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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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heilschwangerer Vorvordern gewesen, doch wie billig
ihn als die fruchtbare Bährmutter ihrer Uebel anerkennt,
die einmal ans Licht geboren, in der Schuld der Zeit
bald freudig aufgewachsen und erstarkt.

Die Hoffnungen und Erwartungen Teutschlands, die
im ersten Pariser Frieden nur allzu sehr zu kurz ge¬
kommen, waren geduldig mit zu diesem Congreß gezo¬
gen, und freylich wohl zu hoch anschlagend einige
Jahre von vorübergehender Erhebung gegen Jahr¬
hunderte von Erbärmlichkeit und Entartung, klagbar
in Mitte der Versammlung aufgetreten. Große Dinge
hatte die Meinung von diesem Verein erwartet, der nach
dem Sturze jener Universalmonarchie sich hier versam¬
melte, um die zerstörte europäische Republik wie¬
der zu restauriren und aufzubauen. Sie hatte richtig
erkannt, daß ohne wenn die Veste der Mitte in die¬
sem gemeinen Wesen, Teutschland, sich wieder stark und
wohl begründet finde, nicht für alle Zukunft an Ruhe,
Ordnung, Friede und Gleichgewicht zu denken sey.
Sie hatte einen Blick in die Geschichte zurückgewor¬
fen und erkannt, daß dies Reich nur damal ein wah¬
rer Schutz und Hort der Christenheit und eine Brust¬
wehre gegen innere und äußere Feinde in fester Sicher¬
heit auf sich geruht, als seine rege, lebendige Viel¬
heit unter der Einheit eines Kaisers vereinigt war.

Darum war in richtigem Naturinstinkte die Mei¬
nung der Meisten dahin ausgefallen, daß man den
Baustein, den der Feind verworfen, eben zum Eckstein
mache; daß man die alte Idee wieder in der neuen
Zeit erwecke, und sie kräftigend durch das junge Leben,
das der Fortschritt der Entwicklung hervorgerufen,

heilſchwangerer Vorvordern geweſen, doch wie billig
ihn als die fruchtbare Bährmutter ihrer Uebel anerkennt,
die einmal ans Licht geboren, in der Schuld der Zeit
bald freudig aufgewachſen und erſtarkt.

Die Hoffnungen und Erwartungen Teutſchlands, die
im erſten Pariſer Frieden nur allzu ſehr zu kurz ge¬
kommen, waren geduldig mit zu dieſem Congreß gezo¬
gen, und freylich wohl zu hoch anſchlagend einige
Jahre von vorübergehender Erhebung gegen Jahr¬
hunderte von Erbärmlichkeit und Entartung, klagbar
in Mitte der Verſammlung aufgetreten. Große Dinge
hatte die Meinung von dieſem Verein erwartet, der nach
dem Sturze jener Univerſalmonarchie ſich hier verſam¬
melte, um die zerſtörte europäiſche Republik wie¬
der zu reſtauriren und aufzubauen. Sie hatte richtig
erkannt, daß ohne wenn die Veſte der Mitte in die¬
ſem gemeinen Weſen, Teutſchland, ſich wieder ſtark und
wohl begründet finde, nicht für alle Zukunft an Ruhe,
Ordnung, Friede und Gleichgewicht zu denken ſey.
Sie hatte einen Blick in die Geſchichte zurückgewor¬
fen und erkannt, daß dies Reich nur damal ein wah¬
rer Schutz und Hort der Chriſtenheit und eine Bruſt¬
wehre gegen innere und äußere Feinde in feſter Sicher¬
heit auf ſich geruht, als ſeine rege, lebendige Viel¬
heit unter der Einheit eines Kaiſers vereinigt war.

Darum war in richtigem Naturinſtinkte die Mei¬
nung der Meiſten dahin ausgefallen, daß man den
Bauſtein, den der Feind verworfen, eben zum Eckſtein
mache; daß man die alte Idee wieder in der neuen
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das der Fortſchritt der Entwicklung hervorgerufen,

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[9/0017] heilſchwangerer Vorvordern geweſen, doch wie billig ihn als die fruchtbare Bährmutter ihrer Uebel anerkennt, die einmal ans Licht geboren, in der Schuld der Zeit bald freudig aufgewachſen und erſtarkt. Die Hoffnungen und Erwartungen Teutſchlands, die im erſten Pariſer Frieden nur allzu ſehr zu kurz ge¬ kommen, waren geduldig mit zu dieſem Congreß gezo¬ gen, und freylich wohl zu hoch anſchlagend einige Jahre von vorübergehender Erhebung gegen Jahr¬ hunderte von Erbärmlichkeit und Entartung, klagbar in Mitte der Verſammlung aufgetreten. Große Dinge hatte die Meinung von dieſem Verein erwartet, der nach dem Sturze jener Univerſalmonarchie ſich hier verſam¬ melte, um die zerſtörte europäiſche Republik wie¬ der zu reſtauriren und aufzubauen. Sie hatte richtig erkannt, daß ohne wenn die Veſte der Mitte in die¬ ſem gemeinen Weſen, Teutſchland, ſich wieder ſtark und wohl begründet finde, nicht für alle Zukunft an Ruhe, Ordnung, Friede und Gleichgewicht zu denken ſey. Sie hatte einen Blick in die Geſchichte zurückgewor¬ fen und erkannt, daß dies Reich nur damal ein wah¬ rer Schutz und Hort der Chriſtenheit und eine Bruſt¬ wehre gegen innere und äußere Feinde in feſter Sicher¬ heit auf ſich geruht, als ſeine rege, lebendige Viel¬ heit unter der Einheit eines Kaiſers vereinigt war. Darum war in richtigem Naturinſtinkte die Mei¬ nung der Meiſten dahin ausgefallen, daß man den Bauſtein, den der Feind verworfen, eben zum Eckſtein mache; daß man die alte Idee wieder in der neuen Zeit erwecke, und ſie kräftigend durch das junge Leben, das der Fortſchritt der Entwicklung hervorgerufen,

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/17>, abgerufen am 24.11.2024.