Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.Wenn jener Vorwurf allzu hoch anstrebenden Das erste Verhältniß aber, in dem der Gegen¬ die
Wenn jener Vorwurf allzu hoch anſtrebenden Das erſte Verhältniß aber, in dem der Gegen¬ die
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0152" n="144"/> Wenn jener Vorwurf allzu hoch anſtrebenden<lb/> Uebermuth niederſchlägt, ſo mag dieſe Vertheidigung<lb/> vor überflüſſiger Demuth uns bewahren, und es<lb/> wird ſich dann leicht die rechte Mitte finden, wo<lb/> die Vergangenheit ihr Recht erhält, die auch einſt<lb/> Gegenwart geweſen, und die Gegenwart, die einſt<lb/> als eine Vergangenheit hinter die kommenden Zeiten<lb/> tritt, ſich nicht ſelbſt aufgeben darf. Denn aus<lb/> Zeiten wird die Geſchichte, wer eine Zeit negirt,<lb/> muß alle verneinen, die vorangegangen; nichtig iſt<lb/> zu aller Zeit nur, was ſich vereinzeln will; alles<lb/> Allgemeine, alles, was inſtinktartig in der Maſſe<lb/> wirkſam treibt, iſt hiſtoriſch, und muß als Solches<lb/> geehrt und geachtet ſeyn, wer es aber ausſchließen<lb/> muß nach den Grundſätzen einer falſchen Theorie,<lb/> mag ſicher ſeyn, daß er auf irrigen Wegen geht.</p><lb/> <p>Das erſte Verhältniß aber, in dem der Gegen¬<lb/> ſatz der Zeiten und der Anſichten praktiſch hervortritt,<lb/> und ſeine Vermittlung fordert, iſt das des Staates zu<lb/> der Kirche. Nach der Idee des Alterthums ſtellte in der<lb/> großen Gemeinſchaft der Gläubigen die Kirche die ideale<lb/> Seite, die europäiſche Republik aber im Kaiſerthum<lb/> und der Staat im Beſonderen die Reale dar. Es iſt<lb/> aber das Verhältniß beider Sphären ein Solches,<lb/> daß das Ideale ſeiner Natur nach frey, in ſich ru¬<lb/> hend, ſeiner ſelbſt mächtig, und ſich ſelbſt durchſichtig<lb/> iſt, und durchleuchtet von den Ideen, die wie Sterne<lb/> in ihren Licht-Ergüſſen wechſelſeitig ſich durchſtrahlen,<lb/> und von jener ewigen in ſich zurückkehrenden Schlange<lb/> umhegt und umgürtet ſind. Das Reale aber iſt ſei¬<lb/> nem Weſen nach, obgleich von jenem umgriffen, wie<lb/> <fw place="bottom" type="catch">die<lb/></fw> </p> </body> </text> </TEI> [144/0152]
Wenn jener Vorwurf allzu hoch anſtrebenden
Uebermuth niederſchlägt, ſo mag dieſe Vertheidigung
vor überflüſſiger Demuth uns bewahren, und es
wird ſich dann leicht die rechte Mitte finden, wo
die Vergangenheit ihr Recht erhält, die auch einſt
Gegenwart geweſen, und die Gegenwart, die einſt
als eine Vergangenheit hinter die kommenden Zeiten
tritt, ſich nicht ſelbſt aufgeben darf. Denn aus
Zeiten wird die Geſchichte, wer eine Zeit negirt,
muß alle verneinen, die vorangegangen; nichtig iſt
zu aller Zeit nur, was ſich vereinzeln will; alles
Allgemeine, alles, was inſtinktartig in der Maſſe
wirkſam treibt, iſt hiſtoriſch, und muß als Solches
geehrt und geachtet ſeyn, wer es aber ausſchließen
muß nach den Grundſätzen einer falſchen Theorie,
mag ſicher ſeyn, daß er auf irrigen Wegen geht.
Das erſte Verhältniß aber, in dem der Gegen¬
ſatz der Zeiten und der Anſichten praktiſch hervortritt,
und ſeine Vermittlung fordert, iſt das des Staates zu
der Kirche. Nach der Idee des Alterthums ſtellte in der
großen Gemeinſchaft der Gläubigen die Kirche die ideale
Seite, die europäiſche Republik aber im Kaiſerthum
und der Staat im Beſonderen die Reale dar. Es iſt
aber das Verhältniß beider Sphären ein Solches,
daß das Ideale ſeiner Natur nach frey, in ſich ru¬
hend, ſeiner ſelbſt mächtig, und ſich ſelbſt durchſichtig
iſt, und durchleuchtet von den Ideen, die wie Sterne
in ihren Licht-Ergüſſen wechſelſeitig ſich durchſtrahlen,
und von jener ewigen in ſich zurückkehrenden Schlange
umhegt und umgürtet ſind. Das Reale aber iſt ſei¬
nem Weſen nach, obgleich von jenem umgriffen, wie
die
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