Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.ihre Stärke nichtig ist *). So wird daher das eigent- *) Man hat auch diesem Gedichte, wie so vielen Andern aus
der alten Zeit, weniger Aufmerksamkeit zugewendet, als es verdient. Es ist nicht zu läugnen, daß die reine Nackt- heit der Umrisse auch hier häufig unter dem Ueberflusse eines oft steifen Gewandes sich versteckt; daß wir statt der schönen Formen scharf gebrochne Falten sehen: allein es hat auch unläugbar etwas Großes in der ganzen Anlage, und viele Schönheiten in der Ausführung. Es ist dabei ganz unläugbar, daß es den Nibelungen nachgebildet ist. Die ganze Fortschreitung der Handlung, wie die Christen mit den Sarazenen im Thale Runzefal kämpfen, wie diese immer neue Haufen senden, Hunderttausende nach Hunderrtausenden; wie die Christen sie Alle niedermachen, und Marsilie die Gebliebenen mit neuen Haufen immerfort verstärkt; wie daher die Christen nach und nach zusam- menschmelzen, bis endlich nur noch sechzig übrig sind, die nun, nachdem neue Heidenhaufen andrängen, endlich Alle bis auf den Bischoff Turpin und Roland bleiben, und wie dann, nachdem die Heiden flohen, Roland dem Bischoff die Riemen entband, "und hueb ihm den Helm abe, da gewann er großer Ungehabe, Im viel das haubt von einander, alrest do bevand er, das er zu tode was erslagen", und wie nun endlich auch Roland aus Er- schöpfung stirbt, -- Alles das errinnert unverkennbar an Chriemhildens Rache und das Blutbad in Etzels Pallast. Die folgende Szene, wie die Todten betrauert und begraben werden; die Ausbrüche des Schmerzes in Carl, um Ro- lands Tod; wie er Boten an seine Gattinn sendet, die ihr aber den Tod Rolands verbergen sollen, weil er sie an Kindesstatt annehmen will, -- Alles das steht in eben ihre Stärke nichtig iſt *). So wird daher das eigent- *) Man hat auch dieſem Gedichte, wie ſo vielen Andern aus
der alten Zeit, weniger Aufmerkſamkeit zugewendet, als es verdient. Es iſt nicht zu läugnen, daß die reine Nackt- heit der Umriſſe auch hier häufig unter dem Ueberfluſſe eines oft ſteifen Gewandes ſich verſteckt; daß wir ſtatt der ſchönen Formen ſcharf gebrochne Falten ſehen: allein es hat auch unläugbar etwas Großes in der ganzen Anlage, und viele Schönheiten in der Ausführung. Es iſt dabei ganz unläugbar, daß es den Nibelungen nachgebildet iſt. Die ganze Fortſchreitung der Handlung, wie die Chriſten mit den Sarazenen im Thale Runzefal kämpfen, wie dieſe immer neue Haufen ſenden, Hunderttauſende nach Hunderrtauſenden; wie die Chriſten ſie Alle niedermachen, und Marſilie die Gebliebenen mit neuen Haufen immerfort verſtärkt; wie daher die Chriſten nach und nach zuſam- menſchmelzen, bis endlich nur noch ſechzig übrig ſind, die nun, nachdem neue Heidenhaufen andrängen, endlich Alle bis auf den Biſchoff Turpin und Roland bleiben, und wie dann, nachdem die Heiden flohen, Roland dem Biſchoff die Riemen entband, „und hueb ihm den Helm abe, da gewann er großer Ungehabe, Im viel das haubt von einander, alreſt do bevand er, das er zu tode was erſlagen“, und wie nun endlich auch Roland aus Er- ſchöpfung ſtirbt, — Alles das errinnert unverkennbar an Chriemhildens Rache und das Blutbad in Etzels Pallaſt. Die folgende Szene, wie die Todten betrauert und begraben werden; die Ausbrüche des Schmerzes in Carl, um Ro- lands Tod; wie er Boten an ſeine Gattinn ſendet, die ihr aber den Tod Rolands verbergen ſollen, weil er ſie an Kindesſtatt annehmen will, — Alles das ſteht in eben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0144" n="126"/> ihre Stärke nichtig iſt <note xml:id="note-0144" next="#note-0145" place="foot" n="*)">Man hat auch dieſem Gedichte, wie ſo vielen Andern aus<lb/> der alten Zeit, weniger Aufmerkſamkeit zugewendet, als<lb/> es verdient. Es iſt nicht zu läugnen, daß die reine Nackt-<lb/> heit der Umriſſe auch hier häufig unter dem Ueberfluſſe<lb/> eines oft ſteifen Gewandes ſich verſteckt; daß wir ſtatt<lb/> der ſchönen Formen ſcharf gebrochne Falten ſehen: allein<lb/> es hat auch unläugbar etwas Großes in der ganzen Anlage,<lb/> und viele Schönheiten in der Ausführung. Es iſt dabei<lb/> ganz unläugbar, daß es den Nibelungen nachgebildet iſt.