danke euch ergebenſt für das gnädige Anerbieten, deſſen ihr mich gewürdigt habt, weil

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/161>, abgerufen am 24.11.2024.