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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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und neue Hoffnungen hatten an sein Erscheinen sich
geknüpft. Er hatte die bekannte Adresse angenommen,
und die Discussionen, die sich dabey zwischen ihm
und der Deputation erhoben, mußten, als sie offen¬
kundig worden, nothwendig den Glauben wecken, die
Reaction sey endlich zum Ziel gelangt, und es werde
aller Streit, nachdem man wechselseitig guten Wil¬
len und vorgefallene Mißverständnisse anerkannt, noch
zu einem gedeihlichen End gelangen. Als aber der König
das Wort nicht löste, das sein Mandatarius zu geben
vollkommen durch ihn selbst ermächtigt war; als er die
Einwohner, dafür, daß sie eine völlig gesetzliche Hand¬
lung in aller gebührenden Ehrfurcht ausgeübt, un¬
gnädig angelassen, und ihnen, die ausdrücklich ge¬
sagt hatten, daß sie nicht den mindesten Zweifel an
der Erfüllung des gegebenen Versprechens hegten, den
gehegten Zweifel verwies; als er diese Ungnade auch
auf die örtliche Regierung ausgedehnt, weil sie zuge¬
lassen, was sie mit keinem Schein von Recht verhin¬
dern mochte; und nur jene belobte, die mit gewalt¬
thätiger Handlung die Aeußerung der öffentlichen
Stimme unterdrückt: da schwieg man, weil man die
Ehrfurcht gegen die Majestät, auch da nicht vergaß,
wo man sie im Irrthum befangen sah; aber es war
ein Riß geschehen, und stärker als vorher klaffte die
alte Wunde, die nicht jene brillante, halbofficielle bis
zum Unanständigen geistreiche Erwiederung zu heilen
vermochte, noch weniger der breite Gesellschaftsschnack,
mit dem eine andere Schrift tröstend, zusprechend und
abrathend sich herbeygedrängt.

Wenn die Rheinländer aber nun ihrerseits in man¬

und neue Hoffnungen hatten an ſein Erſcheinen ſich
geknüpft. Er hatte die bekannte Adreſſe angenommen,
und die Discuſſionen, die ſich dabey zwiſchen ihm
und der Deputation erhoben, mußten, als ſie offen¬
kundig worden, nothwendig den Glauben wecken, die
Reaction ſey endlich zum Ziel gelangt, und es werde
aller Streit, nachdem man wechſelſeitig guten Wil¬
len und vorgefallene Mißverſtändniſſe anerkannt, noch
zu einem gedeihlichen End gelangen. Als aber der König
das Wort nicht löste, das ſein Mandatarius zu geben
vollkommen durch ihn ſelbſt ermächtigt war; als er die
Einwohner, dafür, daß ſie eine völlig geſetzliche Hand¬
lung in aller gebührenden Ehrfurcht ausgeübt, un¬
gnädig angelaſſen, und ihnen, die ausdrücklich ge¬
ſagt hatten, daß ſie nicht den mindeſten Zweifel an
der Erfüllung des gegebenen Verſprechens hegten, den
gehegten Zweifel verwies; als er dieſe Ungnade auch
auf die örtliche Regierung ausgedehnt, weil ſie zuge¬
laſſen, was ſie mit keinem Schein von Recht verhin¬
dern mochte; und nur jene belobte, die mit gewalt¬
thätiger Handlung die Aeußerung der öffentlichen
Stimme unterdrückt: da ſchwieg man, weil man die
Ehrfurcht gegen die Majeſtät, auch da nicht vergaß,
wo man ſie im Irrthum befangen ſah; aber es war
ein Riß geſchehen, und ſtärker als vorher klaffte die
alte Wunde, die nicht jene brillante, halbofficielle bis
zum Unanſtändigen geiſtreiche Erwiederung zu heilen
vermochte, noch weniger der breite Geſellſchaftsſchnack,
mit dem eine andere Schrift tröſtend, zuſprechend und
abrathend ſich herbeygedrängt.

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[70/0078] und neue Hoffnungen hatten an ſein Erſcheinen ſich geknüpft. Er hatte die bekannte Adreſſe angenommen, und die Discuſſionen, die ſich dabey zwiſchen ihm und der Deputation erhoben, mußten, als ſie offen¬ kundig worden, nothwendig den Glauben wecken, die Reaction ſey endlich zum Ziel gelangt, und es werde aller Streit, nachdem man wechſelſeitig guten Wil¬ len und vorgefallene Mißverſtändniſſe anerkannt, noch zu einem gedeihlichen End gelangen. Als aber der König das Wort nicht löste, das ſein Mandatarius zu geben vollkommen durch ihn ſelbſt ermächtigt war; als er die Einwohner, dafür, daß ſie eine völlig geſetzliche Hand¬ lung in aller gebührenden Ehrfurcht ausgeübt, un¬ gnädig angelaſſen, und ihnen, die ausdrücklich ge¬ ſagt hatten, daß ſie nicht den mindeſten Zweifel an der Erfüllung des gegebenen Verſprechens hegten, den gehegten Zweifel verwies; als er dieſe Ungnade auch auf die örtliche Regierung ausgedehnt, weil ſie zuge¬ laſſen, was ſie mit keinem Schein von Recht verhin¬ dern mochte; und nur jene belobte, die mit gewalt¬ thätiger Handlung die Aeußerung der öffentlichen Stimme unterdrückt: da ſchwieg man, weil man die Ehrfurcht gegen die Majeſtät, auch da nicht vergaß, wo man ſie im Irrthum befangen ſah; aber es war ein Riß geſchehen, und ſtärker als vorher klaffte die alte Wunde, die nicht jene brillante, halbofficielle bis zum Unanſtändigen geiſtreiche Erwiederung zu heilen vermochte, noch weniger der breite Geſellſchaftsſchnack, mit dem eine andere Schrift tröſtend, zuſprechend und abrathend ſich herbeygedrängt. Wenn die Rheinländer aber nun ihrerſeits in man¬

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/78>, abgerufen am 28.11.2024.