<lb/> Die ganze Fortſchreitung der Handlung, wie die Chriſten<lb/> mit den Sarazenen im Thale Runzefal kämpfen, wie<lb/> dieſe immer neue Haufen ſenden, Hunderttauſende nach<lb/> Hunderrtauſenden; wie die Chriſten ſie Alle niedermachen,<lb/> und Marſilie die Gebliebenen mit neuen Haufen immerfort<lb/> verſtärkt; wie daher die Chriſten nach und nach zuſam-<lb/> menſchmelzen, bis endlich nur noch ſechzig übrig ſind, die<lb/> nun, nachdem neue Heidenhaufen andrängen, endlich<lb/> Alle bis auf den Biſchoff Turpin und Roland bleiben,<lb/> und wie dann, nachdem die Heiden flohen, Roland dem<lb/> Biſchoff die Riemen entband, „und hueb ihm den Helm<lb/> abe, da gewann er großer Ungehabe, Im viel das haubt<lb/> von einander, alreſt do bevand er, das er zu tode was<lb/> erſlagen“, und wie nun endlich auch Roland aus Er-<lb/> ſchöpfung ſtirbt, — Alles das errinnert unverkennbar an<lb/> Chriemhildens Rache und das Blutbad in Etzels Pallaſt.<lb/> Die folgende Szene, wie die Todten betrauert und begraben<lb/> werden; die Ausbrüche des Schmerzes in Carl, um Ro-<lb/> lands Tod; wie er Boten an ſeine Gattinn ſendet, die<lb/> ihr aber den Tod Rolands verbergen ſollen, weil er ſie an<lb/> Kindesſtatt annehmen will, — Alles das ſteht in eben</note>. So wird daher das eigent-<lb/> liche Heldengedicht hier durchaus mythiſch, es reißt ſich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0144]
ihre Stärke nichtig iſt *). So wird daher das eigent-
liche Heldengedicht hier durchaus mythiſch, es reißt ſich
*) Man hat auch dieſem Gedichte, wie ſo vielen Andern aus
der alten Zeit, weniger Aufmerkſamkeit zugewendet, als
es verdient. Es iſt nicht zu läugnen, daß die reine Nackt-
heit der Umriſſe auch hier häufig unter dem Ueberfluſſe
eines oft ſteifen Gewandes ſich verſteckt; daß wir ſtatt
der ſchönen Formen ſcharf gebrochne Falten ſehen: allein
es hat auch unläugbar etwas Großes in der ganzen Anlage,
und viele Schönheiten in der Ausführung. Es iſt dabei
ganz unläugbar, daß es den Nibelungen nachgebildet iſt.
Die ganze Fortſchreitung der Handlung, wie die Chriſten
mit den Sarazenen im Thale Runzefal kämpfen, wie
dieſe immer neue Haufen ſenden, Hunderttauſende nach
Hunderrtauſenden; wie die Chriſten ſie Alle niedermachen,
und Marſilie die Gebliebenen mit neuen Haufen immerfort
verſtärkt; wie daher die Chriſten nach und nach zuſam-
menſchmelzen, bis endlich nur noch ſechzig übrig ſind, die
nun, nachdem neue Heidenhaufen andrängen, endlich
Alle bis auf den Biſchoff Turpin und Roland bleiben,
und wie dann, nachdem die Heiden flohen, Roland dem
Biſchoff die Riemen entband, „und hueb ihm den Helm
abe, da gewann er großer Ungehabe, Im viel das haubt
von einander, alreſt do bevand er, das er zu tode was
erſlagen“, und wie nun endlich auch Roland aus Er-
ſchöpfung ſtirbt, — Alles das errinnert unverkennbar an
Chriemhildens Rache und das Blutbad in Etzels Pallaſt.
Die folgende Szene, wie die Todten betrauert und begraben
werden; die Ausbrüche des Schmerzes in Carl, um Ro-
lands Tod; wie er Boten an ſeine Gattinn ſendet, die
ihr aber den Tod Rolands verbergen ſollen, weil er ſie an
Kindesſtatt annehmen will, — Alles das ſteht in eben
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |