Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

Bourbon tödtet, zuerst zornig und hingerissen von frem-
der, bewußtlos ihn treibender Gewalt; dann wieder
königlich und gerecht, indem er großmüthig Beleidigung
verzeiht, bis Reinold seinen Sohn Ludwig schlägt, wo
er nun aufgereizt zur Wuth, wild und unversöhnlich bis
zum Eigensinn erscheint, und diese Unversöhnlichkeit
auch da noch fort behauptet, wo die Brüder aus der
Gefangenschaft ihn entlassen, und am Ende noch gegen
das Roß Bayard den tiefen Groll und Haß hinwendet, das
als Sühnopfer getödtet wird; dabei oft pedantisch bei-
nahe und gothisch befangen, in dem Stile wie das Bild-
nerwerk an Dagoberts Grabe gedacht, im Ornate der
Zeit, unbehülflich oft, aber scharf und bestimmt gezeich-
net. So wunderlich fremd, und strenge und dunkel
wie der Heerführer ist auch seine Umgebung; die ganze
Genossenschaft ein Granitsäulengang, ein trotziger, fester,
kecker Heldenadel, wie er den griechischen Fürsten umgab;
ergeben ihrem König, aber auch wieder stark und kräftig auf
eignen Füßen stehend, und durchaus in heroischer Indivi-
dualität scharf und streng gehalten. Der Geist dieser Genos-
senschaft aber concentrirt sich im Achilleus-Roland. Die
ganze wunderbare Reizbarkeit eines stolzen, durch und durch
muthigen Gemüthes; dieser Heroismus im dunkeln, tiefen
Impulse einer verhüllten im innern Menschen wohnenden
Macht lebend, und daher in seinen Ausbrüchen lyrisch

Bourbon tödtet, zuerſt zornig und hingeriſſen von frem-
der, bewußtlos ihn treibender Gewalt; dann wieder
königlich und gerecht, indem er großmüthig Beleidigung
verzeiht, bis Reinold ſeinen Sohn Ludwig ſchlägt, wo
er nun aufgereizt zur Wuth, wild und unverſöhnlich bis
zum Eigenſinn erſcheint, und dieſe Unverſöhnlichkeit
auch da noch fort behauptet, wo die Brüder aus der
Gefangenſchaft ihn entlaſſen, und am Ende noch gegen
das Roß Bayard den tiefen Groll und Haß hinwendet, das
als Sühnopfer getödtet wird; dabei oft pedantiſch bei-
nahe und gothiſch befangen, in dem Stile wie das Bild-
nerwerk an Dagoberts Grabe gedacht, im Ornate der
Zeit, unbehülflich oft, aber ſcharf und beſtimmt gezeich-
net. So wunderlich fremd, und ſtrenge und dunkel
wie der Heerführer iſt auch ſeine Umgebung; die ganze
Genoſſenſchaft ein Granitſäulengang, ein trotziger, feſter,
kecker Heldenadel, wie er den griechiſchen Fürſten umgab;
ergeben ihrem König, aber auch wieder ſtark und kräftig auf
eignen Füßen ſtehend, und durchaus in heroiſcher Indivi-
dualität ſcharf und ſtreng gehalten. Der Geiſt dieſer Genoſ-
ſenſchaft aber concentrirt ſich im Achilleus-Roland. Die
ganze wunderbare Reizbarkeit eines ſtolzen, durch und durch
muthigen Gemüthes; dieſer Heroismus im dunkeln, tiefen
Impulſe einer verhüllten im innern Menſchen wohnenden
Macht lebend, und daher in ſeinen Ausbrüchen lyriſch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0121" n="103"/>
Bourbon tödtet, zuer&#x017F;t zornig und hingeri&#x017F;&#x017F;en von frem-<lb/>
der, bewußtlos ihn treibender Gewalt; dann wieder<lb/>
königlich und gerecht, indem er großmüthig Beleidigung<lb/>
verzeiht, bis Reinold &#x017F;einen Sohn Ludwig &#x017F;chlägt, wo<lb/>
