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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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Man sieht aus allem Beygebrachten, wie ein
Wesen und eine Seele innewohnt dem Gedichte in
einer und der andern Sprache; wie aber dies Wesen
in der freien Bearbeitung vielleicht dem Charakter der
beiden Nationen sich gefügt, und daher bei den Fran-
zosen zusammenhängender, correcter, mehr gerundet,
und in redseliger Begeisterung gebohren, aber dafür in
etwas monoton, und geschwätzig conversirend erscheint,
während es im Teutschen minder gelenk und gefügig
geworden ist, derber und in der Form mehr ungeschickt;
dafür aber was es im Allgemeinen eingebüßt, im Be-
sondern wieder gewonnen hat, durch die geniale, kecke
Ungebundenheit, die die Kunst mit festem Arm erfaßt,
und sicher und geübt das Rechte immerfort ergreift
Beiden hat ein älteres Gedicht zum Grund gelegen, aus
dem sie geschöpft, und daß in ihnen sich eben so in zwei
verschiedne Richtungen entschied, wie die beiden Na-
tionen, die in Carl verbunden waren, sich in der

-- Das Volksbuch trifft meist nun in allen Wendungen
der Worte mit diesem überein, oft aber weicht es auch
willkührlich von ihm ab, und erlaubt sich Abkürtzungen
und Zusätze. Auf eine ähnliche Weiße scheint auch das
teutsche Buch von einem solchen alten besonders am An-
fange schadhaften Manuscripte ausgegangen zu seyn, und
dann durch mancherley Interpolationen und Auslassungen
die gegenwärtige Form erlangt zu haben.

Man ſieht aus allem Beygebrachten, wie ein
Weſen und eine Seele innewohnt dem Gedichte in
einer und der andern Sprache; wie aber dies Weſen
in der freien Bearbeitung vielleicht dem Charakter der
beiden Nationen ſich gefügt, und daher bei den Fran-
zoſen zuſammenhängender, correcter, mehr gerundet,
und in redſeliger Begeiſterung gebohren, aber dafür in
etwas monoton, und geſchwätzig converſirend erſcheint,
während es im Teutſchen minder gelenk und gefügig
geworden iſt, derber und in der Form mehr ungeſchickt;
dafür aber was es im Allgemeinen eingebüßt, im Be-
ſondern wieder gewonnen hat, durch die geniale, kecke
Ungebundenheit, die die Kunſt mit feſtem Arm erfaßt,
und ſicher und geübt das Rechte immerfort ergreift
Beiden hat ein älteres Gedicht zum Grund gelegen, aus
dem ſie geſchöpft, und daß in ihnen ſich eben ſo in zwei
verſchiedne Richtungen entſchied, wie die beiden Na-
tionen, die in Carl verbunden waren, ſich in der

— Das Volksbuch trifft meiſt nun in allen Wendungen
der Worte mit dieſem überein, oft aber weicht es auch
willkührlich von ihm ab, und erlaubt ſich Abkürtzungen
und Zuſätze. Auf eine ähnliche Weiße ſcheint auch das
teutſche Buch von einem ſolchen alten beſonders am An-
fange ſchadhaften Manuſcripte ausgegangen zu ſeyn, und
dann durch mancherley Interpolationen und Auslaſſungen
die gegenwärtige Form erlangt zu haben.
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[119/0137] Man ſieht aus allem Beygebrachten, wie ein Weſen und eine Seele innewohnt dem Gedichte in einer und der andern Sprache; wie aber dies Weſen in der freien Bearbeitung vielleicht dem Charakter der beiden Nationen ſich gefügt, und daher bei den Fran- zoſen zuſammenhängender, correcter, mehr gerundet, und in redſeliger Begeiſterung gebohren, aber dafür in etwas monoton, und geſchwätzig converſirend erſcheint, während es im Teutſchen minder gelenk und gefügig geworden iſt, derber und in der Form mehr ungeſchickt; dafür aber was es im Allgemeinen eingebüßt, im Be- ſondern wieder gewonnen hat, durch die geniale, kecke Ungebundenheit, die die Kunſt mit feſtem Arm erfaßt, und ſicher und geübt das Rechte immerfort ergreift Beiden hat ein älteres Gedicht zum Grund gelegen, aus dem ſie geſchöpft, und daß in ihnen ſich eben ſo in zwei verſchiedne Richtungen entſchied, wie die beiden Na- tionen, die in Carl verbunden waren, ſich in der *) *) — Das Volksbuch trifft meiſt nun in allen Wendungen der Worte mit dieſem überein, oft aber weicht es auch willkührlich von ihm ab, und erlaubt ſich Abkürtzungen und Zuſätze. Auf eine ähnliche Weiße ſcheint auch das teutſche Buch von einem ſolchen alten beſonders am An- fange ſchadhaften Manuſcripte ausgegangen zu ſeyn, und dann durch mancherley Interpolationen und Auslaſſungen die gegenwärtige Form erlangt zu haben.

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/137>, abgerufen am 24.11.2024.