gegengesetzte Aeußerste, und nun kamen die stehenden Heere auf, in deren Einrichtung das monarchische Prinzip allein und ausschließlich herrscht; blinder Ge¬ horsam das einzige Band ist, in dem das Ganze zusam¬ menhält, und die eigne spezifische Waffenehre der ein¬ zige Trieb, der es beseelt. Als aber die Erfahrung die Nachtheile auch dieses Extrems erwiesen; als sich bald ergeben, daß derselbe Mechanism, in dem die Verfassung erstarrt, auch in nichtigem Kamaschendienst und eiteln Paradekünsten Geist und Muth verkrüppelte; und wie, indem hier wie dort der gänzlich ausgewie¬ sene Geist in leeren Theorien ohne allen Verkehr mit der Wirklichkeit sich verlohr, alles praktische Geschick erstarb, erkannte man, daß auch hier eine Verjüngung in der Quelle ewiger Jugend noth thue und geboten sey und so wurden Landwehren wieder hervorgesucht. Man erkannte, daß, da das System der stehenden Heere einmal allgemein geworden, und die ganze Kriegskunst sich nach ihm gebildet hat, in ihm aller¬ dings eine nothwendige historische Entwickelung darge¬ stellt sey, und daß nun kein Staat für sich und einzeln ohne Nachtheil von einer Ordnung sich lossagen könne, die durch die große Beweglichkeit, durch ihre Erschlos¬ senheit bis zum Einzelnsten herab, durch ihre Lenkbar¬ keit und den Rhytmus ihrer Bewegungen, die ordnende Idee mit einer Wirksamkeit durchschlagen läßt, die dringend durch die Natur der Sache selbst geboten, nicht leicht auf anderm Wege erreichbar seyn mögte. Darum ist man allgemein einverstanden, daß so lange die gegenwärtigen Kriegsverhältnisse bestehen, im Heere, dem bewaffneten Arme der vollziehenden
gegengeſetzte Aeußerſte, und nun kamen die ſtehenden Heere auf, in deren Einrichtung das monarchiſche Prinzip allein und ausſchließlich herrſcht; blinder Ge¬ horſam das einzige Band iſt, in dem das Ganze zuſam¬ menhält, und die eigne ſpezifiſche Waffenehre der ein¬ zige Trieb, der es beſeelt. Als aber die Erfahrung die Nachtheile auch dieſes Extrems erwieſen; als ſich bald ergeben, daß derſelbe Mechanism, in dem die Verfaſſung erſtarrt, auch in nichtigem Kamaſchendienſt und eiteln Paradekünſten Geiſt und Muth verkrüppelte; und wie, indem hier wie dort der gänzlich ausgewie¬ ſene Geiſt in leeren Theorien ohne allen Verkehr mit der Wirklichkeit ſich verlohr, alles praktiſche Geſchick erſtarb, erkannte man, daß auch hier eine Verjüngung in der Quelle ewiger Jugend noth thue und geboten ſey und ſo wurden Landwehren wieder hervorgeſucht. Man erkannte, daß, da das Syſtem der ſtehenden Heere einmal allgemein geworden, und die ganze Kriegskunſt ſich nach ihm gebildet hat, in ihm aller¬ dings eine nothwendige hiſtoriſche Entwickelung darge¬ ſtellt ſey, und daß nun kein Staat für ſich und einzeln ohne Nachtheil von einer Ordnung ſich losſagen könne, die durch die große Beweglichkeit, durch ihre Erſchloſ¬ ſenheit bis zum Einzelnſten herab, durch ihre Lenkbar¬ keit und den Rhytmus ihrer Bewegungen, die ordnende Idee mit einer Wirkſamkeit durchſchlagen läßt, die dringend durch die Natur der Sache ſelbſt geboten, nicht leicht auf anderm Wege erreichbar ſeyn mögte. Darum iſt man allgemein einverſtanden, daß ſo lange die gegenwärtigen Kriegsverhältniſſe beſtehen, im Heere, dem bewaffneten Arme der vollziehenden
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gegengeſetzte Aeußerſte, und nun kamen die ſtehenden
Heere auf, in deren Einrichtung das monarchiſche
Prinzip allein und ausſchließlich herrſcht; blinder Ge¬
horſam das einzige Band iſt, in dem das Ganze zuſam¬
menhält, und die eigne ſpezifiſche Waffenehre der ein¬
zige Trieb, der es beſeelt. Als aber die Erfahrung
die Nachtheile auch dieſes Extrems erwieſen; als ſich
bald ergeben, daß derſelbe Mechanism, in dem die
Verfaſſung erſtarrt, auch in nichtigem Kamaſchendienſt
und eiteln Paradekünſten Geiſt und Muth verkrüppelte;
und wie, indem hier wie dort der gänzlich ausgewie¬
ſene Geiſt in leeren Theorien ohne allen Verkehr mit
der Wirklichkeit ſich verlohr, alles praktiſche Geſchick
erſtarb, erkannte man, daß auch hier eine Verjüngung
in der Quelle ewiger Jugend noth thue und geboten
ſey und ſo wurden Landwehren wieder hervorgeſucht.
Man erkannte, daß, da das Syſtem der ſtehenden
Heere einmal allgemein geworden, und die ganze
Kriegskunſt ſich nach ihm gebildet hat, in ihm aller¬
dings eine nothwendige hiſtoriſche Entwickelung darge¬
ſtellt ſey, und daß nun kein Staat für ſich und einzeln
ohne Nachtheil von einer Ordnung ſich losſagen könne,
die durch die große Beweglichkeit, durch ihre Erſchloſ¬
ſenheit bis zum Einzelnſten herab, durch ihre Lenkbar¬
keit und den Rhytmus ihrer Bewegungen, die ordnende
Idee mit einer Wirkſamkeit durchſchlagen läßt, die
dringend durch die Natur der Sache ſelbſt geboten,
nicht leicht auf anderm Wege erreichbar ſeyn mögte.
Darum iſt man allgemein einverſtanden, daß ſo
lange die gegenwärtigen Kriegsverhältniſſe beſtehen,
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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/174>, abgerufen am 18.07.2024.
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