Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.Nothwehr bey Feindes Ueberzug. Ihr wollt nicht Recht Aber so gutes Recht sollt Ihr durch kein Unrecht Aber freilich nicht das todte Recht, das auf dem Nothwehr bey Feindes Ueberzug. Ihr wollt nicht Recht Aber ſo gutes Recht ſollt Ihr durch kein Unrecht Aber freilich nicht das todte Recht, das auf dem <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0213" n="205"/> Nothwehr bey Feindes Ueberzug. Ihr wollt nicht Recht<lb/> nehmen vor Gerichten, die in leeren Formen und<lb/> Grübeleyen ſich verlieren; ihr wollt es weiſen fortan<lb/> durch Schöpfen und Geſchworne. Ihr wollt, daß das<lb/> Verdienſt ausgleiche jeden Ranges Unterſchied, und daß<lb/> der Verkehr, die Rede und der Gedanke frey ſey wie der<lb/> Athem. Ihr wollet endlich blind in keinem Dinge dem Ge¬<lb/> heiße der Willkühr dienen; ſondern allein in freyer<lb/> Unterwerfung Euch Geſetzen fügen, zu denen Ihr<lb/> ſelbſt zuvor die Einwilligung gegeben. Das ſind Eure<lb/> Rechte, und ſie können Euch nicht beſtritten werden;<lb/> ihre Einräumung iſt keine Vergünſtigung, die man<lb/> nach Belieben ausſetzen und verzögern könnte, am<lb/> wenigſten in einer Zeit, die unaufhörlich mit neuen<lb/> verderblichen Organiſationen und Anmaßungen, wie<lb/> mit Ungeheuern, ſchwanger geht.</p><lb/> <p>Aber ſo gutes Recht ſollt Ihr durch kein Unrecht<lb/> Euch verderben, Ihr würdet die Gegner allein damit<lb/> erfreuen. Iſt der Himmel doch jenes ſchlangenfüßigen<lb/> Titanen Meiſter worden, der die Revolution verſchlun¬<lb/> gen, und in ihrer furchtbaren Kraft gewirkt, was<lb/> ſollte ihm ſonſt noch widerſtehen in dieſer Zeit? Alles<lb/> Unrecht will wider den Strom der Geſchichte an; laßt<lb/> die Thoren ſich abmüden, wenn ſie glauben, ſie ſeyen<lb/> hoch hinauf, landen ſie athemlos tiefer, als von wan¬<lb/> nen ſie ausgeſchwommen. Allein auf dem Rechte ruht<lb/> die Autorität, will ſie von ihm ſich loszuſagen verſu¬<lb/> chen, dann wird ihre gänzliche Unmacht ihr bald den<lb/> Irrthum begreiflich machen, den ſie begangen hat.<lb/> Alle Heere, die auf Erden ſind, mögen nicht eine ein¬<lb/> zige mathematiſche Wahrheit zu nichte machen, noch<lb/> weniger werden ſie ein ethiſches Weltgeſetz erſchüttern.<lb/> Jedes Unrecht iſt von Gott verlaſſen, der allein der<lb/> gerechten Sache hilft; mag auch die Gewalt auf ſei¬<lb/> ner Seite ſtehen, es verwickelt ſich nur allzu bald in<lb/> ſeine eignen Widerſprüche, wird in ſeinen Sophismen<lb/> verfangen und in ſeinen Inconſequenzen verſtrickt,<lb/> daß ihm zuletzt kein Entrinnen mehr möglich iſt.</p><lb/> <p>Aber freilich nicht das todte Recht, das auf dem<lb/> Papiere ſteht, kann ſich geltend machen; nur allein<lb/></p> </body> </text> </TEI> [205/0213]
Nothwehr bey Feindes Ueberzug. Ihr wollt nicht Recht
nehmen vor Gerichten, die in leeren Formen und
Grübeleyen ſich verlieren; ihr wollt es weiſen fortan
durch Schöpfen und Geſchworne. Ihr wollt, daß das
Verdienſt ausgleiche jeden Ranges Unterſchied, und daß
der Verkehr, die Rede und der Gedanke frey ſey wie der
Athem. Ihr wollet endlich blind in keinem Dinge dem Ge¬
heiße der Willkühr dienen; ſondern allein in freyer
Unterwerfung Euch Geſetzen fügen, zu denen Ihr
ſelbſt zuvor die Einwilligung gegeben. Das ſind Eure
Rechte, und ſie können Euch nicht beſtritten werden;
ihre Einräumung iſt keine Vergünſtigung, die man
nach Belieben ausſetzen und verzögern könnte, am
wenigſten in einer Zeit, die unaufhörlich mit neuen
verderblichen Organiſationen und Anmaßungen, wie
mit Ungeheuern, ſchwanger geht.
Aber ſo gutes Recht ſollt Ihr durch kein Unrecht
Euch verderben, Ihr würdet die Gegner allein damit
erfreuen. Iſt der Himmel doch jenes ſchlangenfüßigen
Titanen Meiſter worden, der die Revolution verſchlun¬
gen, und in ihrer furchtbaren Kraft gewirkt, was
ſollte ihm ſonſt noch widerſtehen in dieſer Zeit? Alles
Unrecht will wider den Strom der Geſchichte an; laßt
die Thoren ſich abmüden, wenn ſie glauben, ſie ſeyen
hoch hinauf, landen ſie athemlos tiefer, als von wan¬
nen ſie ausgeſchwommen. Allein auf dem Rechte ruht
die Autorität, will ſie von ihm ſich loszuſagen verſu¬
chen, dann wird ihre gänzliche Unmacht ihr bald den
Irrthum begreiflich machen, den ſie begangen hat.
Alle Heere, die auf Erden ſind, mögen nicht eine ein¬
zige mathematiſche Wahrheit zu nichte machen, noch
weniger werden ſie ein ethiſches Weltgeſetz erſchüttern.
Jedes Unrecht iſt von Gott verlaſſen, der allein der
gerechten Sache hilft; mag auch die Gewalt auf ſei¬
ner Seite ſtehen, es verwickelt ſich nur allzu bald in
ſeine eignen Widerſprüche, wird in ſeinen Sophismen
verfangen und in ſeinen Inconſequenzen verſtrickt,
daß ihm zuletzt kein Entrinnen mehr möglich iſt.
Aber freilich nicht das todte Recht, das auf dem
Papiere ſteht, kann ſich geltend machen; nur allein
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