die Erde vom Sternenhimmel, doch wieder in sich selber abgeschlossen, und innerhalb dieses eigenthüm¬ lichen Würkungskreises nach bestimmten Gesetzen einer Naturnothwendigkeit im ewigen Kreislaufe bewegt, und in sofern es dieser Nothwendigkeit anheimgefallen, jener Freyheit entrückt und eigenem Rechte pflichtig ist. Darum ist das Eine allerdings ein Symbol des An¬ dern, und das Ideale geht dem Realen als das Erste an Würde vor; aber in wiefern nach der Naturseite hin die Idee sich in der Darstellung wirklich verkörpert hat, ist sie aus dem Gebiethe des Idealen herausge¬ treten, und dieses muß sie nun den Naturgesetzen der realen Sphäre überlassen.
So ist der Vorrang des Ethischen vor dem Patheti¬ schen zwar nicht zweifelhaft, und die Ethik erkennt in ihrem Gebiethe die Herrschaft der Leidenschaften und der Nachtseite des Menschen in keine Weise an; aber sie bescheidet sich auch im Gebiethe der Leidenschaften selbst keine direkte Herrschaft auszuüben; sie mag nur allenfalls durch das Gesetz des Schönen so weit hin¬ unterreichen, und nimmt es nur über sich, die Aus¬ brüche jener Naturtriebe nach Möglichkeit zu ordnen und zu regeln. Darum ist denn auch allerdings die Kirche dem Range nach das Erste, aber darum nicht das ausschließlich Herrschende; der Staat vielmehr in seinem engern Gebiethe, durch vielfältige irdische Ver¬ hältnisse bestimmt, besitzt seine eigene selbstständige Autonomie, die die Kirche zwar heiligen aber nicht in Anspruch nehmen kann.
Nur wenn die Quellgeister der Tiefe ansteigen in Vermessenheit, wenn sie wie Ahrmann in jener Lehre hin¬ auf zum Aether qualmen und seine Sterne verhüllen
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die Erde vom Sternenhimmel, doch wieder in ſich ſelber abgeſchloſſen, und innerhalb dieſes eigenthüm¬ lichen Würkungskreiſes nach beſtimmten Geſetzen einer Naturnothwendigkeit im ewigen Kreislaufe bewegt, und in ſofern es dieſer Nothwendigkeit anheimgefallen, jener Freyheit entrückt und eigenem Rechte pflichtig iſt. Darum iſt das Eine allerdings ein Symbol des An¬ dern, und das Ideale geht dem Realen als das Erſte an Würde vor; aber in wiefern nach der Naturſeite hin die Idee ſich in der Darſtellung wirklich verkörpert hat, iſt ſie aus dem Gebiethe des Idealen herausge¬ treten, und dieſes muß ſie nun den Naturgeſetzen der realen Sphäre überlaſſen.
So iſt der Vorrang des Ethiſchen vor dem Patheti¬ ſchen zwar nicht zweifelhaft, und die Ethik erkennt in ihrem Gebiethe die Herrſchaft der Leidenſchaften und der Nachtſeite des Menſchen in keine Weiſe an; aber ſie beſcheidet ſich auch im Gebiethe der Leidenſchaften ſelbſt keine direkte Herrſchaft auszuüben; ſie mag nur allenfalls durch das Geſetz des Schönen ſo weit hin¬ unterreichen, und nimmt es nur über ſich, die Aus¬ brüche jener Naturtriebe nach Möglichkeit zu ordnen und zu regeln. Darum iſt denn auch allerdings die Kirche dem Range nach das Erſte, aber darum nicht das ausſchließlich Herrſchende; der Staat vielmehr in ſeinem engern Gebiethe, durch vielfältige irdiſche Ver¬ hältniſſe beſtimmt, beſitzt ſeine eigene ſelbſtſtändige Autonomie, die die Kirche zwar heiligen aber nicht in Anſpruch nehmen kann.
Nur wenn die Quellgeiſter der Tiefe anſteigen in Vermeſſenheit, wenn ſie wie Ahrmann in jener Lehre hin¬ auf zum Aether qualmen und ſeine Sterne verhüllen
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die Erde vom Sternenhimmel, doch wieder in ſich
ſelber abgeſchloſſen, und innerhalb dieſes eigenthüm¬
lichen Würkungskreiſes nach beſtimmten Geſetzen einer
Naturnothwendigkeit im ewigen Kreislaufe bewegt,
und in ſofern es dieſer Nothwendigkeit anheimgefallen,
jener Freyheit entrückt und eigenem Rechte pflichtig iſt.
Darum iſt das Eine allerdings ein Symbol des An¬
dern, und das Ideale geht dem Realen als das Erſte
an Würde vor; aber in wiefern nach der Naturſeite
hin die Idee ſich in der Darſtellung wirklich verkörpert
hat, iſt ſie aus dem Gebiethe des Idealen herausge¬
treten, und dieſes muß ſie nun den Naturgeſetzen der
realen Sphäre überlaſſen.
So iſt der Vorrang des Ethiſchen vor dem Patheti¬
ſchen zwar nicht zweifelhaft, und die Ethik erkennt in
ihrem Gebiethe die Herrſchaft der Leidenſchaften und
der Nachtſeite des Menſchen in keine Weiſe an; aber
ſie beſcheidet ſich auch im Gebiethe der Leidenſchaften
ſelbſt keine direkte Herrſchaft auszuüben; ſie mag nur
allenfalls durch das Geſetz des Schönen ſo weit hin¬
unterreichen, und nimmt es nur über ſich, die Aus¬
brüche jener Naturtriebe nach Möglichkeit zu ordnen
und zu regeln. Darum iſt denn auch allerdings die
Kirche dem Range nach das Erſte, aber darum nicht
das ausſchließlich Herrſchende; der Staat vielmehr in
ſeinem engern Gebiethe, durch vielfältige irdiſche Ver¬
hältniſſe beſtimmt, beſitzt ſeine eigene ſelbſtſtändige
Autonomie, die die Kirche zwar heiligen aber nicht in
Anſpruch nehmen kann.
Nur wenn die Quellgeiſter der Tiefe anſteigen in
Vermeſſenheit, wenn ſie wie Ahrmann in jener Lehre hin¬
auf zum Aether qualmen und ſeine Sterne verhüllen
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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/153>, abgerufen am 20.07.2024.
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