ohne Würde, Anstand und eine Spur adelicher Ge¬ sinnung durch den Trödel äußerer Auszeichnung im Contraste nur um so schärfer sticht, und die Nation bey jeder Gelegenheit vor dem Ausland schändet. Ein solcher Adel, nicht im langweiligen Müßiggang der Höfe ausgeblasen; nicht im Stillleben auf seinem Be¬ sitz verbauert, kann allein aus einem regen öffentli¬ chen Leben in der Gymnastik der Kammern und der Volksbewaffnung, wieder uns erwachsen, und diese Schule vor Allem müssen die Geschlechter suchen, wenn sie sich historisch zu behaupten Sinnes sind.
Ihr von der Geistlichkeit! Ihr seyd berufen dem Volke zu predigen den Gehorsam gegen die Obrig¬ keit; so folgt dann dem Berufe, lehrt es die bürger¬ liche Ordnung selbst in ihrem tiefsten Verfalle achtend ehren, daß es nicht weiche vom Wege der Gesetzlich¬ keit; und nie im Aufstand eigenmächtig die sittlichen Schranken zu durchbrechen unternehme. Aber dann auch tretet vor die Fürsten und ihre Räthe, und ruft sie unter dem Schutze euers heiligen Amtes, warnend, strafend wie ihr Gewissen an. Erinnert sie, daß sie nicht länger Gott versuchen, und wenn er ein Zeichen gethan, das ihre Schwarzkünstler nach eitler Wissenschaft gedeutet, immer wieder Neue von ihm fordern, damit er nicht endlich in seinem Zorn entbrenne, und ihnen das Letzte sendet, das sie und ihr Geschlecht verzehrt. Nicht um Verfas¬ sungen handelt sichs allein, sie werden nun, mag man wohl oder übel wollen, nicht länger mehr sich vorenthalten lassen; aber sie allein sind, wie die Erfahrung eines Menschenalters ausgewiesen, für sich gar wenig, tönende Schellen und hohlklingen¬ des Erz, so lange der Geist bleibt, gegen den man sie angerufen: jene gänzlich bewußtlos gewordne Willkühr, jene durch alle Verhältnisse durchfahrende Gewaltthätig¬ keit, jene Teutschvergessenheit und jenes Verkennen aller höheren und edleren Motive in öffentlichen An¬ gelegenheiten, jener Centralitäts- und Buchstabenkram, jene Finanzschwindeleyen durch ewigen Kriegsstand mit¬ ten im Frieden herbeygeführt, und jener furchtbare
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ohne Würde, Anſtand und eine Spur adelicher Ge¬ ſinnung durch den Trödel äußerer Auszeichnung im Contraſte nur um ſo ſchärfer ſticht, und die Nation bey jeder Gelegenheit vor dem Ausland ſchändet. Ein ſolcher Adel, nicht im langweiligen Müßiggang der Höfe ausgeblaſen; nicht im Stillleben auf ſeinem Be¬ ſitz verbauert, kann allein aus einem regen öffentli¬ chen Leben in der Gymnaſtik der Kammern und der Volksbewaffnung, wieder uns erwachſen, und dieſe Schule vor Allem müſſen die Geſchlechter ſuchen, wenn ſie ſich hiſtoriſch zu behaupten Sinnes ſind.
