Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.So wuchs das demokratische Element in seiner Ge¬ Sollen wir den gegenwärtigen innern Zustand So wuchs das demokratiſche Element in ſeiner Ge¬ Sollen wir den gegenwärtigen innern Zuſtand <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0166" n="158"/> <p>So wuchs das demokratiſche Element in ſeiner Ge¬<lb/> diegenheit im Stillen in dem Verhältniß an, wie<lb/> das monarchiſche extenſiv um ſich greifend, ſich inten¬<lb/> ſiv ſchwächte und verflüchtigte; und indem das Letzte<lb/> in ſeiner Ausbreitung, die ſtändiſchen Freyheiten vor¬<lb/> beygehend, jenes Element mehr und mehr zu unter¬<lb/> graben ſich bemühte, mußte es endlich zu gewaltthä¬<lb/> tigen Rückwirkungen kommen, die dann allmählig die<lb/> ganze Bewegung wieder rückläufig gemacht. Von dieſer<lb/> Art waren die Revolution in England und der Auf¬<lb/> ſtand der vereinigten Niederlande; in unſerer Zeit die<lb/> franzöſiſche Umwälzung, die nun auch in Teutſchland<lb/> das demokratiſche Element bis zum höchſten Grade<lb/> der Spannung gerade da hinauf getrieben, als das<lb/> Territorial-Syſtem durch die gänzliche Auflöſung des<lb/> Reiches zu ſeiner Vollendung gekommen war; und da<lb/> ſich alſo hier die allerweiteſten und äußerſten Gegenſätze<lb/> gegenüberſtehen, ſo iſt zu begreifen, wie dieſe größte<lb/> aller Spannungen auch nothwendig am dringendſten<lb/> Beruhigung fordert, wenn ſie nicht in ähnliche gewalt¬<lb/> ſame Exploſionen aufgehen ſoll.</p><lb/> <p>Sollen wir den gegenwärtigen innern Zuſtand<lb/> Teutſchlands mit irgend einer Stimmung des organi¬<lb/> ſchen Lebens in Vergleichung bringen, ſo biethet ſich<lb/> uns der magnetiſche Somnambulism als die treffendſte<lb/> Uebereinſtimmung dar. Wie in dieſem Zuſtande das<lb/> ganze höhere geiſtige Leben ins untere animaliſche her¬<lb/> abgeſtiegen, alle ſelbſtthätige Willkühr erloſchen iſt;<lb/> alle Bewegungen nicht mehr dem Geboth des Einenden<lb/> von oben herab gehorchen, vielmehr von unten herauf<lb/> im Schlafwandeln Richtung und Ziel erhalten, alle<lb/> Sinne geſchloſſen und in ſich gekehrt, und der Geiſt<lb/></p> </body> </text> </TEI> [158/0166]
So wuchs das demokratiſche Element in ſeiner Ge¬
diegenheit im Stillen in dem Verhältniß an, wie
das monarchiſche extenſiv um ſich greifend, ſich inten¬
ſiv ſchwächte und verflüchtigte; und indem das Letzte
in ſeiner Ausbreitung, die ſtändiſchen Freyheiten vor¬
beygehend, jenes Element mehr und mehr zu unter¬
graben ſich bemühte, mußte es endlich zu gewaltthä¬
tigen Rückwirkungen kommen, die dann allmählig die
ganze Bewegung wieder rückläufig gemacht. Von dieſer
Art waren die Revolution in England und der Auf¬
ſtand der vereinigten Niederlande; in unſerer Zeit die
franzöſiſche Umwälzung, die nun auch in Teutſchland
das demokratiſche Element bis zum höchſten Grade
der Spannung gerade da hinauf getrieben, als das
Territorial-Syſtem durch die gänzliche Auflöſung des
Reiches zu ſeiner Vollendung gekommen war; und da
ſich alſo hier die allerweiteſten und äußerſten Gegenſätze
gegenüberſtehen, ſo iſt zu begreifen, wie dieſe größte
aller Spannungen auch nothwendig am dringendſten
Beruhigung fordert, wenn ſie nicht in ähnliche gewalt¬
ſame Exploſionen aufgehen ſoll.
Sollen wir den gegenwärtigen innern Zuſtand
Teutſchlands mit irgend einer Stimmung des organi¬
ſchen Lebens in Vergleichung bringen, ſo biethet ſich
uns der magnetiſche Somnambulism als die treffendſte
Uebereinſtimmung dar. Wie in dieſem Zuſtande das
ganze höhere geiſtige Leben ins untere animaliſche her¬
abgeſtiegen, alle ſelbſtthätige Willkühr erloſchen iſt;
alle Bewegungen nicht mehr dem Geboth des Einenden
von oben herab gehorchen, vielmehr von unten herauf
im Schlafwandeln Richtung und Ziel erhalten, alle
Sinne geſchloſſen und in ſich gekehrt, und der Geiſt
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