Nach vier Jahren eines heftigen Partheykampfes, eines unsinnigen Widerstandes gegen die Ansprüche der Zeit und theilweiser Einräumungen von der einen Seite, und mancherley Uebertreibungen von der An¬ dern, ist es endlich dahin gediehen, daß eine allge¬ meine Gährung aller Gemüther durch ganz Teutsch¬ land sich bemeistert, und eine Stimmung eingetreten, wie sie wohl großen Catastrophen in der Geschichte voranzugehen pflegt. Was den thätigsten, ränkevollsten und verschmitztesten demagogischen Umtrieben für sich von unten herauf nimmer gelungen wäre, das fried¬ liche, ruheliebende, nüchterne und gemäßigte teutsche Volk in allen seinen Elementen und Tiefen aufzure¬ gen und zu erbittern, das haben die, so von oben die Sache bey dem langen Arme des Hebels ange¬ griffen, durch behendes Entgegenkommen glücklich zu Stande gebracht; und wie sie zum großen Theile die Ehre des gelungenen Werkes nicht ohne trifftige Gründe für sich in Anspruch nehmen dürfen, so rüsten sie sich auch mit freudigem Muthe zu vollbringen in kur¬ zer Frist, was etwa noch dem Ganzen an der Vol¬ lendung abgehen möchte, damit die Arbeit in allen ihren Theilen den Meister lobe. Indem sie jedesmal, wenn die aufgeregten Leidenschaften sich einigermaßen beruhigen wollten, zu schicklicher Zeit für einen neuen
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Nach vier Jahren eines heftigen Partheykampfes, eines unſinnigen Widerſtandes gegen die Anſprüche der Zeit und theilweiſer Einräumungen von der einen Seite, und mancherley Uebertreibungen von der An¬ dern, iſt es endlich dahin gediehen, daß eine allge¬ meine Gährung aller Gemüther durch ganz Teutſch¬ land ſich bemeiſtert, und eine Stimmung eingetreten, wie ſie wohl großen Cataſtrophen in der Geſchichte voranzugehen pflegt. Was den thätigſten, ränkevollſten und verſchmitzteſten demagogiſchen Umtrieben für ſich von unten herauf nimmer gelungen wäre, das fried¬ liche, ruheliebende, nüchterne und gemäßigte teutſche Volk in allen ſeinen Elementen und Tiefen aufzure¬ gen und zu erbittern, das haben die, ſo von oben die Sache bey dem langen Arme des Hebels ange¬ griffen, durch behendes Entgegenkommen glücklich zu Stande gebracht; und wie ſie zum großen Theile die Ehre des gelungenen Werkes nicht ohne trifftige Gründe für ſich in Anſpruch nehmen dürfen, ſo rüſten ſie ſich auch mit freudigem Muthe zu vollbringen in kur¬ zer Friſt, was etwa noch dem Ganzen an der Vol¬ lendung abgehen möchte, damit die Arbeit in allen ihren Theilen den Meiſter lobe. Indem ſie jedesmal, wenn die aufgeregten Leidenſchaften ſich einigermaßen beruhigen wollten, zu ſchicklicher Zeit für einen neuen
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Nach vier Jahren eines heftigen Partheykampfes,
eines unſinnigen Widerſtandes gegen die Anſprüche
der Zeit und theilweiſer Einräumungen von der einen
Seite, und mancherley Uebertreibungen von der An¬
dern, iſt es endlich dahin gediehen, daß eine allge¬
meine Gährung aller Gemüther durch ganz Teutſch¬
land ſich bemeiſtert, und eine Stimmung eingetreten,
wie ſie wohl großen Cataſtrophen in der Geſchichte
voranzugehen pflegt. Was den thätigſten, ränkevollſten
und verſchmitzteſten demagogiſchen Umtrieben für ſich
von unten herauf nimmer gelungen wäre, das fried¬
liche, ruheliebende, nüchterne und gemäßigte teutſche
Volk in allen ſeinen Elementen und Tiefen aufzure¬
gen und zu erbittern, das haben die, ſo von oben
die Sache bey dem langen Arme des Hebels ange¬
griffen, durch behendes Entgegenkommen glücklich zu
Stande gebracht; und wie ſie zum großen Theile die
Ehre des gelungenen Werkes nicht ohne trifftige Gründe
für ſich in Anſpruch nehmen dürfen, ſo rüſten ſie
ſich auch mit freudigem Muthe zu vollbringen in kur¬
zer Friſt, was etwa noch dem Ganzen an der Vol¬
lendung abgehen möchte, damit die Arbeit in allen
ihren Theilen den Meiſter lobe. Indem ſie jedesmal,
wenn die aufgeregten Leidenſchaften ſich einigermaßen
beruhigen wollten, zu ſchicklicher Zeit für einen neuen
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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/9>, abgerufen am 16.02.2025.
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