er nun aufgereizt zur Wuth, wild und unver&#x017F;öhnlich bis<lb/>
zum Eigen&#x017F;inn er&#x017F;cheint, und die&#x017F;e Unver&#x017F;öhnlichkeit<lb/>
auch da noch fort behauptet, wo die Brüder aus der<lb/>
Gefangen&#x017F;chaft ihn entla&#x017F;&#x017F;en, und am Ende noch gegen<lb/>
das Roß Bayard den tiefen Groll und Haß hinwendet, das<lb/>
als Sühnopfer getödtet wird; dabei oft pedanti&#x017F;ch bei-<lb/>
nahe und gothi&#x017F;ch befangen, in dem Stile wie das Bild-<lb/>
nerwerk an Dagoberts Grabe gedacht, im Ornate der<lb/>
Zeit, unbehülflich oft, aber &#x017F;charf und be&#x017F;timmt gezeich-<lb/>
net. So wunderlich fremd, und &#x017F;trenge und dunkel<lb/>
wie der Heerführer i&#x017F;t auch &#x017F;eine Umgebung; die ganze<lb/>
Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft ein Granit&#x017F;äulengang, ein trotziger, fe&#x017F;ter,<lb/>
kecker Heldenadel, wie er den griechi&#x017F;chen Für&#x017F;ten umgab;<lb/>
ergeben ihrem König, aber auch wieder &#x017F;tark und kräftig auf<lb/>
eignen Füßen &#x017F;tehend, und durchaus in heroi&#x017F;cher Indivi-<lb/>
dualität &#x017F;charf und &#x017F;treng gehalten. Der Gei&#x017F;t die&#x017F;er Geno&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chaft aber concentrirt &#x017F;ich im Achilleus-Roland. Die<lb/>
ganze wunderbare Reizbarkeit eines &#x017F;tolzen, durch und durch<lb/>
muthigen Gemüthes; die&#x017F;er Heroismus im dunkeln, tiefen<lb/>
Impul&#x017F;e einer verhüllten im innern Men&#x017F;chen wohnenden<lb/>
Macht lebend, und daher in &#x017F;einen Ausbrüchen lyri&#x017F;ch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0121] Bourbon tödtet, zuerſt zornig und hingeriſſen von frem- der, bewußtlos ihn treibender Gewalt; dann wieder königlich und gerecht, indem er großmüthig Beleidigung verzeiht, bis Reinold ſeinen Sohn Ludwig ſchlägt, wo er nun aufgereizt zur Wuth, wild und unverſöhnlich bis zum Eigenſinn erſcheint, und dieſe Unverſöhnlichkeit auch da noch fort behauptet, wo die Brüder aus der Gefangenſchaft ihn entlaſſen, und am Ende noch gegen das Roß Bayard den tiefen Groll und Haß hinwendet, das als Sühnopfer getödtet wird; dabei oft pedantiſch bei- nahe und gothiſch befangen, in dem Stile wie das Bild- nerwerk an Dagoberts Grabe gedacht, im Ornate der Zeit, unbehülflich oft, aber ſcharf und beſtimmt gezeich- net. So wunderlich fremd, und ſtrenge und dunkel wie der Heerführer iſt auch ſeine Umgebung; die ganze Genoſſenſchaft ein Granitſäulengang, ein trotziger, feſter, kecker Heldenadel, wie er den griechiſchen Fürſten umgab; ergeben ihrem König, aber auch wieder ſtark und kräftig auf eignen Füßen ſtehend, und durchaus in heroiſcher Indivi- dualität ſcharf und ſtreng gehalten. Der Geiſt dieſer Genoſ- ſenſchaft aber concentrirt ſich im Achilleus-Roland. Die ganze wunderbare Reizbarkeit eines ſtolzen, durch und durch muthigen Gemüthes; dieſer Heroismus im dunkeln, tiefen Impulſe einer verhüllten im innern Menſchen wohnenden Macht lebend, und daher in ſeinen Ausbrüchen lyriſch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/121
Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/121>, abgerufen am 24.11.2024.