Ihr von der Geiſtlichkeit! Ihr ſeyd berufen dem Volke zu predigen den Gehorſam gegen die Obrig¬ keit; ſo folgt dann dem Berufe, lehrt es die bürger¬ liche Ordnung ſelbſt in ihrem tiefſten Verfalle achtend ehren, daß es nicht weiche vom Wege der Geſetzlich¬ keit; und nie im Aufſtand eigenmächtig die ſittlichen Schranken zu durchbrechen unternehme. Aber dann auch tretet vor die Fürſten und ihre Räthe, und ruft ſie unter dem Schutze euers heiligen Amtes, warnend, ſtrafend wie ihr Gewiſſen an. Erinnert ſie, daß ſie nicht länger Gott verſuchen, und wenn er ein Zeichen gethan, das ihre Schwarzkünſtler nach eitler Wiſſenſchaft gedeutet, immer wieder Neue von ihm fordern, damit er nicht endlich in ſeinem Zorn entbrenne, und ihnen das Letzte ſendet, das ſie und ihr Geſchlecht verzehrt. Nicht um Verfaſ¬ ſungen handelt ſichs allein, ſie werden nun, mag man wohl oder übel wollen, nicht länger mehr ſich vorenthalten laſſen; aber ſie allein ſind, wie die Erfahrung eines Menſchenalters ausgewieſen, für ſich gar wenig, tönende Schellen und hohlklingen¬ des Erz, ſo lange der Geiſt bleibt, gegen den man ſie angerufen: jene gänzlich bewußtlos gewordne Willkühr, jene durch alle Verhältniſſe durchfahrende Gewaltthätig¬ keit, jene Teutſchvergeſſenheit und jenes Verkennen aller höheren und edleren Motive in öffentlichen An¬ gelegenheiten, jener Centralitäts- und Buchſtabenkram, jene Finanzſchwindeleyen durch ewigen Kriegsſtand mit¬ ten im Frieden herbeygeführt, und jener furchtbare
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ohne Würde, Anſtand und eine Spur adelicher Ge¬
ſinnung durch den Trödel äußerer Auszeichnung im
Contraſte nur um ſo ſchärfer ſticht, und die Nation
bey jeder Gelegenheit vor dem Ausland ſchändet. Ein
ſolcher Adel, nicht im langweiligen Müßiggang der
Höfe ausgeblaſen; nicht im Stillleben auf ſeinem Be¬
ſitz verbauert, kann allein aus einem regen öffentli¬
chen Leben in der Gymnaſtik der Kammern und der
Volksbewaffnung, wieder uns erwachſen, und dieſe
Schule vor Allem müſſen die Geſchlechter ſuchen, wenn
ſie ſich hiſtoriſch zu behaupten Sinnes ſind.
Ihr von der Geiſtlichkeit! Ihr ſeyd berufen
dem Volke zu predigen den Gehorſam gegen die Obrig¬
keit; ſo folgt dann dem Berufe, lehrt es die bürger¬
liche Ordnung ſelbſt in ihrem tiefſten Verfalle achtend
ehren, daß es nicht weiche vom Wege der Geſetzlich¬
keit; und nie im Aufſtand eigenmächtig die ſittlichen
Schranken zu durchbrechen unternehme. Aber dann
auch tretet vor die Fürſten und ihre Räthe, und
ruft ſie unter dem Schutze euers heiligen Amtes,
warnend, ſtrafend wie ihr Gewiſſen an. Erinnert
ſie, daß ſie nicht länger Gott verſuchen, und wenn
er ein Zeichen gethan, das ihre Schwarzkünſtler
nach eitler Wiſſenſchaft gedeutet, immer wieder Neue
von ihm fordern, damit er nicht endlich in ſeinem
Zorn entbrenne, und ihnen das Letzte ſendet, das
ſie und ihr Geſchlecht verzehrt. Nicht um Verfaſ¬
ſungen handelt ſichs allein, ſie werden nun, mag
man wohl oder übel wollen, nicht länger mehr
ſich vorenthalten laſſen; aber ſie allein ſind, wie
die Erfahrung eines Menſchenalters ausgewieſen,
für ſich gar wenig, tönende Schellen und hohlklingen¬
des Erz, ſo lange der Geiſt bleibt, gegen den man ſie
angerufen: jene gänzlich bewußtlos gewordne Willkühr,
jene durch alle Verhältniſſe durchfahrende Gewaltthätig¬
keit, jene Teutſchvergeſſenheit und jenes Verkennen
aller höheren und edleren Motive in öffentlichen An¬
gelegenheiten, jener Centralitäts- und Buchſtabenkram,
jene Finanzſchwindeleyen durch ewigen Kriegsſtand mit¬
ten im Frieden herbeygeführt, und jener furchtbare
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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/217>, abgerufen am 23.02.2025.
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